Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-451/XX-2024 – Leistung als Fundament unseres Wohlstandes – Steuerfreistellung von Überstunden umsetzen
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Kaufmann, MAS (ÖVP): Ja, geschätzter Herr Präsident! Mitglieder der Landesregierung! Hoher Landtag! Man möge es gar nicht für möglich halten, wenn man sich gerade dem EM-Fieber hingegeben hat, aber morgen in fünf Wochen steht das nächste sportliche Großereignis am Programm. Fünf Wochen. Im "Stade de France" in Paris wird das Olympische Feuer entfacht. Rund 10.000 Sportlerinnen und Sportler warten schon jetzt auf ihre Wettkämpfe und sind bereit, das über Monate und Jahre im harten Training Erlernte im Wettkampf unter Beweis zu stellen und dann fiebern auch wieder Milliarden von Menschen weltweit zu und ich denke auch viele Österreicherinnen und Österreicher und wahrscheinlich auch viele von uns werden mitfiebern. Und wir werden uns freuen über die Athletinnen und Athleten über ihre Leistungen und wir werden auch mittrauern, wenn eine Medaille vielleicht nur knapp verpasst wurde. Und wir freuen uns genau über diese Menschen, die bereit sind mehr zu tun und mehr zu schaffen, als es vielleicht andere bereit sind, die viel Zeit in ihr Talent, in ihr Können investieren und harte Anstrengungen auf sich nehmen, damit sie zu den Besten der Besten gehören und damit auch wir schlussendlich stolz auf ihre Leistungen sein können. Aber eine Frage: Würde auch nur einer von uns auf die Idee kommen, diese Menschen für ihren Tatendrang, ihren unbändigen Willen für Leistung, ihre Hingabe zu ihrem Tun zu bestrafen? Oder ihrem Trainer vielleicht aufzuerlegen, dass, wenn ein Limit etwa zum Beispiel für die Qualifikation für Paris erreicht wurde, nur mehr zu 50 Prozent trainiert werden darf? Also was im Sport natürlich völlig abstrus ist, muten wir unserer Wirtschaft und vielen arbeitenden Menschen in diesem Land mit Hingabe und Selbstverständnis zu. Denn es gilt der Grundsatz: Wenn du mehr leisten willst als andere – warum auch immer – dann wirst du durch höhere Steuern und Abgaben bestraft. Und in kaum einem anderen europäischen Land ist es finanziell unattraktiver seine Arbeitszeit auszuweiten als in Österreich. Erhöht eine Teilzeitkraft die wöchentliche Arbeitszeit von 20 auf 30 Stunden, kassiert der Staat zwei Drittel des Einkommenszuwachses an Abgaben. Kein Wunder, das heißt: Wer rechnen kann, arbeitet Teilzeit. Und dasselbe gilt für Überstunden und so wie es aussieht, ist es für manche Parteien und Interessensvertretungen scheinbar immer noch so, dass ihnen die zahlreichen Menschen hier in Österreich und gerade auch bei uns in Niederösterreich, die die Extrameile gehen und mehr arbeiten wollen und damit ihre Lebensqualität und auch den Wohlstand im Land sichern wollen und die Zukunft aktiv mitgestalten wollen, dass ihnen diese Menschen völlig abstrus sind und fast schon wie ein Alien anmuten. Und ja, wir auch als Volkspartei müssen uns hier kritisch eingestehen, dass wir nicht rechtzeitig den Trend zu weniger Arbeit entgegengesteuert haben. Denn weniger Arbeiten ist in Österreicher ja längst die Realität. Obwohl die Bevölkerung in den letzten drei Jahrzehnten um über eine Million Einwohner gewachsen ist, blieb die Zahl der Vollzeitbeschäftigten konstant gleich. Zwar gehen immer mehr Menschen einer Beschäftigung nach, was ja großartig ist, aber dafür arbeiten sie immer kürzer. Innerhalb der Europäischen Union gibt es nur noch vier Länder, wo jährlich weniger Arbeitsstunden als in Österreich geleistet werden. Ein Blick auf die letzten zehn Jahre zeigt den Anstieg bei der Teilzeitquote von 26 Prozent im Jahr 2012 auf 31,6 Prozent im Jahr 2023. Und dieser Anstieg scheint auf den ersten Blick nicht sehr hoch. Ein Blick zurück in die Jahrzehnte, wo sich meine Eltern und wahrscheinlich auch die Eltern vieler der hier anwesenden Abgeordneten jenen Wohlstand erarbeitet haben, von dem wir heute auch noch profitieren, zeigt klar, dass dieser Wohlstand sicherlich nicht mit Teilzeit erarbeitet wurde, sondern eher im Gegenteil. Mit vielen, vielen Überstunden und von so vielen auch mit Baustellenzeit statt Urlaubszeit, vor allem an den Wochenenden. Aber schauen wir einmal zurück und werfen einen Blick auf die WIFO-Daten. Von 1974 bis 1984 lag der Wert bei der Teilzeitquote konstant bei 7,1 Prozent. 1993 ging dieser Wert erstmals auf über 10 Prozent und stieg seit damals stetig an bis heute zu den bereits genannten 31,6 Prozent. 1974 waren 98,8 Prozent der Männer in Vollzeit und noch 1994 waren es 97 Prozent. Dieser Wert ging im Jahr 2023 auf knapp 87 Prozent zurück. Bei den Frauen arbeiten heute übrigens rund 52 Prozent in Teilzeit, was natürlich immer noch – völlig klar – mit den familiären Betreuungspflichten in Verbindung steht und gerade deshalb ist die Kinderbetreuungsoffensive des Landes NÖ und unserer Gemeinden so immens und notwendig. Und ich weiß gut genug, wovon ich spreche. Denn auch meine Frau würde heute in Teilzeit arbeiten, wäre sie noch in einem Angestelltenverhältnis. Sie hat sich entschlossen, vor einigen Jahren selbstständig zu werden, ein Unternehmen zu gründen. Auch mit der bewussten Entscheidung, dass sie damit auch Zeit für unsere Tochter hat, damit sie sich am Nachmittag darum kümmert. Und wenn dann die Mitarbeiterinnen einspringen, die auch ganz bewusst und gerne in Teilzeit arbeiten, dann ist das ja auch gut so. Und ich will die Teilzeit auch nicht verurteilen. Im Gegenteil: Viele Bereiche – vor allem auch im Handel – würden ohne Teilzeit nicht funktionieren. Aber bei sinkenden Geburtenzahlen und einem kontinuierlich stark verbesserten Kinderbetreuungsangebot in diesem Land muss man die Tendenz dennoch kritisch im Auge behalten. Und es geht darum, jene zu unterstützen, die heute noch bereit sind, die volle Meile zu gehen und Vollzeit zu arbeiten. Und es geht darum, jene steuerlich zu unterstützen, die auch die extra Meile gehen wollen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nur dank einer massiven Produktivitätssteigerung, konnte die Wirtschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten und auch durch den Beitritt zur Europäischen Union sich so gut entwickeln. Hier dürfte aber der Zenit erreicht sein, wenn wir uns die aktuellen Wirtschaftsdaten ansehen und den Wirtschaftsbericht 2023 für das Land NÖ haben wir heute ohnedies noch zur Debatte auf der Tagesordnung. Die Conclusio: Wenn wir weniger arbeiten wollen, aber nicht mehr im selben Umfang produktiver werden können, dann müssen eben mehr Menschen arbeiten. Doch woher sollen die zusätzlichen Arbeitskräfte kommen? Aus der Geburtenrate eher nicht. Hier spricht die Demographie eine klare Sprache. Woher wollen wir nun die vielen Köche, Kellner, Pflegerinnen, Pfleger, Ärzte, Handwerker, Mitarbeiter in der Verwaltung und am Wirtschaftshof nehmen? Der Arbeitskräftemangel wird durch die demographische Entwicklung zunehmen. So viel ist sicher. Damit bleiben der Politik neben einer qualifizierten Zuwanderung, was natürlich nicht alle gerne hören, mittelfristig zwei Stellschrauben über: Die Arbeitszeit und die Produktivität. Und natürlich spricht nichts dagegen, sich als Top-Arbeitgeber zu präsentieren und freiwillig die Arbeitszeit der Mitarbeiter zu verkürzen. Ich betone: Freiwillig. Und ja: Auch steht es jedem Menschen zu, für sich zu entscheiden mehr oder weniger Freizeit haben zu wollen. Gott sei Dank haben wir hier eine größtmögliche Liberalität und Flexibilität. Aber es darf keine politische Entscheidung sein, solche Anreize für weniger Arbeit zu setzen und steuer- und abgabenrechtlich zu unterstützen. Denn wer das möchte, blendet ja eines vollkommen aus: Unser gesamtes Sozialsystem ist darauf ausgelegt, dass es kippt, wenn jeder nur noch das Allernötigste beitragen wird, sich im Fall des Falles sich aber trotzdem auf die Allgemeinheit verlassen will. Ein solches System ist unsolidarisch, ungerecht und auf kurze Sicht auch unfinanzierbar. Und ich weiß schon jetzt, was dann wieder kommen wird. Der Dauerschmäh von "die Reichen sollen es zahlen und finanzieren" und die Forderung nach Vermögensteuern oder Maschinensteuern, die dann für eh alle Problemlösungen herhalten müssen. Ein Ansatz aus der Mottenkiste von jenen, die ihre Ideologie über Fakten stellen wollen. Und warum traue ich mich das zu behaupten? Weil die Fakten hier eine klare Sprache sprechen. Eine Vermögensteuer führt in der aktuellen Rezession zu zusätzlichen Kosten für Unternehmen und gefährdet Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Österreich. Gemäß einer Studie des IHS zur Besteuerung von Vermögen in Österreich führt eine Vermögensteuer mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro, welches die Finanzierungskosten der Unternehmen im selben Ausmaß erhöht, langfristig zu einem Beschäftigungsrückgang um 0,24 Prozent, was einem Verlust von rund 10.000 Arbeitsplätzen entspricht. Hochgerechnet auf das oftmals geforderte Aufkommen von 5 Milliarden Euro bedeutet dies eine Gefährdung von 50.000 österreichischen Arbeitsplätzen. Zu den 100 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Woche kommen jede Woche also 1.000 Arbeitslose dazu. Ein sehr hoher Preis für ein Mittel, das nichts bewirkt. Ein zu hoher Preis, wie ich meine. Die Volkspartei Niederösterreich steht für einen anderen Weg, unterstützt daher ganz klar den Ansatz unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer und von Finanzminister Magnus Brunner. Wir wollen die zahlreichen Menschen in Österreich unterstützen, welche genau diese Extrameile gehen und mehr arbeiten wollen, um ihre Lebensqualität und den Wohlstand im Land zu sichern und die Zukunft aktiv zu gestalten. Wir sehen Leistung als Fundament unseres Wohlstandes. Es braucht Anreize für Menschen ohne Betreuungspflichten, um von einer Teilzeit in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Es braucht Anreize, die Vollzeit als das darzustellen, was sie ist – nämlich die Normalität und nicht die Ausnahme. Wir müssen sicherstellen: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein und wer mehr arbeiten möchte, noch viel weniger. Wer mehr arbeitet, soll belohnt und nicht bestraft werden. Wer Leistungsträger ist, der muss auch mehr davon haben und das finanziell spüren. Das ist die notwendige Perspektive für Wohlstand und leistbares Eigentum. (Beifall bei der ÖVP, LR Mag. Teschl-Hofmeister und LR DI Schleritzko.) Mit der Einführung von steuerfreien Überstunden können wir die Arbeitsmotivation und Produktivität steigern. Wir erhöhen damit auch das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, was deren Kaufkraft steigert und den Konsum ankurbelt. Wir steigern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und deren Flexibilität und Reaktionsfähigkeit in Bezug auf Auftragsspitzen und erhöhten Arbeitsbedarf. Und vielleicht schaffen wir damit sogar die Etablierung einer neuen Arbeitskultur in diesem Land. Eine Arbeitskultur, die Engagement und Leistungsbereitschaft wertschätzt und damit dort anknüpft, wo ich zu Beginn meiner Rede war: Höchstleistungen nicht nur bei den Olympischen Spielen oder einer derzeit laufenden Fußball-EM zu bringen, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich. Darüber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich nachzudenken. Dafür lohnt es sich politisch zu arbeiten und daher lohnt es sich auch heute im Rahmen dieser Aktuellen Stunde über Leistung zu debattieren und gemeinsam hier in diesem NÖ Landtag gemeinsam Wege zu skizzieren, wie wir Leistung in diesem Land stärken wollen. Und ich freue mich schon auf eine sicherlich höchst spannende und konstruktive Debatte im Rahmen dieser Aktuellen Stunde. (Beifall bei der ÖVP.)
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Zur Person
Kontaktdaten
- Wohnbezirk:
- Tulln
- Klub/Fraktion:
- Landtagsklub der Volkspartei Niederösterreich
- Wahlpartei:
- LH Johanna Mikl-Leitner VP Niederösterreich