Zusammenfassung
Antrag des Rechts- und Verfassungs-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2179/A-2/81-2022 – Hundert Jahre Niederösterreich – Zeit zum Gedenken: Historiker*innenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaften in Niederösterreich
Berichterstatter
Redner
- Erich Königsberger (FPÖ) Tagesordnungspunkt 18 Video und Sitzungsbericht
- Hannes Weninger (SPÖ) Tagesordnungspunkt 18 Video und Sitzungsbericht
- Martin Schuster (ÖVP) Tagesordnungspunkt 18 Video und Sitzungsbericht
Abstimmung
Antrag angenommen: Zustimmung ÖVP, FPÖ, Abg. Ing. Huber, Ablehnung SPÖ. GRÜNE, NEOS
Video-Übertragung der Sitzung
Den textlichen Auszug des Sitzungsberichts finden Sie nach dem Video.
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Mit der Ltg.-2179 kommen wir zum Antrag der Abgeordneten Renner u.a. betreffend Hundert Jahre Niederösterreich – Zeit zum Gedenken: Historikerinnenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaften in Niederösterreich. Ich ersuche Herrn Abgeordneten Wiesinger die Verhandlungen einzuleiten.
Berichterstatter Abg. Wiesinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichte zur Ltg.-2179 der Abgeordneten Mag. Renner u.a. betreffend Hundert Jahre Niederösterreich – Zeit zum Gedenken: Historikerinnenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaften in Niederösterreich. 2022 feiert Niederösterreich sein 100-jähriges Bestehen als eigenständiges Bundesland nach der Trennung von Wien. Jubiläen bieten auch den Anlass, um gleichermaßen in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu blicken. Mit der zeithistorischen Ausstellung im Haus der Geschichte und besonders mit der Wanderausstellung „Niederösterreich – 100 Jahre“ Ereignisse wird bewegte Vergangenheit und die Erfolgsgeschichte unseres Landes anschaulich dargestellt. Aber um aus der Geschichte zu lernen, müssen wir auch die dunklen Stunden unserer Vergangenheit beleuchten. Deshalb soll in Niederösterreich eine Kommission eingesetzt werden mit den Eckpfeilern, die Forschungsschwerpunkte der Geschichtsforschung bzw. die Fördercalls festzulegen, beide Epochen zu beurteilen – 1. Republik bzw. den Nationalsozialismus – bzw. sollen alle im Landtag vertretenen Parteien diese Kommission beschicken. Der Antrag ist daher erstens so (liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
1. Die niederösterreichische Landesregierung wird aufgefordert:
- an die Gemeinden heranzutreten und darauf hinzuwirken, dass diese alle ihre Ehrenbürgerschaften an das Land Niederösterreich melden;
- aus diesen Meldungen eine Gesamtliste der Ehrenbürgerschaften zu erstellen und über die Landeshomepage pro Bezirk und Gemeinde abrufbar zu machen;
- eine Historikerinnenkommission nach oberösterreichischem Vorbild zu gründen, welche mit eigenen Budgetmitteln ausgestattet wird und in welche jede im Landtag vertretene Partei zwei Historikerinnen entsenden kann, welche in Ausübung ihrer Aufgaben weisungsfrei sind.
- Die gemäß 1. c. genannte Kommission hat insbesondere folgende Aufgaben:
- Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaften und Erstellung eines Berichts mit Empfehlungen, wie mit historisch belasteten Persönlichkeiten umzugehen ist;
- Festlegung jährlicher Forschungsschwerpunkte;
- Auslobung jährlicher Fördercalls an Historikerinnen zur Abarbeitung der festgelegten Forschungsschwerpunkte;
- Publikation der Forschungsergebnisse nach oberösterreichischem Vorbild.
Der Antrag des Rechts- und Verfassungs-Ausschusses lautet: Der Antrag wird abgelehnt.“
Herr Präsident, ich bitte um Einleitung der Debatte und Abstimmung.
Präsident Mag. Wilfing: Damit gehen wir in die Debatte und als Erster zu Wort gelangt der Abgeordnete Erich Königsberger von der FPÖ.
Abg. Königsberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zum genannten Antrag: Zum Ersten würden wir hier in die Autonomie der Gemeinden eingreifen, zum Zweiten in Zeiten einer Rekordteuerung für Kommissionen enorme Summen an Steuergeld auszugeben, ist der falsche Ansatz. Wir brauchen jeden Euro für unsere leidgeplagten Menschen im Land. Wir haben es ja heute bereits ausführlich diskutiert, was es alles an Maßnahmen bedarf. Deshalb werden wir dem negativen Ausschussantrag zustimmen, das heißt, diesem Antrag unsere Zustimmung nicht geben. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Präsident Mag. Wilfing: Die nächste Wortmeldung ergeht an den Abgeordneten Hannes Weninger von der SPÖ.
Abg. Weninger(SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir in den letzten Tagen „100 Jahre Niederösterreich“ mit viel Remmidemmi und Tamtam gefeiert haben, wäre es jetzt an der Zeit, das Jubiläumsjahr auch für eine historische Aufarbeitung zu nützen. Denn in den vergangenen hundert Jahren war bei weitem nicht alles Glanz und Glorie. Das erste Drittel dieser hundert Jahre war geprägt von Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und sozialem Elend, von der austrofaschistischen Diktatur und dem NS-Regime, vom Zweiten Weltkrieg und weiteren zehn langen Jahren bis zur Freiheit. In dieser historischen Aufarbeitung gibt es noch viel zu tun und unser Antrag möchte das unterstützen. Es gibt nämlich noch immer in diversen Chroniken, auf Homepages und auf Gedenktafeln politische Führer aus dieser Zeit, aus dieser Epoche, die als Ehrenbürger der jeweiligen Stadt oder Gemeinde geführt werden. Unser Jubiläumsjahr könnte Anlass sein, mit dieser Belastung aus der Vergangenheit wissenschaftlich fundiert aufzuräumen. Im Gegensatz zu meinem Vorredner möchte ich die Verantwortung nicht den Städten und Gemeinden auflasten, auch nicht Lokalhistorikern oder Archivaren, weil diese sind oft politisch, aber auch fachlich, überfordert, wie uns die ewig lange, jahrzehntelange Debatte darüber lehrt, wie mit den Ehrenbürgerschaften z. B. von Engelbert Dollfuß umgegangen wird, ob diese durch seinen Tod oder durch ein von den Nationalsozialisten 1938 verabschiedetes Gesetz längst hinfällig ist. Tatsache ist, dass das Thema „Dollfuß“ und anderer sehr viele auch aus Niederösterreich stammender Führer des austrofaschistischen Regimes nicht ausreichend wissenschaftlich bearbeitet sind. Wir wollen mit unserem Antrag „Hundert Jahre Niederösterreich – Zeit zum Gedenken: Historikerinnenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaften in Niederösterreich“ anregen, eine Historikerkommission einzusetzen, diese natürlich auch mit allen notwendigen Ressourcen auszustatten mit der Aufgabenstellung, unabhängige, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen mit dem Umgang von belasteten Ehrenbürgern zu erarbeiten. Ich sehe diesen Antrag als langfristige Ergänzung zur aktuellen Jubiläumsausstellung z. B. im Haus der Geschichte, aber auch so wie wir es im Antrag formuliert haben, zur Wanderausstellung „Niederösterreich 100 Jahre, Orte und Ereignisse“. So gesehen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass mein geschätzter Kollege Martin Schuster, der jetzt nach mir reden wird, im Namen der ÖVP gegen diesen Antrag sein wird. Ich hoffe auf Zustimmung und Niederösterreich hätte sich eine historische Aufarbeitung, gerade im Jubiläumsjahr, verdient. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wilfing: Damit erteile ich dem soeben angesprochenen Martin Schuster, ÖVP, das Wort.
Abg. Martin Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Geschätzter Herr Kollege Weninger! Ich darf gleich sozusagen replizieren auf das, was du gesagt hast. Ja, also ich halte es für wirklich bedeutend und wichtig, dass wir uns unserer Geschichte – nicht nur der letzten hundert Jahre, sondern auch noch darüber hinausgehend – stellen. Du hast völlig richtig ausgeführt: Das Jahrhundert, auf das wir jetzt festlich zurückgeblickt haben, wo wir sehr stolz sein können in Niederösterreich auf das, was wir erreicht haben, hatte auch sehr dunkle Zeiten und sehr dunkle Seiten. Diese Seiten liest man auch noch, wenn man die Geschichtsbücher und manchmal auch die Chroniken in unseren Gemeinden nachliest. Das Anliegen, sich zu beschäftigen mit dem Thema „Ehrenbürgerschaft“, das halte ich grundsätzlich für wichtig und legitim. Wo ich anderer Meinung bin ist, ob es die Landesebene, ob es diese Kommission braucht oder – wie es unsere Meinung ist – dass es dort hingehört, wo es auch ursprünglich beschlossen wurde – nämlich in den Gemeinden. Ich darf das vielleicht noch ergänzen, weil mit dem Thema habe ich mich wirklich sehr, sehr intensiv auch persönlich auseinandersetzen dürfen: Es sind nicht nur die Ehrenbürgerschaften. Es sind Straßenbenennungen, es sind Ehrengräber und viele Gemeinden in Niederösterreich haben neben der Ehrenbürgerschaft eine ganze Reihe von anderen Ehrenzeichen – ob es Ehrenringe, Ehrenkreuz oder ähnliche Verleihungen sind – die über die Jahrzehnte verliehen worden sind. Das ist eine Vielzahl von Themen, wo man natürlich ganz unterschiedlich damit umgehen kann. Auf der einen Seite selbstverständlich eine Aberkennung, so wie von dir angesprochen, ebenso natürlich auch – gerade wenn es um Straßenbenennungen etc. geht – auch – siehe Diskussion in der Stadt Wien über das Lueger-Denkmal – mit einer Alternative sozusagen auch mit einem erklärenden ... einer Auseinandersetzung mit der Geschichte, auch mit einer entsprechenden historischen Tafel oder Abhandlung daneben. Ich darf nur auch noch informieren, dass auch die Bundesregierung im Regierungsprogramm für die Gedenksstrategie mit dem Ziel auf allen Ebenen genau das, was hier angesprochen worden ist, entsprechend aufzuarbeiten, da dran ist und unsere Ministerin Edtstadler eine Novelle vorbereitet des Bundesehrenzeichengesetzes – nämlich etwas, was ich auch nicht wusste, dass man heute Geehrten postum diese Ehrung nicht aberkennen kann, wenn es eine Bundesehrung ist. Also auch das soll kommen und wird kommen. Ich halte das also generell für sehr wichtig, dass wir es dort machen, wo es auch beschlossen worden ist. Es braucht natürlich dort und da Unterstützung. Ich weiß aber, wenn man z. B. auch bei der Fachabteilung im Land NÖ oder bei anderen anruft, dass man hier oder auch das Dokumentationszentrum oder viele andere, die hier wirklich hilfreich auch den Gemeinden, die nicht über eigene Archivare oder eigene Historikerinnen verfügen, dass das also wirklich in einem hohen Ausmaß heute schon gelebt ist und der Fall ist. Natürlich gibt es – wahrscheinlich wenn wir heute in den 573 Gemeinden schauen – noch genug Fälle, wo wir wahrscheinlich hier die meisten von uns der Meinung wären: Naja, das sollte man wirklich historisch aufarbeiten und hier den Gemeinden zur Hand gehen. Aber es muss von der Gemeinde und in der Gemeinde erledigt werden. Das ist der einzige Punkt, der uns – glaube ich – heute in diese Debatte drängt, weshalb der Ausschuss auch zur Auffassung gekommen ist, diesem Antrag der SPÖ nicht zuzustimmen. Wie gesagt, ich glaube ein sehr noch vielschichtigeres Thema als im Antragstext herausgeht, aber zu lösen in den Gemeinden selber. Ich glaube, dass gerade vielleicht auch der Anlass „100 Jahre Niederösterreich“ ... es ist hier wirklich auch einmal in den Gemeinden entsprechend tätig zu werden. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
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