Zusammenfassung
Antrag des Gesundheits-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-742-1/XX-2025 – Flächendeckender Gewaltschutz im medizinischen Bereich
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Dammerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt hat viele Gesichter. Sie kann körperlich, psychisch oder sexualisiert sein. Und sie kann Menschen aller Altersgruppen und Lebenslagen treffen. Wer Hilfe braucht, soll Hilfe bekommen. Zu Beginn meiner Ausführungen ist es mir ein zentrales Anliegen, etwas Klarheit zu schaffen: Was genau ist eine Gewaltambulanz und was ist sie nicht? Viele Menschen verbinden mit dem Begriff möglicherweise ein Bild, das der Realität nicht entspricht. Man denkt vielleicht an eine eigene Abteilung innerhalb eines Krankenhauses mit durchgehender Öffnungszeit rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, wo man nach einer ausführlichen Anamnese und forensischen Dokumentation auch medizinisch behandelt und gegebenenfalls stationär aufgenommen wird. Doch das genau bietet eine Gewaltambulanz nicht. Die beiden Gewaltambulanzen in Wien und Graz – wie bereits erwähnt – sind ausschließlich Untersuchungsstellen, die an gerichtsmedizinische Einrichtungen angebunden sind. Und – weil das Gewaltambulanzförderungs-Gesetz angesprochen wurde – Voraussetzung für so eine Gewaltambulanz und um Förderungen zu bekommen aus diesem Gesetz, ist die Installation einer Gerichtsmedizin. Wir haben in ganz Österreich insgesamt vier gerichtsmedizinische Standorte, keine in Niederösterreich. Die Gewaltambulanz Wien liegt in fußläufiger Entfernung zur Medizinischen Universität Wien und zum AKH, ist ausgeschildert und zuständig für Wien, Niederösterreich und das nördliche Burgenland. Das heißt, diese Gewaltambulanz steht, wenn gewünscht, auch allen Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern, deren Angehörigen und auch dem medizinischen Personal mit einer telefonischen Fachberatung zu klinisch-forensischen Fragen zur Verfügung. Die Gewaltambulanz Graz ist an die MedUni Graz angebunden, verfügt über einen eigenen Eingang und ein deutlich sichtbares Schild "Gewaltambulanz". Sie ist für die Steiermark, Kärnten und das südliche Burgenland zuständig. Diese Einrichtungen bieten eine kostenlose, opferorientierte und verfahrensunabhängige forensische Untersuchung an. Dabei werden Spuren an Körper und Kleidung gesichert und dokumentiert, für den Fall, dass sie in einem späteren Strafverfahren benötigt werden. Das speziell geschulte Personal informiert die betroffenen Personen über weitere Unterstützungsmöglichkeiten, wie Opferhilfeeinrichtungen, psychologische und rechtliche Beratungsangebote. Und jetzt brauche ich bitte die volle Aufmerksamkeit von Ihnen allen. Genau das, was ich soeben erwähnt habe, haben wir jetzt schon in Niederösterreich. Zentral gelegen? Nein, wohnortnah und flächendeckend in unseren 27 Landeskliniken. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Niederösterreich hat die Landesgesundheitsagentur einen qualitätsgesicherten, standardisierten Ablauf etabliert, der im Verdachtsfall eine fachlich fundierte, interdisziplinäre Versorgung ermöglicht. Diese Teams, bestehend aus medizinischem, pflegerischem und psychologischem Fachpersonal, sind speziell geschult, Gewalt zu erkennen, sensibel darauf zu reagieren und forensisch relevante Spuren fachgerecht zu sichern, auch wenn man sie nicht sofort braucht, sondern vielleicht erst später. Diese werden abschließend nach Mödling ins forensische Labor übermittelt. Ein zentraler Unterschied zur Gewaltambulanz: Unsere Kliniken in Niederösterreich stehen 24/7 für gewaltbetroffene Personen zur Verfügung, ebenfalls kostenlos, jedoch ohne Voranmeldung und mit unmittelbarer medizinischer Versorgung und der Möglichkeit einer stationären Aufnahme. Die Gewaltambulanzen in Wien und Graz hingegen sind nur eingeschränkt erreichbar. Etwa in Wien von Dienstag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr und am Wochenende durchgehend von Freitag bis Montag früh. Eine telefonische Voranmeldung ist erforderlich. In einem Flächenbundesland wie Niederösterreich muss Gewaltschutz zentral gedacht werden. Wer Hilfe braucht, soll die rasch, unbürokratisch und möglichst im gewählten Umfang erhalten können, ohne lange Anfahrtswege, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Denn stellen wir uns vor: Eine Frau, möglicherweise sogar begleitet vom Täter, soll in eine Ambulanz mit einem deutlich sichtbaren Schild "Gewaltambulanz" eintreten. Glauben Sie wirklich, dass sie sich das traut? Eine sehr engagierte, ausgebildete "Forensic Nurse" hat mir erzählt, dass es oft nur ein sehr kurzes Zeitfenster gibt, in dem ein Opfer bereit ist, sich zu öffnen. Ich wage zu behaupten, dieses Zeitfenster hält nicht von Zwettl nach St. Pölten oder Wiener Neustadt. Gerade auch bei Gewalt unter Einfluss von K.O.-Tropfen, deren Wirkung nur kurz nachweisbar ist, ist vor allem rasches Handeln essenziell. Gewaltopfer erleben unterschiedlichste Formen der Gewalt und gehen auch individuell mit ihrer Erfahrung um. Viele suchen leider nicht offen Hilfe, wie wir schon gehört haben, schämen oder fürchten sich, teils auch, weil der Täter direkt danebensteht. In vielen Fällen kommen Betroffene unter einem anderen Vorwand in die Klinik und es ist dann die Aufgabe des Klinikpersonals, sensibel, empathisch und aufmerksam zu reagieren. Unser Personal wird darauf umfassend geschult, angefangen bei der Aufnahme bis hin zu den behandelnden Fachkräften. Sie achten bereits auf nonverbale Signale wie Angst oder Schreckhaftigkeit, widersprüchliche Unfallangaben, Verletzungen an untypischen Stellen, eventuell auch multiple Hämatome unterschiedlichen Alters oder wiederholte nächtliche Ambulanzbesuche. Hier vorsichtig ins Gespräch zu kommen, ist der Schlüssel. Weiters kann dabei beobachtet werden, ob die eventuell mitgekommene Begleitperson ebenfalls Verletzungen aufweist und ob vielleicht schon im Wartebereich ein aggressives gewalttätiges Verhalten beobachtet werden konnte. Weiters kann geklärt werden, ob die Sicherheit der Patientin in Gefahr ist. Sollte dies der Fall sein, kann sofort eine stationäre Aufnahme angeboten werden und in jedem Fall wird der Kontakt zu klinischen Psychologen und Psychologinnen und der Sozialarbeit angeboten. Auf Wunsch der Patientin wird auch Unterstützung beim Erstellen einer polizeilichen Anzeige geboten. Diese wird nicht von Haus aus erfolgen, sofern keine Anzeigepflicht besteht. Unsere Mitarbeiter werden auch dahingehend regelmäßig geschult. Einführungskurse in die Materie sind stets sehr gut gebucht, meist ausgebucht, wurde mir bestätigt. Das große Interesse an diesem wichtigen Thema zeigt vom Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Landeskliniken. Weiters setzt die Landesgesundheitsagentur auf den regelmäßigen Austausch, auch mit anderen Bundesländern – gerade auch, weil Innsbruck erwähnt wurde – der Polizei und Gewaltschutzzentren sowie gezielte interne Sicherheitsschulungen. Es geht immerhin auch immer um die Sicherheit des Personals. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Opferschutzgruppen bringen ihre Erfahrungen aber auch in den jährlich stattfindenden Vernetzungskonferenzen ein. Hier sind auch Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive, der Behörden, Schulen, Kindergärten, Frauenberatungsstellen, die Männerberatung und viele andere mit an Bord. Diese regionalen Vernetzungskonferenzen wurden von unserer Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister ins Leben gerufen, finden jährlich in allen Gesundheitsregionen statt. Dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar und auch dankbar bei allen Beteiligten, die sich in diesem Prozess engagieren. (Beifall bei der ÖVP und Abg. Mühlberghuber.) Ein Danke ist auch gleichzeitig immer ein Bitte, verbunden mit der Bitte, auf diesen Auftrag hier am Ball zu bleiben, weiter auf Schulungsangebote zu setzen und die Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern zu intensivieren. Auch Hausärztinnen und Hausärzte sind hier wichtige Player, denn sie stehen schließlich in regelmäßigem Kontakt zur Patientin oder den Patienten und nehmen als Vertrauensperson eine wichtige Schlüsselrolle ein, besonders bei chronischer Gewalt. Denn Gewalt hat nicht nur akute, sondern oft auch langfristige gesundheitliche Folgen. Auch bei Kindern, die eventuell selber nicht von Gewalt betroffen sind, aber schon Zeuge von familiärer Gewalt sind und mitbekommen, dass eventuell die Mama misshandelt wird. Kinder leiden oft ein Leben lang – psychisch, aber auch physisch. Da wir in Niederösterreich an der besten Zukunft für unsere Kinder arbeiten, möchten wir daher auf etablierte und bestehende Ressourcen aufbauen, wie wir sie bereits haben, mit einem niederschwelligen Hilfsangebot über das ganze Bundesland verteilt, schnell, kostenlos und unbürokratisch. Dazu stehen wir als Volkspartei Niederösterreich. Und umso unverständlicher ist für mich die Aussage einer Gemeinderätin der GRÜNEN in Wiener Neustadt, die unserer Vizebürgermeisterin Erika Buchinger unterstellt hat, sie würde genau mit dieser Haltung Täterschutz betreiben. Diese Behauptung ist nicht nur grundlos, sondern zutiefst verletzend und sie verkennt leider die tatsächliche Arbeit, die bereits in Niederösterreich geleistet wird. Ich bitte, geschätzte Frau Klubobfrau, richte der Kollegin das in Wiener Neustadt bitte aus. Auch Worte können verletzen. (Beifall bei der ÖVP.) Denn auch Worte können verletzen. Das dürfen wir niemals außer Acht lassen. Wenn es um das Thema Gewalt geht, müssen wir all unsere Kräfte bündeln. Helfen wir jenen, die Gewalt erfahren haben rasch vor Ort und ohne Hürden! Bitte setzen wir uns auch gemeinsam für Prävention und Bewusstseinsbildung ein! Tragen wir das Wissen um unsere vielfältigen Unterstützungsangebote in Niederösterreich nach draußen! Und noch mehr: Lasst uns gemeinsam für mehr Zivilcourage, Prävention und Bewusstseinsbildung eintreten! Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
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- Landtagsklub der Volkspartei Niederösterreich
- Wahlpartei:
- LH Johanna Mikl-Leitner VP Niederösterreich