Zusammenfassung
Antrag des Sozial-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-16-1/A-4-2023 – Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung in Niederösterreich sicherstellen
Berichterstatter
Redner
- Silvia Moser (GRÜNE) Tagesordnungspunkt 14 Video und Sitzungsbericht
- Karin Scheele (SPÖ) Tagesordnungspunkt 14 Video und Sitzungsbericht
- Edith Mühlberghuber (FPÖ) Tagesordnungspunkt 14 Video und Sitzungsbericht
- Silvia Moser (GRÜNE) Tagesordnungspunkt 14 Video und Sitzungsbericht
- Anton Erber (ÖVP) Tagesordnungspunkt 14 Video und Sitzungsbericht
Abstimmung
Antrag angenommen: Zustimmung ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS, Ablehnung GRÜNE
Video-Übertragung der Sitzung
Den textlichen Auszug des Sitzungsberichts finden Sie nach dem Video.
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Präsident Mag. Wilfing:Damit kommen wir zum Verhandlungsgegenstand 16-1, Antrag gemäß § 34 unserer Landtagsgeschäftsordnung der Abgeordneten Schmidl betreffend selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung in Niederösterreich sicherstellen. Ich ersuche Herrn Abgeordneten Hörlezeder auch hier die Berichterstattung vorzunehmen.
Berichterstatter Abg. Hörlezeder (GRÜNE): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichte zur Ltg.-16-1, Antrag des Sozial-Ausschusses der Abgeordneten Schmidl betreffend selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung in Niederösterreich sicherstellen (liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
Die NÖ Landesregierung wird ersucht
- einen Evaluierungsprozess einzuleiten, um die konkreten Auswirkungen der neuen Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Situation in Niederösterreich zu eruieren und in weiterer Folge die geeigneten Maßnahmen für die Gruppe der Menschen mit Behinderung, die Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, mit dem Ziel zu setzen, für diese ein Leben in Selbstbestimmtheit und in größtmöglicher Unabhängigkeit zu gewährleisten sowie
- an den zuständigen Bundesminister heranzutreten und diesen aufzufordern, mit allen Bundesländern eine gemeinsame Richtlinie zu erarbeiten oder die derzeitige Richtlinie derart abzuändern, dass eine langfristige Finanzierung sichergestellt werden kann.
- Durch diesen Antrag gemäß § 34 LGO 2001 wird der Antrag Ltg.-16/A-4-2023 miterledigt.“
Herr Präsident, ich ersuche neuerlich um Einleitung der Debatte und Beschlussfassung.
Präsident Mag. Wilfing: Damit gehen wir in diese Debatte und als Erste zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Silvia Moser von den GRÜNEN.
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Persönliche Assistenz ist extrem wichtig für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen. Bekanntlicherweise ist sie für den Freizeitbereich in den Händen und Verantwortung der Bundesländer und dadurch auch sehr unterschiedlich geregelt. Bundesminister Johannes Rauch konnte jetzt eine wichtige Reform, ein Pilotprojekt, der Persönlichen Assistenz auf den Weg bringen. Was die Bundesländer über die Jahre selber nicht geschafft haben – und zwar eine bundesweite Vereinheitlichung der Richtlinien für die Persönliche Assistenz und er stellt noch dazu 100 Millionen Euro zur Verfügung. Alle Bundesländer haben die Möglichkeit diese zusätzlichen Budgetmittel abzuholen und sich am Pilotprojekt zu beteiligen. Damit – ich möchte es hier ja wirklich ganz ausdrücklich und eindringlich sagen – könnte ein weiterer Meilenstein in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gesetzt werden. Das ist höchste Zeit. Ja, wer ist wieder einmal nicht dabei? Niederösterreich. Es ist für mich irgendwie unpackbar, unglaublich. Da liegt Geld im Bund, das muss nur abgeholt werden und Niederösterreich, das ohnehin die restriktivsten Regulierungen für die Persönliche Assistenz hat, die restriktivsten Voraussetzungen für den Anspruch, holt das Geld einfach nicht ab. Dabei sind die Zielsetzungen so positiv. Selbstbestimmt leben, einheitliche Regelungen für Beruf und Freizeit, erweiterter Kreis der Anspruchsberechtigung für Menschen von 15 bis 65 Jahre, für gehörlose Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychischen Erkrankungen, ganz wesentlich die Entkopplung vom Pflegegeld – wir haben jetzt als Voraussetzung Pflegegeld der Stufe 5 sogar und für die Assistentinnen und Assistenten arbeitsrechtliche Verbesserungen. Mit diesen Richtlinien werden langjährige Forderungen der Betroffenen endlich umgesetzt. Erarbeitet wurden die Kriterien auch in Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden, allen voran den Vertreterinnen des Österreichischen Behindertenrates und der „Selbstbestimmt-Leben-Bewegung“. Und ihr, Kolleginnen ... ÖVP, FPÖ, SPÖ ... ihr verweigert den betroffenen Menschen dieses selbstbestimmte Leben, diese Verbesserung für ein selbstbestimmtes Leben. Erklärt mir das! Warum? Erarbeitet wurden die Richtlinien mit Tirol, Vorarlberg, Salzburg, alles Länder, wo die ÖVP regiert und das Okay gegeben hat, ebenso im Bund. Ich erwarte das auch von der ÖVP Niederösterreich. Und Kolleginnen, Kollegen der FPÖ, jetzt könnt ihr beweisen wie wichtig euch die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung ist. Die Kollegin Mühlberghuber ... Sie haben zuerst gesagt: „Die Menschen mit Behinderung sind mir so wichtig.“ Jetzt, bitte, beweist es! Nehmt teil am Pilotprojekt des Bundes. Besonders enttäuscht mich auch die SPÖ, wo doch das Burgenland beim Pilot dabei ist und sogar angekündigt hat, darüber hinaus Finanzierungen vorzunehmen und Kärnten sich optimistisch zeigt, demnächst dazuzukommen. Ihr verweigert das. Wie erklärt ihr das den Betroffenen? (Unruhe bei Abg. Mag. Scheele.) Im Ausschuss habt ihr dagegen gestimmt. Wie erklärt ihr das den Betroffenen, den Behindertenorganisationen, den Selbstvertreterinnen? Wie erklärt ihr das? Es gibt keine objektiven Gründe dafür. Es geht meiner Meinung nach um gekränkte Eitelkeit und um persönliche Befindlichkeiten. Zur Abstimmung kommt jetzt hier ein völlig unnötiger § 34-Antrag, der alles eigentlich nur verzögert und zerreden soll usw. Ehrlich gesagt, ich bin nicht mehr bereit solchen „Wischiwaschi-§ 34-Anträgen“ zuzustimmen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Eines wird allerdings deutlich jetzt: Dass die NÖ Landesregierung über Jahre verabsäumt hat in der eigenen Kompetenz hier etwas für die Persönliche Assistenz zu verbessern, die eigenen Aufgaben nicht wahrgenommen hat. Und jetzt, wo der Bund 100 Millionen zur Verfügung stellt, eine Vereinheitlichung geschafft hat, ist Niederösterreich bockig und verweigert. Da kann ich nur sagen: Wie traurig! Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Präsident Mag. Wilfing: Als Nächste zu Wort kommt die Frau Abgeordnete Karin Scheele, SPÖ.
Abg. Mag. Scheele (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir manchmal gerne die Originalanträge in den Ausschüssen hätten und keine § 34-Anträge, weil ich glaube, es gibt auch keine Fraktion, die in dem einen Bereich oder dem anderen Bereich nicht mit dem § 34-Antrag mitstimmt. Der Grund warum wir im Ausschuss und auch heute mit dem § 34 und mit dem vorliegenden Ausschussantrag mitgehen ist, dass die Information, die wir auch von unseren zuständigen Regierungsmitgliedern erhalten haben, jene ist, dass es der Bundesminister nicht geschafft hat von Anfang an mit allen Bundesländern hier gemeinsame Richtlinien zu erarbeiten, dass es sein dezidierter Wunsch war mit drei auserwählten Bundesländern – nicht die größten, wenn man das so sagen darf, ohne diskriminierend sein zu wollen – hier von Anfang an in den Dialog zu treten und in den Arbeitsdialog zu treten und hier gemeinsame Richtlinien auszuarbeiten. Das bedauern wir sehr. Ich denke mir, dann kann man immer „Haltet den Dieb“ schreien und auf die anderen zeigen. Wichtig finde ich, dass wir in dem Bereich der Persönlichen Assistenz weitere Schritte machen im Land und natürlich auch eine bundesweite Regelung und ich gebe auch zu, dass der meistdiskutierte Bereich ... da wissen wir von vielen Betroffenen, dass die auf jeden Fall die freien Dienstverträge wollen ... und das ist ein Grund, warum manche Bundesländer mit den vorliegenden Richtlinien nicht einverstanden sind. Ich glaube, dass wir gemeinsam bundesweite Richtlinien erarbeiten müssen, wo sowohl der Wunsch der Betroffenen, aber auch eine arbeitsrechtliche Absicherung und Verhinderung der Ausbeutung der Menschen, die in der Persönlichen Assistenz arbeiten, erreichen. Ich möchte nochmal wiederholen: Für meine Fraktion war das überzeugende Argument, dass es vonseiten des Bundesministers nicht erreicht wurde hier von Anfang an in diesem wichtigen Thema mit allen Bundesländern den Dialog zu suchen. Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ und Abg. Erber, MBA.)
Präsident Mag. Wilfing: Die nächste Wortmeldung ergeht an die Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber, FPÖ.
Abg. Mühlberghuber(FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Wir alle wollen bestmögliche Angebote für Menschen mit Behinderung, damit sie ihr Leben selbstbestimmt und möglichst unabhängig gestalten können. Da sind wir uns alle einig. Aber, Frau Moser, für mich sind schon einige Fragen, die Sie uns nicht beantworten können, aber vielleicht kommen Sie noch ans Rednerpult. Ich habe für Sie einige Fragen – und zwar zu dem Projekt: Warum sind bei diesem Projekt nicht alle Bundesländer eingebunden worden? Das ist einmal die erste Frage. Und warum ist im Vorfeld zu Ihrem Antrag Niederösterreich nie zu einem Gespräch eingeladen worden? Warum hat man keine Gespräche geführt mit Niederösterreich, damit die Persönliche Assistenz bundesweit einheitlich zu regeln ist? Warum hat man das einfach nicht gemacht? Es tauchen auch weitere Fragen auf: Wie schaut es mit den Dienstverträgen aus? Mit den Anstellungsverhältnissen? Wie werden die Dienstverträge der betroffenen Mitarbeiter in den Trägerorganisationen geregelt? Weitere Frage: Können Sie die bisherigen Dienstverträge beibehalten oder müssen Sie auf ein anderes Modell umsteigen? Was passiert mit denen, mit der Mitarbeiterin? Wie geht man mit den freien Dienstverträgen um? Werden die freien Dienstverträge anders gestaltet? Also Fragen über Fragen und für uns, was ganz eine wichtige Frage ist: Wie schaut es aus mit der langfristigen Finanzierung? Das Projekt dauert zwei Jahre. Was passiert danach? Sind dann die Personen, die Menschen mit Behinderung, die eine Persönliche Assistenz brauchen ... sind die abgesichert? Wie schaut es aus nach zwei Jahren? Man kann ja jetzt nicht zwei Jahre einfach ... so einen Antrag, was Sie da eingebracht haben, der ist uns hergeknallt worden wie „Friss oder stirb“. Genauso habe ich das empfunden und das ist nicht der richtige Weg. Da muss man schon vorher erklären wie es genauer ausschaut. Für uns sind viele, viele Fragen offen und daher ist es auch notwendig eine Eruierung einzuleiten, um die Ergebnisse der neuen Förderrichtlinien in Niederösterreich einmal zu ermitteln und es braucht auch eine gemeinsame Richtlinie mit allen Bundesländern, damit eine langfristige Finanzierung sichergestellt ist. Denn was wir alle wollen: Jedem Menschen mit Behinderung muss jene Unterstützung geboten werden, die ihm den Alltag erleichtert und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben garantiert. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wilfing: Die Frau Abgeordnete Silvia Moser von den GRÜNEN hat sich nochmals zu Wort gemeldet.
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem Kollegin Mühlberghuber! Kärnten und das Burgenland waren auch nicht bei den ursprünglichen Verhandlungen dabei. Ich glaube das Wichtigste ist, dass man hier die Betroffenen selber miteinbezogen hat (Unruhe bei Abg. Mühlberghuber.), nämlich – ich wiederhole es noch einmal – die Vertreterinnen des Österreichischen Behindertenrates und der „Selbstbestimmt-Leben-Bewegung“. Das ist das absolut Wichtigste. (Abg. Mühlberghuber: Ja, aber wie schauen die Verträge aus? Das wissen wir nicht.) Was die sozialrechtliche Absicherung der Persönlichen Assistentinnen und Assistenten betrifft: Na selbstverständlich kann man die Verträge ändern. Selbstverständlich kann man Verträge verbessern und das ist ja ein Uranliegen von uns. Die langfristige Finanzierung nach zwei Jahren ist eine Sache der Finanzausgleichsverhandlungen. So einfach ist es und es geht für mich unterm Strich einfach nur darum: Will ich oder will ich nicht? (Beifall bei den GRÜNEN.)
Präsident Mag. Wilfing: Als Nächster will Anton Erber zum Rednerpult.
Abg. Erber, MBA (ÖVP): Geschätzte Präsidenten! Liebe Mitglieder des Landtages! Frau Abgeordnete Moser, Niederösterreich ist in Wahrheit – und gestern haben wir ein Paradebeispiel im Nationalrat gesehen mit der Beschlussfassung zur Pflege – immer ein Vorreiter. Wir stehen immer auf Seiten jener, die uns brauchen. Wir stehen immer auf Seiten der Behinderten. Und jetzt können wir das da darstellen wie wir wollen: Erklären Sie mir einmal, wenn jemand eine bundeseinheitliche Lösung will, na warum gehe ich dann nicht her und tu dann – wie es eigentlich gute Sitte und Tradition ist – warum gehe ich nicht her und binde alle mit ein, wenn ich alle dabeihaben will? Wenn Sie da jetzt behaupten, wir hätten im Bereich gerade, der hier gegenständlich ist, nichts getan, dann möchte ich Ihnen nur ein einziges Beispiel sagen und zwar: Wir haben den Stundensatz angehoben, die Förderung, die wir ausschütten von 20,5 Euro auf 22 Euro. Das ist erst mit 1.1.2023 in Umsetzung gelangt. Das Ministerium will die Harmonisierung und macht das in Wahrheit mit drei Bundesländern. Erklären Sie mir: Warum geht man denn nicht her und bindet alle mit ein? Jetzt wurde es vorher schon gesagt: Worum geht es denn tatsächlich und was ist die Zielsetzung? Man will einen Piloten machen, ok, dann soll es so sein. Dann macht man einen Piloten mit den westlichen Bundesländern. Wenn man diesen Piloten macht, dann gibt es eine Evaluierung und dann gibt es eine Bewertung dessen. Vor allen Dingen, wissen Sie, was ich da schon kritisiere? Das ist eine Unsitte, die da einreißt. Jetzt geht man her, auf zwei Jahre gibt man eine Anschubfinanzierung. Jetzt kann man dann nicht so sagen: „Naja, und dann wird man halt Neues beschließen.“ Wissen Sie, was das in Wahrheit ist? Da wird jetzt Geld verwendet, dann werden da Standards geschaffen, die man nicht mehr zurückfahren kann. Das heißt, die Länder sind dann in der Ziehung. Das bedeutet Anschubfinanzierung. Also keine finanzielle solide Basis, sondern in Wahrheit: „Wir bringen den Ball ins Spiel und dann werden wir schon schauen, wer sich das traut, dass er das wieder zurücknimmt.“ Also das ist keine besonders seriöse Vorgehensweise, das möchte ich Ihnen schon sagen. Niederösterreich wird immer Partner sein. Aber eins – und das möchte ich schon auch sagen – können wir uns wohl erwarten: Wenn wir mit dabei sein wollen, dann wollen wir auch mit dabei sein bei der Gestaltung, weil so kann es ja nicht einreißen, dass da ein paar etwas ausmachen und dann kommen Sie her und kritisieren, Niederösterreich wäre ein Land, das nichts für Behinderte tut, weil genau das Gegenteil ist der Fall. Niederösterreich war in der Behindertenpolitik immer der Vorreiter, ist es jetzt und wird es auch in Zukunft bleiben und so schaut es aus! Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, Abg. Mühlberghuber und Präs. Waldhäusl.)
Präsident Mag. Wilfing: Es gibt keine weitere Wortmeldung. Der Berichterstatter verzichtet ebenfalls.
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