Zusammenfassung
Antrag des Gesundheits-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1673/A-2/57-2021 – Pilotprojekt zur Anstellung pflegender Angehöriger
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Hinterholzer(ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig: Es gibt in Österreich, wie es im Antrag steht, zurzeit ca. 947.000 Menschen mit einem erhöhten Pflegebedarf. 146.000 davon werden im Bereich der stationären Langzeitpflege, also in Pflegeheimen, betreut. Ca. 810.000 Personen werden zu Hause betreut, 75 % davon von nahestehenden Personen und Angehörigen. Das heißt, und ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Die Personengruppe der pflegenden Angehörigen ist mit großem Abstand die größte Pflegeorganisation im Land. Ohne die pflegenden Angehörigen wäre die Pflege nicht zu bewältigen und pflegende Angehörige – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen – leisten tagein, tagaus großartige Arbeit. Viele Tage Wochen und oft Jahre, oft bis an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten und Gesundheit. Viele opfern sich für ihre Angehörigen wirklich im wahrsten Sinne des Wortes auf. Ich glaube, niemand hat in seiner Lebensplanung vorgesehen, einmal ein pflegender Angehöriger zu werden. Das passiert ganz einfach. Ein Unfall, ein Schlaganfall, eine plötzlich auftretende oder auch schleichend kommende Krankheit wie Demenz oder auch eine Behinderung. Pflegende Angehörige ermöglichen das, was sich die Menschen eigentlich wünschen, oft trotz Einschränkungen im eigenen Umfeld, in der eigenen Umgebung weiterleben zu können und so viel Alltag wie möglich zu haben. Im Idealfall wird zusätzlich Hilfe durch einen mobilen Dienst oder eine 24-Stunden-Betreuung hinzugezogen. Aber die Statistik zeigt uns, dass 78 % aller Pflegebedürftigen keine professionellen Dienste in Anspruch nehmen und daher nur auf die Hilfe von ihren Angehörigen angewiesen sind. Es hat schon erste Ansätze in der Pflegereform gegeben, auch erste Papiere vor der Pandemie. Da steht das Thema „Unterstützung der pflegenden Angehörigen“ ganz oben und hat einen ganz hohen Stellenwert. Da gibt es schon verschiedenste Ideen wie einen Pflegebonus, egal ob es jetzt in Geldleistung oder Sachleistung ist. Ich möchte auch schon sagen: Wir werden in Zukunft alles tun müssen, dass wir die Familienangehörigen und die pflegenden Angehörigen auch weiter haben, damit man möglichst viele in den eigenen Wohnungen betreuen kann. Nur dann werden wir aufgrund der Überalterung überhaupt die Situation bewältigen können. Wenn man mit den pflegenden Angehörigen spricht, dann steht natürlich die Information immer ganz vorne, keine Frage. Oft wird das Thema ja sehr zurückgedrängt. Es ist lange kein Thema, das will man nicht so wirklich hören, dass es einen auch treffen kann. Ich glaube, da gibt es schon einiges. Vielleicht muss man das Ganze noch mehr publik machen. Ich denke an das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern, die Pflegehotline, aber auch bei den mobilen Diensten kann man sich jederzeit auch entsprechend Information holen. Was aber an oberster Stelle steht, wenn man mit den Angehörigen spricht, dann ist es der Wunsch auf Entlastung, auf mehr Freizeit, auf mehr persönlichen Freiraum. Mehr Zeit, um den eigenen Hobbys nachgehen zu können und ganz einfach auch den eigenen Bedürfnissen nachgehen zu können. Die sozialversicherungsrechtliche Absicherung ist nur in einem untergeordneten Ausmaß ein Thema, aber jedenfalls zweitrangig. Es ist jetzt schon bereits möglich, dass man sich freiwillig in der Pensions- und Krankenversicherung ab einer Pflegestufe 3 versichern kann und dass die Kosten dafür vom Staat übernommen werden. Dazu kommt: Nur ein Drittel der pflegenden Angehörigen sind in einem erwerbsfähigen Alter zwischen 31 und 65 Jahren. Alle anderen beziehen bereits eine Pension. Es ist eigentlich eine Kopie, dieser Antrag vom burgenländischen Modell, wo ab der Pflegestufe 3 eine Anstellung angedacht ist. Der überwiegende Anteil der Pflegefälle bezieht aber Stufe 1 und Stufe 2. Viele Pflegebedürftige sind an Demenz erkrankt, die oft zu Hause betreut werden. Die haben aber wieder oft eine sehr niedrige Einstufung und wären vom Modell auch ausgeschlossen. Wenn man sich das burgenländische Modell anschaut, ist es gar nicht so erfolgreich wie immer berichtet wird. 600 Plätze wären vorgesehen gewesen. Nicht einmal 200 sind jetzt besetzt. Wenn man sich das Modell genau anschaut: Eigentlich wird die Belohnung selbst bezahlt. Bei Pflegestufe 3 sollten 90 % vom Pflegegeld und die Pension über den Richtsatz für die Bezahlung herangezogen werden. Da sind noch so viele Fragen offen, wie heute schon mehrmals angesprochen wurde. Zunächst einmal arbeitsrechtliche Fragen. Eine Anstellung bei der LGA oder bei einem Tochterunternehmen ist vorgesehen. Wie schaut es aus mit der Wochenarbeitszeit? Wie schaut es aus mit Urlaubs- und Krankenstandsregelungen? Wie schaut es aus mit Überstundenentschädigung? Wie schaut es mit Aufzeichnungspflichten aus? Arbeitssicherheit? Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat in den eigenen Wohnungen – das kann ich mir schlecht vorstellen. Wer pflegt, wenn der Angestellte Freizeit hat? Wer schickt einen Ersatz bei Urlaub und bei Krankenstand? Wenn ich gerade aus dem SPÖ-Bereich immer höre, 35-Stunden-Woche, sechste Urlaubswoche, dann frage ich mich, warum es hier plötzlich in arbeitsrechtlichen Fragen ein „Downgrading“ geben soll? Aber nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch in Haftungsfragen ist da vieles noch zu klären. Es ist so: Eine 150-stündige Grundausbildung, die man dann anrechnen kann, ist aber keinesfalls – und das wurde auch schon gesagt – für eine Pflegearbeit ausreichend. Man könnte keine Medikamente ausgeben, Spritzen oder Infusionen verabreichen. Das heißt: Für diese Tätigkeiten müsste dann der Angehörige außer Dienst gestellt werden, denn als Familienangehöriger kann er diese Tätigkeiten dann wieder ausbilden. Wir haben jetzt schon viele pflegende Angehörige, die dann später, wenn dieser Pflegefall irgendwann leider oft nicht mehr lebt, in einen Pflegeberuf wechseln. Da gibt es viele Möglichkeiten des Einstiegs. Ich glaube, ich kann nur aus den mobilen Diensten sagen: Da sind alle herzlich willkommen, denn wir brauchen viel Personal. Ich glaube, das vorgeschlagene Pilotprojekt ist im Detail viel zu wenig durchdacht und wirft neben der Finanzierbarkeit viele offene Fragen auf. Wir werden, glaube ich, in der Pflegereform sehr intensiv das Thema diskutieren und hoffen, dass erste Teile davon schon sehr bald umgesetzt werden. Jedenfalls – und das steht ganz oben – wird den pflegenden Angehörigen ein ganz besonderes Augenmerk zu schenken sein, sie zu entlasten, sie zu unterstützen, sodass wir den Pflegebedarf in der Zukunft überhaupt decken können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
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