Der Niederösterreichische Landtag übersiedelte vor 25 Jahren von Wien nach Sankt Pölten
Vor 25 Jahren, am 21. Mai 1997, fand die erste Sitzung des Landtags von Niederösterreich im Landtagsschiff in Sankt Pölten statt. Um an diesen wichtigen Schritt in der Landesgeschichte zu erinnern, lud Landtagspräsident Karl Wilfing zu einer Festsitzung ein. „Das Werden der Landeshauptstadt und die Errichtung des Landhausviertels war nur durch einen Schulterschluss der Parteien möglich. Bei all ideologischen Unterschieden zog man bei wichtigen Projekten an einem Strang. Diese Entwicklung, die die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat, sehe ich derzeit gefährdet. Doch es ist unsere Aufgabe, gemeinsam die Zukunft unseres Landes im Sinne der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher zu gestalten“, stellte Präsident Wilfing in seiner Rede klar.
Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner war die Übersiedlung des Landtags und der Landesregierung ins St. Pöltner Landhaus ein wichtiger Meilenstein in den vergangenen 100 Jahren seit der Trennung der Bundesländer Niederösterreich und Wien: „In diesen 100 Jahren hat unser Land unglaublich an Stärke, Selbstbewusstsein und Identität gewonnen, weil es Niederösterreich immer geschafft hat, historische Ereignisse für eine dynamische Entwicklung zu nutzen. Heute sind wir nicht nur Agrarland, sondern auch Wirtschaftsland, Tourismusland, Kulturland und Wissenschaftsland. Der Landtag habe an dieser Entwicklung einen wesentlichen Anteil als ‚Leuchtturm der Demokratie‘“, so Landeshauptfrau Mikl-Leitner.
Liessmann: „Demokratie lebt vom Vertrauen in die Mehrheit“
Die Festansprache bei der Sitzung hielt der Essayist und Philosophie-Professor i.R. Konrad Paul Liessmann. In seinem Referat beschäftigte er sich mit der Frage „Wer vertritt wen? Die repräsentative Demokratie im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Gefährdung“: „Demokratie ist keine Wohlfühlveranstaltung, sondern sie bedeutet die Herrschaft des Volkes und daher werden entscheidende Fragen von allen Bürgern auf Basis von Mehrheiten entschieden. Und natürlich können sich Mehrheiten gravierend irren – das bedeutet aber nicht, dass Minderheiten deswegen im Besitz der Wahrheit wären“, steht für Liessmann fest. Er nimmt derzeit eine andere Entwicklung wahr: „In einer Demokratie ist ein langer Atem notwendig um dafür zu sorgen, dass die eigenen Ideen mehrheitsfähig werden. Denn die Demokratie lebt vom Vertrauen in die Mehrheit. Doch in letzter Zeit suchen Gruppen nicht mehr Mehrheiten um ihre Anliegen durchzubringen, sondern agieren mit Hilfe von unterschiedlichen Netzwerken zur Interessensdurchsetzung.“
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- Festvortrag von Prof. i.R. Konrad Paul Liessmann
- 25 Jahre Landtag in St. PöltenLandtagspräsident Karl Wilfing (2.v.l.), Zweiter Präsident Karl Moser (l.) und Dritte Präsidentin Karin Renner (r.) feierten mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und dem Essayisten und Philopsophie-Professor i.R. Konrad Paul Liessmann, der den Festvortrag hielt, die Übersiedlung des Landtags von Wien nach Niederösterreich vor 25 Jahren.
- Foto 25 Jahre Landtag in St. Pölten IILandeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Landtagspräsident Karl Wilfing (l.) begrüßten den emeritierten Philosophie-Professor und Essayisten Konrad Paul Liessmann. In seiner Festrede anlässlich der Festsitzung „25 Jahre Landtag in St. Pölten“ setzte er sich mit der repräsentativen Demokratie auseinander.