Zusammenfassung
Antrag des Gesundheits-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1673/A-2/57-2021 – Pilotprojekt zur Anstellung pflegender Angehöriger
Berichterstatter
Redner
- Edith Kollermann (NEOS) Tagesordnungspunkt 7 Video und Sitzungsbericht – mit Resolutionsantrag
- Silvia Moser (GRÜNE) Tagesordnungspunkt 7 Video und Sitzungsbericht
- Erich Königsberger (FPÖ) Tagesordnungspunkt 7 Video und Sitzungsbericht
- Karin Scheele (SPÖ) Tagesordnungspunkt 7 Video und Sitzungsbericht
- Michaela Hinterholzer (ÖVP) Tagesordnungspunkt 7 Video und Sitzungsbericht
Abstimmung
Antrag angenommen: Zustimmung ÖVP, GRÜNE, NEOS, Ablehnung SPÖ, FPÖ, Abg. Ing. Huber
Resolutionsantrag Abg. Mag. Kollermann betreffend wirksame Unterstützung für pflegende Angehörige statt Populismus abgelehnt: Zustimmung GRÜNE, NEOS, Ablehnung ÖVP, SPÖ, FPÖ, Abg. Ing. Huber
Video-Übertragung der Sitzung
Den textlichen Auszug des Sitzungsberichts finden Sie nach dem Video.
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Wir kommen daher zum Verhandlungsgegenstand Ltg.-1673, Antrag der Abgeordneten Mag. Scheele u.a. betreffend Pilotprojekt zur Anstellung pflegender Angehöriger. Ich ersuche Herrn Abgeordneten Pfister die Verhandlungen einzuleiten.
Berichterstatter Abg. Pfister (SPÖ): Werter Herr Präsident! Ich bringe den Antrag des Gesunheits-Ausschusses über den Antrag der Abgeordneten Mag. Scheele, Hundsmüller, Pfister und Kolleginnen und Kollegen betreffend des Pilotprojekts zur Anstellung pflegender Angehöriger. Es geht hier darum: Derzeit stehen in Niederösterreich insgesamt 10.238 Pflegeplätze in den landeseigenen Pflege- und Betreuungszentren sowie in den Vertragseinrichtungen zur Verfügung. Derzeit sind österreichweit 950.000 Angehörige in die Pflege ihrer Angehörigen eingebunden, wobei viele von ihnen mit der Situation überfordert sind. Besonders in entlegenen Gemeinden ist es für Pflegebedürftige und ihre Angehörige besonders schwer hier Unterstützung zu finden. In Niederösterreich soll ein Pilotprojekt, um eine repräsentive Datenlage hier generieren zu können, eingeführt werden und zumindest 500 pflegenden Angehörigen, die bei der NÖ Landesgesundheitsagentur oder einer zu gründenen Tochtergesellschaft angestellt werden. Start dieses Pilotprojekts soll der Herbst 2021 sein. Ich bringe daher den Antrag (liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
Der Antrag wird abgelehnt.“
Zweiter Präsident Mag. Karner: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Debatte und zum Wort gelangt die Frau Abgeordnete Edith Kollermann von den NEOS.
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal das Thema „Pflege“. Wir betrachten es heute aus verschiedenen Blickwinkeln. Das ist gut so. Sehr häufig wird über die Kosten diskutiert. Millioneninvestitionen in den Bau von Pflegeeinrichtungen, finanzielle Besserstellungen von Mitarbeiterinnen, Versprechungen von finanziellen Abgeltungen für die Angehörigen. Aber zu allererst sollten wir die Frage nach den Bedürfnissen der Betroffenen stellen. Jahrelang wurde eine ehrliche Debatte leider verschleppt. Die „Taskforce Pflege“ auf der Bundesebene, habe ich gestern in den Nachrichten gehört, soll im Herbst erst die Umsetzungsschritte bringen. Aber bis dann tatsächlich etwas in die Gänge kommt, wird in den Ländern weiterhin der Fleckerlteppich gewebt. Die Pflege wird von den Angehörigen meistens ganz selbstverständlich übernommen. Wir haben es auch schon … ich glaube beim ersten Beitrag hat es der Kollege Erber auch so gesagt … dass da vieles in Bewegung ist, weil die Verfügbarkeit der Familienangehörigen auch abnimmt. Aber dass das auch, so wie es derzeit läuft, noch eine sehr selbstverständliche Leistung am geliebten Angehörigen ist, auch aus Pflichtbewusstsein natürlich und manchmal auch aus Alternativlosigkeit. Der starke Anstieg der Demenzerkrankungen, ist ein wesentlicher Teil in der Pflege, verstärkt und verschärft die Situation natürlich noch einmal. Oftmals auch deshalb, weil Demenz immer noch ein Tabuthema ist. Auch die Betroffenen selbst überspielen sehr lange erste Symptome, sodass es zu einer neurologischen Abklärung und damit zu einer Diagnose oft erst viel später kommt, als es gut wäre, um erste Schritte zu setzen und um sich auch als Angehöriger darauf einstellen zu können. Wenn Sie pflegende Angehörige fragen, was sie brauchen oder auch im Nachhinein, was ihnen geholfen hätte am Beginn ihrer Tätigkeit als Pflegender, dann werden Sie wahrscheinlich gar nie hören: „Ich wäre gerne bei der Landesgesundheitsagentur angestellt worden.“ Da geht es oft um ganz andere Fragen - nämlich an ganz erster Stelle um Information. Das Wissen um vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten – es gibt erfreulicherweise sehr viele Möglichkeiten etwas zu tun – aber das Wissen, wenn Sie als pflegender Angehöriger erstmals damit konfrontiert sind, ist das nicht selbstverständlich: An wen wende ich mich? Wer hilft mir da wobei? Wie komme ich zu entsprechenden Ausstattungen? Das ist ein großer Themenblock, wo sich die Angehörigen wünschen und wünschten, sie hätten das auch früher gewusst. Die Aufgabe, die die Politik hier hat, ist diese Information leicht, niederschwellig zugänglich zu machen und zwar möglichst in jedem Bezirk. Ich kann nicht erwarten, dass die Menschen von entlegeneren Gebieten anreisen, relativ weit … die haben auch die Kraft gar nicht. Auch mit dem Einsatz von „Community Nurses“, die die Pflege frühzeitig übernehmen, wäre ein wichtiger Schritt getan. Natürlich auch mit finanzieller Unterstützung. Ein großer Anteil der pflegenden Angehörigen sind die Partnerinnen der Pfleglinge und selbst oft längst in Pension. Das heißt, wir haben daher eine ganz, ganz andere Problemstellung. Die brauchen gar keine Anstellung. Selbst die Kinder und Schwiegerkinder oftmals, also wenn die Mitte der 60er Jahre sind und ihre 80/90-Jährigen Eltern, Schwiegereltern pflegen, sind die oftmals auch schon in Pension. Wiederum andere, die dann in diese Form der Anstellung gehen, gehen aus ihrem angestammten Beruf raus und sind ganz, ganz schwer wieder zurück in das zu bringen, was sie eigentlich machen wollten. Das andere – es wird oftmals wirklich als temporäre Aufgabe gesehen, die man natürlich macht und machen möchte, aber man möchte auch den Kontakt dorthin nicht verlieren, wo man seinen eigenen Beruf hat. Über das Pflegegeld, das den körperlichen und psychischen Bedürfnissen angepasst ist, lässt sich hier viel erreichen. Das ist tatsächlich so, dass das hier oft auch zu wenig ausgereizt wird oder auch zu wenig dem entgegengesetzt wird, wenn die Einstufung im Grunde genommen eine zu niedrige ist. Auch dazu gab es gestern einen Bericht dazu, dass mehr als die Hälfte der Fälle, also schon wieder so eine knappe Mehrheit, glaube ich, wie der Herr Kollege Kaufmann gerade gemeint hat, die wäre nicht relevant, ist es tatsächlich so, dass die erste Einstufung noch einmal revidiert wird, wenn man dagegen Beschwerde erhebt. Oder ganz konkret mit Zuschüssen, also Rollstühle … natürlich ist das eine Herausforderung … oder noch mehr der Umbau von Sanitärräumen. Das ist so eine große Hilfeleistung für die Angehörigen, für einen Haushalt, der nicht mehr vorgehabt hat, groß zu investieren. Aber das macht einen großen Unterschied aus. Ein weiterer Punkt sind z. B. Zuschüsse bei Erholungsurlauben. Es geht oftmals gar nicht darum, dass ich sage: „Ah, ich brauche Kurzzeitpflegeplätze“, weil Angehörige ihre pflegebedürftigen Angehörigen gar nicht unbedingt alleine lassen möchten, sondern weil sie sich wünschen, gemeinsam eine Erholung machen zu können, wo es ein gesondertes Programm gibt – das gibt es z. B. in Oberösterreich – die sich das aber dann nicht leisten können, weil das natürlich doch Mehrkosten verursacht. Also auch hier ein Ansatzpunkt, wo man mit Geld, aber gezielt, helfen kann. Viele pflegende Angehörige verlieren die Kraft und werden selber krank. Wenn dann jemand einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, eine andere Erkrankung bekommt, die auch aus der zunehmenden Belastung heraus kommt, die über die oftmals natürlich jahrelange Pflegetätigkeit dazukommt, da fragt dann keiner mehr, dass das eine Folgewirkung ist von dieser Überbelastung. Das heißt, wir müssen viel, viel mehr auf die pflegenden Angehörigen hier auch schauen, dass sie eine Unterstützung haben, um nicht selbst krank zu werden. Wir haben beim Thema „Pflege“ einen akuten und einen langfristigen Handlungsbedarf. Akut brauchen wir für die pflegenden Angehörigen Beratungsstellen und Hilfsangebote, finanzielle Unterstützung und Erholungsmöglichkeiten. Langfristig brauchen wir in der Gesellschaft den Fokus auf mehr gesunde Lebensjahre. Wenn ich im Antrag lese, wir werden immer älter und damit steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen … das ist so ein linearer Ansatz. Da lege ich einfach das Vorhandene, das Historische auf die Zukunft um. Es wäre, glaube ich, allen von uns so wichtig, wenn Sie sich vorstellen: Wo sind Sie in 10, in 20, in 30, in 40 Jahren? – dass man sich wünscht, selbstbestimmt, möglichst gesund, im Rahmen des Alters, dass es möglich ist zu leben. Das ist das, worauf wir eigentlich viel zu wenig schauen. Es ist immer die Reparatur, dann, wenn es nicht mehr anders geht, dass sich erst jemand verantwortlich fühlt. Das ist langfristig mein Wunsch, dass wir uns hier wirklich die Zeit nehmen, darauf zu schauen und auch das Geld in die Hand nehmen. Wir werden dem negativen Ausschussantrag hier zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass mit den vorhin erwähnten Maßnahmen den pflegenden Angehörigen mehr geholfen wäre. Ich möchte daher einen Resolutionsantrag vorlesen (liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung, insbesondere die Landesrätin für Bildung, Familien und Soziales, wird aufgefordert, im Sinne der Antragsbegründung flächendeckend Beratungsstellen für pflegende Angehörige in Niederösterreich auszubauen, sowie das niederösterreichische Modell zur 24-Stunden-Betreuung so auszugestalten, dass es den pflegenden Angehörigen ausreichend finanzielle Unterstützung zukommen lässt."
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)
Zweiter Präsident Mag. Karner: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Silvia Moser von den GRÜNEN.
Abg. Mag. Silvia Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Gleich vorweg: Wir stimmen dem Negativantrag ebenfalls zu. Die Anstellung pflegender Angehöriger ist nicht die Lösung der Pflegekrise. Es sind zu viele Fragen offen. Was Anstellung bedeutet, habe ich vorher schon im Rahmen der 24-Stunden-Betreuerinnen gesagt und da tun sich eben diese Fragen auf. Ich möchte es jetzt nur kurz anreißen: Urlaubsanspruch, Krankengeld, Karenz, Abwesenheit, Vertretung, Arbeitszeit, Arbeitszeitaufzeichnungen, Pflichten als Dienstnehmerin: Welche Anforderungen sind zu erfüllen? Wer gibt sie denn vor? Was passiert bei Pflegefehlern? Als Angestellte haften die Angehörigen auch für eine Tätigkeit für die sie nicht qualifiziert sind. Woher kommt das angesprochene Ersatzpersonal bei Abwesenheit? Die 150 Stunden Grundausbildung, wie Sie vorschlagen, ist natürlich auch für eine pflegerische Grundausstattung etwas wenig. Heimhilfe hat 400 Stunden, macht aber keine Pflege. Die Frage ist auch: Wann soll das gemacht werden? Weil meistens passiert so ein Einstieg in die Pflegesituation plötzlich, unvorhergesehen. Da ist dann keine Zeit mehr für eine Ausbildung. Was mir auch wichtig ist: Ich fürchte, dass damit auch Frauen aus dem Arbeitsmarkt abgezogen werden würden. Wir kennen alle die Problematik des Wiedereinstiegs. Das bedeutet dann für die Frauen nochmals eine zusätzliche Benachteiligung. Ihr schreibt in eurem Antrag auch, durch die Anstellung erhalten diese Personen erstmals eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Das ist nicht richtig. Also es können sich schon lang pflegende Angehörige kostenlos pensions- und krankenversichern. (Abg. Mag. Scheele: Arbeitslosengeld?) Die Kosten zahlt der Bund. Das Argument, dass mit dieser Maßnahme zusätzlich Personal für die Pflegeberufe lukriert werden wird, das muss ich auch zurückweisen. Sehr, sehr viele Pflegepersonen sind – wie vorher schon erwähnt – selber schon in Pension. Für den Großteil der pflegenden Angehörigen, was ist da wichtig? Das sind Entlastungsmaßnahmen, Beratung und Entlastung wie durch einen pflegefreien Tag, durch Kurzzeitunterbringung, Übergangspflege und Tagespflege- und Betreuung und dahin – das ist meine Überzeugung – müssen wir unseren Fokus legen. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Zweiter Präsident Mag. Karner: Zu Wort gemeldet ist der Herr Abgeordnete Erich Königsberger von der FPÖ.
Abg. Königsberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Im Gegensatz zu meinen beiden Vorrednerinnen geht für uns dieser Antrag in die richtige Richtung. Nämlich auch aus dem Grund, weil es auch schon eine langjährige Forderung von uns ist. Es ist auch von uns eine langjährige Forderung diese Menschen arbeitsrechtlich und sozialrechtlich abzusichern. Ich kann da den Argumenten der GRÜNEN nicht folgen, dass da Beratungen helfen oder irgendwelche Stellen, die man wieder mit viel Aufwand einrichtet. Nein, diese Arbeit muss anerkannt werden und auf alle Fälle müssen Menschen abgesichert werden, welche durch die Pflege ihrer Angehörigen ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. Wie gesagt, er geht für uns in die richtige Richtung. Wir würden aber dieses Pilotprojekt etwas anders gestalten. Das heißt, der Kollege Pfister hat auch schon im Ausschuss zugestanden, dass da noch an vielen Punkten gefeilt werden kann und auch miteinander gesprochen werden kann. Ich hätte mir auch von der ÖVP erwartet, dass sie darüber spricht, dass sie wenigstens einen Unterausschuss macht und nicht, dass ihr wieder schiebt, nämlich auf den Bund schiebt und im Land verschiebt. Einfach warten auf die Pflegereform, die leider nicht kommen wird. Verschieben anstatt miteinander über so etwas einmal sprechen, zumindest in einem Ausschuss oder einem Unterausschuss. In aller Kürze: Was würden wir uns vorstellen bei dem Pilotprojekt, ob das jetzt 500 sind oder 700 oder 300 – über das kann man reden? Für uns wäre es wichtig, einmal das Pilotprojekt auf unsere Landsleute zu beschränken und mit jenen im Pilotprojekt zu beginnen, die am schwersten Betroffen sind. Das heißt: pflegende Angehörige der Stufe 7, der Stufe 6. Nicht gleich mit denen auf der Stufe 3, wo der Aufwand natürlich auch vorhanden ist, aber nicht in der Dimension wie in der Stufe 7 und 6. Natürlich muss man auch reden über diese 150 Stunden Kurs. (Abg. Mag. Scheele: Ist ja klar, dass man darüber reden muss.) Wer richtet den aus? Wie, nach welchen Kriterien? Wer bezahlt das? Wer übernimmt die Kosten? Wer nimmt die Prüfungen ab und in welcher Form? Genauso über die Anrechnung, wenn man zu Hause schon gepflegt hat, muss man sprechen. In welcher Form wird wie viel angerechnet. Aber wie gesagt: Über das alles kann man ja miteinander reden. Es kann auch die Möglichkeit eintreten, die ist gar nicht vorgesehen, über die sollten wir auch sprechen, dass eine Person pflegt, die schon eine Pflegeausbildung hat. Also da brauchen wir dann auch die 150 Stunden nicht und auch die Anrechnung nicht. In weiterer Folge muss man auch darüber reden: Wie wird die Arbeitszeit natürlich kontrolliert? Wie gestaltet man z. B. bei einer 40-Stunden-Anstellung den Rest des Lebens der pflegenden Person? Kann sie noch einer Arbeit nachgehen? Darf sie noch einer Arbeit nachgehen? Gehen sich zwei Arbeiten mit 40 Stunden aus? Darf einer, der 20 Stunden pflegt noch geringfügig beschäftigt sein? Über das muss man eben alles reden. Auch wenn diese Menschen dann in natürlich den verdienten Urlaub gehen oder auch erkranken. Wer stellt den Ersatz? Untereinander wird es sich nicht ausgehen. Das heißt, man braucht dann einen Pool. Wie gestaltet man den? Wer stellt den auf, der dort diesen Ersatz in der Urlaubszeit, in der Krankenstandszeit eben auch stellt? Auch darüber muss man sprechen, sonst kommt man da, glaube ich … wenn, dann sollte man wirklich Nägel mit Köpfen machen. Aber wie gesagt: Es geht für uns in die richtige Richtung. Wir hätten gerne darüber gesprochen. Wir sehen das als einen guten Antrag. Wir sehen darin auch einen Antrag für die Zukunft, dass man eben auch sogar das Land entlastet damit. Erstens einmal wollen die Menschen so lange wie möglich zu Hause in den eigenen vier Wänden gepflegt werden. Das wissen wir alle da herinnen. Zweitens ist der Vorschlag, einen Teil über das Pflegegeld zu finanzieren, einen Teil über Pension, wie auch immer, glaube ich, ein sehr guter, erspart dem Land Geld. Ich sage nur, ein Pflegeplatz in einem Pflegeheim kostet um die 4.000 Euro im Monat. Also das würde dem Land sogar günstiger kommen, diese Variante zu präferieren und als Pilotprojekt auch zu gestalten. In dem Sinne werden wir dem Antrag zustimmen. Wir hätten gerne darüber geredet, aber wir hätten ihn auch gerne ein bisschen abgeändert. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Zweiter Präsident Mag. Karner: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Karin Scheele von der SPÖ.
Abg. Mag. Scheele (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Unser Vorschlag ist ein Vorschlag zu einem Pilotprojekt für die Anstellung von pflegenden Angehörigen. Für uns wäre es klar, wenn man sich in Niederösterreich mehrheitlich für diese „Win-win-Situation“ entschließen würde, dass man natürlich Details nachverhandelt. Die 150 Stunden Ausbildung kann man sich konkret natürlich leichter vorstellen als andere Dinge. Es gibt jetzt schon die Pflegeorganisationen, die bisher schon ausbilden. Aber wir haben hier auch schon einen Klimabudgetantrag der NEOS mitgestimmt, wo viele Details offen sind und trotzdem sind sie wichtig. Also diese Argumente verstehe ich, wie gesagt, von manchen Seiten nicht, wenn wir wissen, ist heute schon zitiert worden, die Zahlen aus dem Altersalmanach: Wir brauchen eine verbreiterte Palette an Angeboten. Da geht es natürlich um diesen Wunsch, der mehrfach genannt wurde. Ich glaube die Frau Kollegin Kollermann hat das auch gesagt: Es geht allen voran um die Bedürfnisse der Betroffenen und wenn es um Bedürfnisse der Betroffenen geht, dann wissen wir aus zahlreichen Studien, die nicht vom SPÖ-Klub kommen, dass sich die Betroffenen wünschen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden, im eigenen Zuhause gepflegt zu werden. Das heißt, das wissen wir. Ich gestehe wirklich: Ich stelle mich nicht her und sage: „Das ist die Lösung für alle Probleme in der Pflege.“ Ich habe heute schon einen verpflichtenden guten Pflegeschlüssel, Betreuungsschlüssel gefordert. Ich glaube, das ist natürlich auch genauso wichtig, zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen, Information für die Angehörigen und die Betroffenen, all das ist wichtig. Nichtsdestotrotz ist es ein konkretes Beispiel, wie es im Burgenland schon umgesetzt wird. Wenn du, Frau Kollegin Kollermann, sagst, die Gefahr, dass pflegende Angehörige auch ausgebrannt werden, weil – wie wir das jetzt wissen – sie manchmal selbst am 70er zugehen, zum 80. Lebensjahr zugehen, dann denke ich mir, weiß ich, dass du genug Kreativität hast, dir vorzustellen, dass es mit diesem Modell auch anders geht. Es mag sein, dass wir Bekannte haben, die eine Rechtsanwaltskanzlei haben, die Steuerberater oder Steuerberaterin sind – für die hilft das nicht. Aber wir kennen auch Leute, die beim Fussl arbeiten und ich weiß nicht wo, für die das die Antwort darauf ist, hier Pflege und berufliche Geschichten zu verbinden. (Beifall bei der SPÖ.) Deswegen möchte ich auch noch, weil so getan wird, wie die pflegenden Angehörigen brauchen etwas ganz anderes, ich bewundere immer euren Zugang, dass ihr immer wisst, was alle pflegenden Angehörigen brauchen. Das Sozialministerium hat 2018 eine Studie gemacht, wo auf der Seite 48 dann auch steht (liest:)„Einige Gruppen haben zu überdurchschnittlichen Anteilen ihre Berufstätigkeit wegen der Pflege bzw. Betreuung aufgegeben bzw. eingeschränkt. Dies sind pflegende Töchter oder Schwiegertöchter bzw. Söhne/Schwiegersöhne. 17 % haben ihre Berufstätigkeit eingeschränkt. 10 % eine solche aufgegeben. Elternteile, sowie Personen mit höherem Bildungsabschluss haben es bis zu 39 % aufgegeben und 30 % eingeschränkt.“ Das heißt: Diese Studie aus dem Jahr 2018, jetzt kann man sagen, da sind schon einige Jahre ins Land gegangen … ich sage: „Die Hauptproblematik pflegender Angehöriger und der Bedürfnisse der zu Pflegenden sind gleich geblieben“ … ist sehr wohl, dass man sich fragen muss: Wie schaffe ich die Pflege und wie schaffe ich meine Berufstätigkeit, damit ich auch ein Einkommen zum Auskommen haben? Ehrlich gesagt, ich verstehe nur die Argumente – und das ist selten der Fall, liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, von der FPÖ am besten, dass man sagt: Ok, ihr legt hier etwas vor. Wir würden gerne Details noch anders haben. Ich denke mir, wenn wir uns dazu entschließen, kann man das natürlich auch diskutieren. Sich herzustellen, ständig ein neues Pflegekonzept zu fordern und einen wichtigen Bestandteil ausblenden zu wollen, nämlich die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von pflegenden Angehörigen – das verstehe ich nicht, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Ich glaube, egal wie heute abgestimmt wird: Dieses Thema wird auch in Niederösterreich kommen, vielleicht dann auch noch ein § 34-Antrag. Ich ersuche trotzdem heute schon um Zustimmung und um weitere Diskussion. Das sind wir den pflegenden Angehörigen in Niederösterreich schuldig. Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)
Zweiter Präsident Mag. Karner: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Michaela Hinterholzer von der ÖVP.
Abg. Hinterholzer(ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig: Es gibt in Österreich, wie es im Antrag steht, zurzeit ca. 947.000 Menschen mit einem erhöhten Pflegebedarf. 146.000 davon werden im Bereich der stationären Langzeitpflege, also in Pflegeheimen, betreut. Ca. 810.000 Personen werden zu Hause betreut, 75 % davon von nahestehenden Personen und Angehörigen. Das heißt, und ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Die Personengruppe der pflegenden Angehörigen ist mit großem Abstand die größte Pflegeorganisation im Land. Ohne die pflegenden Angehörigen wäre die Pflege nicht zu bewältigen und pflegende Angehörige – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen – leisten tagein, tagaus großartige Arbeit. Viele Tage Wochen und oft Jahre, oft bis an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten und Gesundheit. Viele opfern sich für ihre Angehörigen wirklich im wahrsten Sinne des Wortes auf. Ich glaube, niemand hat in seiner Lebensplanung vorgesehen, einmal ein pflegender Angehöriger zu werden. Das passiert ganz einfach. Ein Unfall, ein Schlaganfall, eine plötzlich auftretende oder auch schleichend kommende Krankheit wie Demenz oder auch eine Behinderung. Pflegende Angehörige ermöglichen das, was sich die Menschen eigentlich wünschen, oft trotz Einschränkungen im eigenen Umfeld, in der eigenen Umgebung weiterleben zu können und so viel Alltag wie möglich zu haben. Im Idealfall wird zusätzlich Hilfe durch einen mobilen Dienst oder eine 24-Stunden-Betreuung hinzugezogen. Aber die Statistik zeigt uns, dass 78 % aller Pflegebedürftigen keine professionellen Dienste in Anspruch nehmen und daher nur auf die Hilfe von ihren Angehörigen angewiesen sind. Es hat schon erste Ansätze in der Pflegereform gegeben, auch erste Papiere vor der Pandemie. Da steht das Thema „Unterstützung der pflegenden Angehörigen“ ganz oben und hat einen ganz hohen Stellenwert. Da gibt es schon verschiedenste Ideen wie einen Pflegebonus, egal ob es jetzt in Geldleistung oder Sachleistung ist. Ich möchte auch schon sagen: Wir werden in Zukunft alles tun müssen, dass wir die Familienangehörigen und die pflegenden Angehörigen auch weiter haben, damit man möglichst viele in den eigenen Wohnungen betreuen kann. Nur dann werden wir aufgrund der Überalterung überhaupt die Situation bewältigen können. Wenn man mit den pflegenden Angehörigen spricht, dann steht natürlich die Information immer ganz vorne, keine Frage. Oft wird das Thema ja sehr zurückgedrängt. Es ist lange kein Thema, das will man nicht so wirklich hören, dass es einen auch treffen kann. Ich glaube, da gibt es schon einiges. Vielleicht muss man das Ganze noch mehr publik machen. Ich denke an das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern, die Pflegehotline, aber auch bei den mobilen Diensten kann man sich jederzeit auch entsprechend Information holen. Was aber an oberster Stelle steht, wenn man mit den Angehörigen spricht, dann ist es der Wunsch auf Entlastung, auf mehr Freizeit, auf mehr persönlichen Freiraum. Mehr Zeit, um den eigenen Hobbys nachgehen zu können und ganz einfach auch den eigenen Bedürfnissen nachgehen zu können. Die sozialversicherungsrechtliche Absicherung ist nur in einem untergeordneten Ausmaß ein Thema, aber jedenfalls zweitrangig. Es ist jetzt schon bereits möglich, dass man sich freiwillig in der Pensions- und Krankenversicherung ab einer Pflegestufe 3 versichern kann und dass die Kosten dafür vom Staat übernommen werden. Dazu kommt: Nur ein Drittel der pflegenden Angehörigen sind in einem erwerbsfähigen Alter zwischen 31 und 65 Jahren. Alle anderen beziehen bereits eine Pension. Es ist eigentlich eine Kopie, dieser Antrag vom burgenländischen Modell, wo ab der Pflegestufe 3 eine Anstellung angedacht ist. Der überwiegende Anteil der Pflegefälle bezieht aber Stufe 1 und Stufe 2. Viele Pflegebedürftige sind an Demenz erkrankt, die oft zu Hause betreut werden. Die haben aber wieder oft eine sehr niedrige Einstufung und wären vom Modell auch ausgeschlossen. Wenn man sich das burgenländische Modell anschaut, ist es gar nicht so erfolgreich wie immer berichtet wird. 600 Plätze wären vorgesehen gewesen. Nicht einmal 200 sind jetzt besetzt. Wenn man sich das Modell genau anschaut: Eigentlich wird die Belohnung selbst bezahlt. Bei Pflegestufe 3 sollten 90 % vom Pflegegeld und die Pension über den Richtsatz für die Bezahlung herangezogen werden. Da sind noch so viele Fragen offen, wie heute schon mehrmals angesprochen wurde. Zunächst einmal arbeitsrechtliche Fragen. Eine Anstellung bei der LGA oder bei einem Tochterunternehmen ist vorgesehen. Wie schaut es aus mit der Wochenarbeitszeit? Wie schaut es aus mit Urlaubs- und Krankenstandsregelungen? Wie schaut es aus mit Überstundenentschädigung? Wie schaut es mit Aufzeichnungspflichten aus? Arbeitssicherheit? Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat in den eigenen Wohnungen – das kann ich mir schlecht vorstellen. Wer pflegt, wenn der Angestellte Freizeit hat? Wer schickt einen Ersatz bei Urlaub und bei Krankenstand? Wenn ich gerade aus dem SPÖ-Bereich immer höre, 35-Stunden-Woche, sechste Urlaubswoche, dann frage ich mich, warum es hier plötzlich in arbeitsrechtlichen Fragen ein „Downgrading“ geben soll? Aber nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch in Haftungsfragen ist da vieles noch zu klären. Es ist so: Eine 150-stündige Grundausbildung, die man dann anrechnen kann, ist aber keinesfalls – und das wurde auch schon gesagt – für eine Pflegearbeit ausreichend. Man könnte keine Medikamente ausgeben, Spritzen oder Infusionen verabreichen. Das heißt: Für diese Tätigkeiten müsste dann der Angehörige außer Dienst gestellt werden, denn als Familienangehöriger kann er diese Tätigkeiten dann wieder ausbilden. Wir haben jetzt schon viele pflegende Angehörige, die dann später, wenn dieser Pflegefall irgendwann leider oft nicht mehr lebt, in einen Pflegeberuf wechseln. Da gibt es viele Möglichkeiten des Einstiegs. Ich glaube, ich kann nur aus den mobilen Diensten sagen: Da sind alle herzlich willkommen, denn wir brauchen viel Personal. Ich glaube, das vorgeschlagene Pilotprojekt ist im Detail viel zu wenig durchdacht und wirft neben der Finanzierbarkeit viele offene Fragen auf. Wir werden, glaube ich, in der Pflegereform sehr intensiv das Thema diskutieren und hoffen, dass erste Teile davon schon sehr bald umgesetzt werden. Jedenfalls – und das steht ganz oben – wird den pflegenden Angehörigen ein ganz besonderes Augenmerk zu schenken sein, sie zu entlasten, sie zu unterstützen, sodass wir den Pflegebedarf in der Zukunft überhaupt decken können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
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