Zusammenfassung
Antrag des Gesundheits-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-625-1/XX-2025 – Entwicklung sektorenübergreifender Behandlungspfade und Etablierung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen für Betroffene von Multisystemerkrankungen
Berichterstatter
Redner
- Edith Kollermann (NEOS) Tagesordnungspunkt 4 Video und Sitzungsbericht
- Silvia Moser (GRÜNE) Tagesordnungspunkt 4 Video und Sitzungsbericht
- Karin Scheele (SPÖ) Tagesordnungspunkt 4 Video und Sitzungsbericht
- Richard Punz (FPÖ) Tagesordnungspunkt 4 Video und Sitzungsbericht
- Silke Dammerer (ÖVP) Tagesordnungspunkt 4 Video und Sitzungsbericht
Abstimmung
Antrag einstimmig angenommen
Video-Übertragung der Sitzung
Den textlichen Auszug des Sitzungsberichts finden Sie nach dem Video.
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Zweiter Präsident Waldhäusl: Wir kommen zum Verhandlungsgegenstand Ltg.-625-1, ein Antrag gemäß § 34 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Dammerer, Punz, Scheele, Moser und Hofer-Gruber betreffend Entwicklung sektorenübergreifender Behandlungspfade und Etablierung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen für Betroffene von Multisystemerkrankungen. Ich ersuche Herrn Abgeordneten Ecker, die Verhandlungen einzuleiten.
Berichterstatter Abg. Mag. Ecker, MA (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Hohes Haus! Ich berichte zum Antrag der Abgeordneten Dammerer, Punz u. a. betreffend Entwicklung sektorenübergreifender Behandlungspfade und Etablierung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen für Betroffene von Multisystemerkrankungen. Ich komme zum Antrag des Gesundheits-Ausschusses über den Antrag gemäß § 43 LGO 2001 der Abgeordneten Dammerer, Punz, Mag. Scheele, Mag. Moser, Mag. Hofer-Gruber betreffend Entwicklung sektorenübergreifender Behandlungspfade und Etablierung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen für Betroffene von Multisystemerkrankungen (liest:)
"Der Hohe Landtag wolle beschließen:
1. Die NÖ Landesregierung wird ersucht, an die Bundesregierung heranzutreten und diese aufzufordern, sich entsprechend der Entschließung des Nationalrates vom 27. April 2023 für eine bessere diagnostische und bedarfsorientierte therapeutische Versorgung für Betroffene mit Multisystemerkrankungen in Österreich einzusetzen.
2. Weiters wird die NÖ Landesregierung ersucht,
a) die Landessanitätsdirektorin damit zu beauftragen, in Zusammenarbeit mit Experten der NÖ Landesgesundheitsagentur und des neu geschaffenen nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome, den Bedarf an unterschiedlichen Versorgungsstrukturen für Betroffene von Multisystemerkrankungen wie ME/CFS oder Post-Vac-Syndrom in Niederösterreich zu analysieren und davon abgeleitet
b) ein Konzept für sektorenübergreifende Behandlungspfade und bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zu entwickeln.
3. Durch diesen Antrag gemäß § 34 LGO wird der Antrag der Ltg.-625 miterledigt."
Ich bitte um Einleitung der Debatte und Abstimmung.
Zweiter Präsident Waldhäusl: Bevor ich die Debatte eröffne, darf ich recht herzlich auf der linken Seite der Tribüne die Senioren aus Ravelsbach unter der Leitung von Josefine Hahn begrüßen. Herzlich willkommen hier in St. Pölten. (Beifall im Hohen Hause.) Ich eröffne die Debatte und erteile Abgeordnete Edith Kollermann von den NEOS das Wort.
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im vorigen Tagesordnungspunkt wurden Probleme im Zusammenhang mit illegaler Zuwanderung, mit fehlender Integration, mit Parallelgesellschaften und so weiter diskutiert und wir haben dazu sehr viel gehört in allen Schattierungen, in allen Lautstärken und mit den unterschiedlichen Menschenbildern. Jetzt diskutieren wir über geeignete Mittel, um Menschen zu helfen, die sich schwertun, jeden Tag aus dem Bett zu kommen, die mit Licht- und Schallreizen überfordert sind, die einfach nicht aufwachen aus diesem Alptraum, der sie in einen Nebel der Erschöpfung, des nicht mehr Funktionierens bringt, die sich einen Tag wünschen, wo sie keine Schmerzen haben, wo sie sich auf etwas konzentrieren können oder vielleicht auch einmal einen unbeschwerten Tag mit ihrer Familie verbringen können. Auch diese Parallelwelt gibt es und es lässt einen doch mit einem Kloß im Hals zurück, auch wenn man eben das Glück hat, davon nicht betroffen zu sein oder nicht unmittelbar damit konfrontiert zu sein. Chronische Multisystemerkrankungen wie myalgische Encephalomyelitis, chronisches Fatigue-Syndrom führen die Betroffenen in so eine Nebelwelt. Auf der Wiener Medizinuniversität findet sich folgende Definition (liest:) "ME/CFS ist eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Typischerweise leiden Betroffene unter einer extrem beeinträchtigten Leistungsfähigkeit, die von schwerer körperlicher wie geistiger Fatigue begleitet wird und mindestens sechs Monate andauert. Die Krankheit führt je nach Schweregrad zu einer weitreichenden Behinderung bis hin zur Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit." Und obwohl diese Diagnose mittlerweile schon sehr lange bekannt ist, sind die Ursachen noch nicht ausreichend erforscht. ME/CFS ist international als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, der Beginn der Krankheit aber oft nicht identifizierbar. Die Unfähigkeit, den Kreislauf über längere Zeit stabil zu halten, eine Verschlechterung bei körperlicher oder mentaler Anstrengung, Blutdruckabfall, Brain Fog, erhöhte Infektanfälligkeit... die Symptome sind vielfältig. 60 Prozent der Betroffenen sind arbeitsunfähig. Eine Spezialambulanz alleine kann die unterschiedlichen Fälle nicht abdecken. Das in unserem gemeinsamen Antrag angedachte dezentrale interdisziplinäre Modell unter Einbindung von Hausärztinnen und Hausärzten sowie entsprechende Reha-Angebote versprechen mehr an substanzieller Unterstützung. Insbesondere der Auftrag an die Landesregierung, die Landessanitätsdirektion NÖ zu beauftragen, ein Konzept für sektorenübergreifende Behandlungspfade und bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zu entwickeln, halte ich für den wesentlichen Bestandteil dieses Antrags. Zentral wäre auch die Einbindung der Hausärzte und die Schaffung von spezifischen Weiterbildungen. Und das sollte man auch beim weiteren Ausbau der Primärversorgungszentren in Niederösterreich mitdenken, denn jedes PVZ sollte so ein Weiterbildungsangebot nutzen, da sie die Träger der wohnortnahen Gesundheitsversorgung sein werden und die das damit auch wirklich als erste Anlaufstelle erkennen können und die richtigen Schritte setzen können. Erfreulicherweise ist ja auch der weitere Ausbau von Expertisezentren für seltene Erkrankungen, zu dem dieses Krankheitsbild gehört, im Regierungsprogramm, das heute vorgestellt wurde, enthalten. Das heißt, es gibt auf alle Fälle hier auch entsprechend Rückenwind. Und wir werden dieses Konzept, das die Landessanitätsdirektion dann ausarbeiten wird, sehr aufmerksam lesen und stimmen dem Antrag im Sinne der Betroffenen sehr gerne zu. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und Abg. Dammerer.)
Zweiter Präsident Waldhäusl: Zum Wort gelangt Abgeordnete Silvia Moser von den GRÜNEN.
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Frau Landesrätin! Hohes Haus! Ich halte es für sehr positiv, dass auf unseren Antrag hin heute dieser gemeinsame Antrag beschlossen wird. Es zeigt, wie wichtig es ist, dass wir Anträge einbringen, was eigentlich die Regierung machen sollte. Es muss bei diesem Thema einfach was weitergehen bei der Diagnostik, Behandlung und Versorgung dieser Patientinnengruppe. Ich erwarte ehrlich gesagt auch, dass unsere Forderung nach einer Spezialambulanz für ME/CFS-Patientinnen umgesetzt wird. Einerseits, weil die Notwendigkeit unbestritten ist und ein Konzept für sektorenübergreifende Behandlungspfade und bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen, das wir jetzt beschließen, daran meiner Meinung nach nicht vorbeikommen wird. Und andererseits erhält der im November 2024 vom Gesundheitsministerium präsentierte Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen mit seinen 50 Empfehlungen explizit die Errichtung von dezentralen, spezialisierten Behandlungseinrichtungen – und zwar in ganz Österreich. Und da wird sich Niederösterreich als größtes Bundesland nicht davor drücken können. Die dafür vorgesehenen Mittel sind bereits im Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen vorgesehen. Und nun liegt es an den Bundesländern, ihre Zusagen einzulösen und die Versorgung konsequent auszubauen. Die myalgische Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom, abgekürzt im ME/CFS, ist eine schwerwiegende chronische Multifunktionserkrankung. Sie tritt meist nach einer Viruserkrankung auf, auch zum Beispiel nach COVID, bleibt leider Gottes lange Zeit unerkannt und durchschnittlich dauert es bis zur Diagnose 18 Monate. Das muss man sich einmal vorstellen: Das sind eineinhalb Jahre bis die Patientin, der Patient endlich weiß, was da los ist mit ihm oder mit ihr. Das Dramatische ist, dass die klassischen Behandlungs- und Rehabilitationsangebote nicht greifen und dadurch der Leidensdruck der Betroffenen noch wesentlich größer wird. Bereits geringe körperliche oder geistige Anstrengungen führen bei den Betroffenen zu einem rapiden Abfall des Leistungs- und Aktivitätsniveaus und zu einer massiven Verschlechterung der Symptomatik. Daher geht es gerade bei diesem Problem um zeitnahe Diagnostik und um ein ganz, ganz effizientes Hilfs- und Behandlungsangebot. Neben diesen schon angesprochenen spezialisierten Zentren braucht es interdisziplinäre Zusammenarbeit, geeignete Therapiekonzepte, aber auch die soziale Absicherung der Betroffenen und für uns alle, für unsere Gesellschaft entsprechende Bewusstseinsbildung. Zur Frage der Weiterbildung: Es gibt ja das nationale Referenzzentrum. Das nahm vor kurzem seine Arbeit auf. Dieses Zentrum sammelt wissenschaftliche Erkenntnisse zu postviralen Syndromen, bereitet diese auf und macht dann eben diese Schulungen für das medizinische Personal und andere Gesundheitsberufe und betreibt auch ausreichend Forschung in diesem Bereich. Es sind also sämtliche Voraussetzungen gegeben. Ich erwarte mir, dass dieser Antrag die Möglichkeiten der angemessenen Versorgung der Betroffenen in Niederösterreich deutlich beschleunigt. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Zweiter Präsident Waldhäusl: Zum Wort gelangt Abgeordnete Karin Scheele, SPÖ.
Abg. Mag. Scheele (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich denke mir, dass bei der Wichtigkeit ME/CFS zum Thema zu machen, wir uns alle einig sind, deswegen wird dieser Antrag auch von allen Fraktionen unterstützt. Ich glaube, dass das ein wichtiges Zeichen ist. Meine Fraktion hat den ursprünglichen Antrag der GRÜNEN sehr gerne unterstützt, aber ich stehe auch nicht an zu sagen, es ist das erste Mal in meinen vielen Jahren im Landtag, wo ich den § 34-Antrag inhaltlich besser finde als den Originalantrag. (Abg. Schmidl: Bravo! – Beifall bei der ÖVP und der FPÖ.) Und das meine ich nicht gegen euch, sondern normalerweise wird... (Abg. Ing. Mag. Teufel: Die FPÖ hilft.) ...der Kollege Teufel meint, er hat es gemacht, glaube ich nicht. Wahr ist, trotz der FPÖ... (Abg. Ing. Mag. Teufel: Nicht trotz!) ...ist der Antrag gut und bringt uns in der Frage weiter, weil es auch breiter angelegt ist. Also sehr oft kommen wir in der Gesundheitsdiskussion mit Schilderungen zu dieser Krankheit nicht in Verbindung, aber wenn, merkt man schon, dass die Auswirkungen massiv sind. Es steht auch in der Antragsbegründung, dass meist die Fortsetzung einer normalen Berufstätigkeit unmöglich ist, dass es ganz lang dauert, bis man überhaupt diagnostiziert, welches Krankheitsbild vorliegt. Und ich denke mir, wenn wir hier die Kräfte bündeln, um ein klares Signal zu senden, dass bei dieser Erkrankung, die eine sehr schwerwiegende Erkrankung ist und weitestgehend unerforscht ist, hier sozusagen alle am gleichen Strang in die gleiche Richtung ziehen, dann ist das wichtig, richtig und wir unterstützen diesen Antrag aus voller Überzeugung. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ.)
Zweiter Präsident Waldhäusl: Zum Wort gelangt Abgeordneter Richard Punz, FPÖ.
Abg. Punz, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen! Auch ich möchte zu Beginn "Danke" sagen, "Danke" an alle Fraktionen. Ich glaube, es ist ein sehr wichtiges und schönes Zeichen an die Betroffenen von chronischen Multisystemerkrankungen wie Long COVID, Post COVID oder ME/CFS, dass die Landespolitik die Sorgen ernst nimmt und diese Verantwortung in einem Allparteienantrag gemündet hat. Es ist aber nicht nur ein schönes Zeichen, sondern auch ein klares Bekenntnis mit diesem Antrag verbunden, nämlich die Betroffenen zu unterstützen, indem die notwendigen Versorgungsangebote und Behandlungen durch Experten analysiert und ausgearbeitet werden. Wir leben in einer Zeit, in der die chronischen Multisystemerkrankungen – das sind Erkrankungen, die mehrere Organsysteme betreffen und auch oft komplex zu behandeln sind – eine immer größere Herausforderung für unser Gesundheitssystem darstellen. In Österreich sind zahlreiche Menschen von solchen Erkrankungen betroffen und sie schränken die Lebensqualität erheblich ein und belasten die betroffenen Erkrankten enorm. Die Behandlung ist oft langwierig, teuer und erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Disziplinen. Wir brauchen also ein Gesundheitssystem, das nicht nur die Krankheiten behandelt, sondern Gesundheitsförderung, Prävention und interdisziplinäre Versorgung stärker in den Mittelpunkt rückt. Eine bessere Früherkennung, eine patientenzentrierte Betreuung und innovative Therapiemöglichkeiten sind der Schlüssel, um den Betroffenen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Auch wir als Gesellschaft, denke ich, müssen sensibilisiert werden, um die Betroffenen nicht zu missachten, nicht zu vergessen, sondern bestmöglich zu unterstützen. Gerade auch, weil in dem Bereich auch neuartige gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit Corona und den Impfungen auftreten. Neben den bereits bekannten Post-Corona-Beschwerden können mittlerweile zunehmend auch Probleme durch Impfungen auftreten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Impfungen in einigen Fällen zu einem sogenannten Post-Vaccin-Syndrom führen können und auch führen werden. Also eine Ähnlichkeit mit dem Long-COVID-Syndrom besteht hier. Die Symptome können über Wochen, aber auch über Monate anhalten. Und ein interessantes Detail am Rande: Die aktuelle Forschung – es ist noch ein laufender Prozess – hat hier biologische Veränderungen bei den Betroffenen festgestellt, unter anderem ein verändertes Immunprofil, die Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus und eine anhaltende Präsenz des Corona-Spike-Proteins im Blut. Also keine Sachen, die einfach abgetan werden müssen. Das heißt, diese Entwicklungen verdeutlichen für uns die zunehmende Komplexität des Themas und unterstreichen auch die Notwendigkeit weiterer Forschung und verbesserter medizinischer Versorgungsstrukturen sowohl für aktuelle – und darauf möchte ich besonders hinweisen – als auch präventiv für zukünftige Ereignisse. Was es hier braucht, ist vor allem eine klare Definition im Umgang mit den Krankheitsbildern. Dazu braucht es wissenschaftliche Belege, gut durchgeführte, organisierte, hochwertige Studien und derzeit ist die Praxis vor allem so, dass der unterschiedliche Wissensstand unter den Gutachtern ein Problem darstellen kann. Dem muss mit verstärkter wissenschaftlicher Evidenz und auch einer gezielten Wissensvermittlung bestmöglich entgegnet werden. Ein zentraler Aspekt ist auch die Verbesserung der Fortbildungsangebote für die Ärzte und auch für das diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonal. Die Fortbildungen müssen qualitativ und quantitativ angemessen gestaltet werden, um diesen besonderen Bereich der postakuten Infektionssyndrome abzubilden. Geschätzte Kollegen, die chronischen Multisystemerkrankungen sind eine Herausforderung, ja, sie sind aber auch eine Chance. Eine Chance für die Politik, diesen Umstand als Anlass zu nehmen, das Gesundheitssystem nachhaltig zu verbessern. Mit mehr Forschung, mit besserer Vernetzung und vor allem stärker Prävention. Dabei geht es nicht nur um die dringend notwendige Behandlung aktueller Patienten, sondern vor allem um die Kompetenz für die Zukunft. Und in diesem Kontext möchte ich mit einem Zitat von Clive Staples Lewis schließen (liest:) "Du kannst nicht zurückkehren und den Anfang ändern. Aber du kannst dort beginnen, wo du bist und das Ende ändern." Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
Zweiter Präsident Waldhäusl: Zum Wort gelangt Abgeordnete Silke Dammerer, ÖVP.
Abg. Dammerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Stellen Sie sich vor, Sie verlieren Ihr Leben ohne zu sterben." So beschreibt ein Arzt die Krankheit von Mila. Mila ist 21 Jahre jung und leidet an einer schweren Form von ME/CFS. Wie wir schon gehört haben, ME/CFS ist eine schwere somatische neuroimmunologische Multisystemerkrankung, die meistens von Viren oder Infektionen ausgelöst wird, wie z.B. dem Pfeifferschen Drüsenfieber einer Influenza oder Corona-Infektion. ME/CFS zählt zu den stärksten einschränkenden und belastenden chronischen Erkrankungen. Mila lebt in einem abgedunkelten Zimmer, da selbst Licht zur Reizüberflutung führt. Seit vier Jahren gefangen im eigenen Bett und völlig kraftlos. Sie hat keine Kraft zu essen, daher wird Mila flüssig ernährt. Auch Sprechen ist mittlerweile nicht mehr möglich. Mit einem hohen zeitlichen Aufwand pflegen die Eltern ihre Mila liebevoll, fordern völlig zurecht bedarfsgerechte medizinische Hilfe und engagieren sich gemeinsam mit anderen betroffenen Eltern für Aufklärung. Ich habe auch Heidi, 51 Jahre, Cornelia, 33 Jahre, und Bettina, 22 Jahre, kennengelernt. Auch sie wurden nach einer durchlebten Viruserkrankung von heute auf morgen mitten aus dem Leben gerissen. Ein selbstbestimmtes Leben ist plötzlich vorbei. Arbeiten gehen, Freunde treffen nicht mehr möglich, Zukunftspläne vernichtet. Die Bewältigung des Alltags wird zur großen Herausforderung, jegliche körperliche und geistige Anstrengung verschlechtert die Symptome. Sie sind auf Unterstützung von den Eltern oder Partnerinnen und Partnern angewiesen. An dieser Stelle zoll ich euch meinen größten Respekt und meine tiefste Dankbarkeit, lieber Josef, liebe Renate, liebe Sabine, stellvertretend für so viele pflegende Angehörige. (Beifall bei der ÖVP.) Heidi, Cornelia und Bettina leiden wie Mila und ca. 80.000 Menschen in Österreich an ME/CFS. Leider haben sich durch die Corona-Pandemie die Fallzahlen drastisch erhöht. Eine Krankheit, die hauptsächlich junge Menschen – auch Kinder – und zu 70 Prozent Frauen betrifft. Wie wir schon gehört haben: 60 Prozent der Betroffenen sind nicht mehr arbeitsfähig und 20 Prozent sind haus- und bettgebunden. Die Symptome variieren stark, der Leidensdruck ist enorm. Neben einer fast dauerhaften Müdigkeit und Belastungsintoleranzen leiden Betroffene an einer Vielzahl von weiteren Beschwerden wie ständig anhaltende Grippesymptome, Muskelschmerzen, Kraftlosigkeit, Magen-Darm-Problemen, Kreislaufproblemen und vielem mehr. Die Überempfindlichkeit gegen Licht, Geräusche und Gerüche schränkt Betroffene so sehr ein, dass sie das Haus nicht oder für nur ganz kurze Zeit verlassen können. Auch Menschen zu treffen, strengt zu sehr an, daher sind Betroffene gezwungen, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Auf der Suche nach Hilfe und Behandlung machen Patientinnen und Patienten, Angehörige, die leidvolle Erfahrung, dass es im österreichischen Gesundheitssystem keine adäquate Versorgung gibt. Die Krankheit ME/CFS ist kaum erforscht und fehlt auch gänzlich in der Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte. Dies hat für Betroffene schwerwiegende Konsequenzen. Betroffene berichten, dass es oft einen regelrechten Ärztemarathon braucht, um eine richtige Diagnose zu erhalten. Und das mit einem Körper, dessen Akku nur wenige Prozent voll ist und der nicht auflädt. Durch zu späte oder falsche Diagnosen werden oft falsche Behandlungswege eingeschlagen, die eine massive Verschlechterung verursachen können. Aufgrund der fehlenden Forschung fehlt es neben geeigneter Behandlung auch an Medikamenten. Heidi, Cornelia, Bettina und die Mütter von Bettina und Mila haben mir berichtet, geringfügige körperliche oder geistige Anstrengungen reichen aus, um vorherrschende Symptomatiken zu verstärken, die oft Tage danach noch anhalten und eventuell zu einer dauerhaften Verschlechterung führen. Alltägliche Dinge mit seinen Routinen wie Zähneputzen zur Toilette gehen, raubt Energiereserven. Jede Aktivität, die über die eigene individuelle Leistungsgrenze hinausgeht, wird mit Schmerzen und vielen Symptomen bestraft. Was zum gesundheitlichen Leid noch hinzukommt, ist die Stigmatisierung der Krankheit. Wir haben auch keine auf ME/CFS spezialisierten Gutachterinnen und Gutachter. Sie stempeln Betroffene oft als sogenannte "Tachinierer" ab, unterstellen das Münchhausen-Syndrom und erklären Betroffenen, sie wären depressiv. Das ist nicht nur demütigend, sondern es verwehrt auch die Zuerkennung von Pflegegeld oder einer etwaigen Berufsunfähigkeitspension. Mit der Folge, dass Betroffene nicht nur pflegerisch, sondern auch finanziell zu 100 Prozent auf die Eltern, Partnerinnen und Angehörige angewiesen sind. Was braucht es, um Patientinnen, Patienten und auch Angehörigen zu helfen? Es braucht unbedingt und ohne weiteren Zeitverlust niederschwellige Angebote, damit der lange Weg durchs System verkürzt wird, frühzeitig eine Diagnose erstellt wird und rasch eine Therapie eingeleitet werden kann. Da die Symptome sehr stark variieren, ist keine Einheitsbehandlung möglich. Was es braucht, ist eine interdisziplinäre Betreuung abgestimmt auf den Schweregrad. Betroffene bräuchten ein sektorenübergreifendes Versorgungsmodell unter Einbindung spezialisierter Ärzte, mobiler Gesundheitsdienstleister und telemedizinische Angebote. Wir brauchen die Erfahrungen, die bisher von Ärztinnen, Ärzten, Angehörigen von Gesundheitsberufen, von den Patientinnen und Patienten selbst, von deren Angehörigen und von Mitgliedern der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS bisher gesammelt wurden. Wir brauchen engagierte Medizinerinnen und Mediziner, die sich diesem Thema intensiv widmen. Es braucht einen dringenden Ausbau der Forschungstätigkeit, um Mechanismen der Erkrankung zu verstehen und gezielte Therapien und Medikamente entwickeln zu können. Wir brauchen die Verankerung dieser Krankheit in der Ausbildung. Es braucht eine dementsprechende Fortbildung und es braucht spezialisierte Gutachterinnen und Gutachter. Es braucht dringend finanzielle und soziale Absicherung für Betroffene, die arbeitsunfähig sind. Es braucht spezielle Reha-Angebote, die den individuellen Bedürfnissen gerecht werden und Patienten Strategien aufzeigen, wie sie mit ihrer Energie haushalten können. Liebe Karin Scheele, ich freue mich sehr über dein Lob für unseren gemeinsamen Antrag und ich möchte ebenfalls Danke sagen, dass uns das hier heute gelingt, dass wir alle gemeinsam hier an einem Strang ziehen. Wir fordern hier heute gemeinsam die Landessanitätsdirektion und die Experten der LGA auf, ein Konzept zu entwickeln. Zum Schluss meine große Bitte auch in Richtung der SPÖ: So wie es derzeit aussieht, kommt die neue Gesundheitsministerin oder der neue Gesundheitsminister von der SPÖ, darum auch hier die Bitte bei dieser oder diesem auch dieses gemeinsame große Anliegen zu unterstützen. Helfen wir alle mit, den Betroffenen und deren Angehörigen zu helfen. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und Präs. Mag. Wilfing.)
Zweiter Präsident Waldhäusl: Die Rednerliste ist erschöpft.
Abweichungen zwischen Text und Video möglich.