Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-711/XX-2025 – Mission Nobelpreis: Wissenschaft & Forschung als Grundlage für Topjobs und erfolgreiche Unternehmen im Land
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Hahn, MEd MA (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Präsident! Frau Landesrätin! Vielen Dank, dass Sie als Einzige der Landesregierung heute auch noch bei den Rednern der Aktuellen Stunde jetzt zur Wissenschaft auch noch beiwohnen. Geschätzte Damen und Herren im Hohen Landtag! Nachdem der Bezirk Tulln heute schon sehr häufig genannt wurde, erlauben Sie mir auch noch einmal einen kleinen Ausflug in meinen Heimatbezirk. Ja, stellen wir uns vor, der nächste Nobelpreisträger oder die nächste Nobelpreisträgerin kommt aus Niederösterreich, vielleicht geboren in Langenlebarn, zur Schule gegangen vielleicht in Tulln, studiert womöglich in Krems und weltberühmt geworden, nicht trotz, sondern wegen der Chancen, die dieses Land ihm oder ihr gegeben hat. Ich glaube, die Vorstellung gefällt nicht nur mir, die Vorstellung wird vermutlich uns allen im Raum sehr gut gefallen. Aber ich muss unsere Euphorie in dieser Hinsicht vielleicht doch etwas bremsen, denn ich sage schon ganz klar: Wenn diese Mission Nobelpreis, wie es die ÖVP jetzt genannt hat, tatsächlich mehr sein soll, als ein schöner Gedanke oder schöne Überschrift für eine Pressekonferenz, dann braucht es auch weit, weit mehr als schöne Hochglanzfotos und Presseaussendungen. Dann braucht es – und ich glaube, da müssen wir uns alle ganz, ganz ehrlich sein – in erster Linie Bildung. Da braucht es Chancen, da braucht es Chancengleichheit und -gerechtigkeit vor allen Dingen und da braucht es verlässliche Investitionen und zwar in eine Politik, die Forschung nicht nur feiert, sondern auch entsprechend schützt und unterstützt. Ja, die ÖVP betont heute völlig zu Recht, Forschung ist wichtig für Topjobs, für erfolgreiche Unternehmen und ich glaube, da gehen wir sicher alle in diesem Raum d'accord. Man darf aber schon so manches dabei in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Topjobs alleine nützen recht wenig, wenn nur ein sehr elitärer Kreis dazu überhaupt Zugang hat. Das ist einmal das eine. Erfolgreiche Unternehmen brauchen eben außerdem nicht nur Labors und die sonstige entsprechende Infrastruktur und Technik, sie brauchen vor allen Dingen bestens ausgebildete Menschen, faire Arbeitsbedingungen und auch verlässliche und stabile Rahmenbedingungen in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der SPÖ.) Und, ich glaube, ein Nobelpreis alleine kann nicht das Ziel sein, sondern das ist in Wahrheit und im besten Fall das Ergebnis einer klugen, langfristigen und zukunftsgerichteten Bildungspolitik und darauf müssen wir auch unseren Fokus richten. Dass Niederösterreich ohne Zweifel im Bereich der Forschung und Innovation viel zu bieten hat, das haben wir heute schon gehört in den zahlreichen Leuchtturmprojekten, wenn wir es so bezeichnen möchten, im Land: Natürlich in meinem Heimatbezirk das IST in Klosterneuburg, wo Grundlagenforschung im Bereich der Life Sciences wirklich auf Weltniveau betrieben wird und schon fast wöchentlich oder täglich die Forschungsgruppen zunehmen, das ist sehr positiv zu berichten. Das MedAustron haben wir heute schon gehört in Wiener Neustadt, wo im sprichwörtlichen und im wörtlichen Sinne tatsächlich Wissenschaft Leben retten kann. Die Technopole in Tulln, Krems, Wieselburg und sozusagen alle Knotenpunkte, die wir hier zwischen Forschung, Wissenschaft und Ausbildung haben, natürlich unsere Fachhochschulen, die wir haben im Land, die Donau-Universität Krems, die auch tatsächlich praxisnahe Forschung leisten und junge Menschen aus- und weiterbilden und dann natürlich auch Forschungseinrichtungen wie das ACR-Zentrum in Wieselburg, wo auch vor allen Dingen KMUs geholfen wird, auch innovativ zu bleiben und viele, viele mehr. Also die Leuchttürme gibt es, das ist sehr gut und sehr positiv, das ist eine starke Basis aus meiner Sicht. Aber das alleine reicht nicht. Wenn wir wirklich wollen, dass Forschung aus Niederösterreich weltklasse ist und bleibt, dann müssen wir schon viel, viel früher, nämlich ganz, ganz vorne ansetzen, und da muss ich meiner Vorrednerin von den NEOS zustimmen: Wir müssen ansetzen schon in den Kindergärten, in der Elementarpädagogik, in der Volksschule, in der Bildungspolitik ganz generell. (Beifall bei der SPÖ.) Denn eines ist auch klar: Ohne Bildung in weiterer Folge auch keine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Und ohne Wissenschaftlerinnen auch keine Innovationen, keine technologischen neuen Ansätze und keine technologischen innovativen Visionen. Und ohne diese Visionen und Innovationen auch keine Zukunft mit guten Jobs und fairer Arbeit. Wir sehen also, das ist ein Kreislauf, der einmal von ganz vorne beginnen muss. Und gerade jetzt, wo uns die künstliche Intelligenz ja scheinbar zu überrollen droht, muss man sich schon ganz genau überlegen: Wo geht es hin und wo kann und soll es überhaupt hingehen? Und wenn wir schon beim Beginn starten sollten, sollten wir uns vielleicht alle einmal die Frage stellen: Was ist denn Wissenschaft überhaupt? Wo beginnt Wissenschaft überhaupt? Und ich glaube, es ist in Wahrheit sehr profan, denn Wissenschaft beginnt vermutlich mit der essenziellsten Frage eines Kindes überhaupt, mit: Warum? Warum ist der Himmel blau? Warum geht ein Schiff nicht unter? Warum kann man aus Sonnenenergie Strom erzeugen? Und so weiter und so fort. Und ich glaube, unsere Verantwortung als politische Verantwortungsträger ist es auch dafür zu sorgen, genau dieses "Warum?", diese zunächst ja kindliche Neugier, dieses ganz genau wissen und verstehen wollen, wie was funktioniert, auch Dinge hinterfragen zu wollen, damit das alles nicht verloren geht, weil vielleicht das Geld fehlt, weil die Schule vielleicht nicht die nötige Ausstattung hat oder auch die Unterstützung nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist oder schlicht und einfach die Herkunft, der sozioökonomische Background der Eltern über einen Bildungsweg entscheidet... genau hier, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hat Niederösterreich noch viel, viel nachzuholen und aufzuholen, denn Forschung beginnt eben nicht erst auf der Uni oder im Labor. (Beifall bei der SPÖ.) Und so ganz nebenbei gesagt: Die Studierendenquote in Niederösterreich, die müssen wir uns auch ganz genau einmal anschauen, die liegt nämlich bei den unter 25-Jährigen um etliche Prozentpunkte unter dem Österreich-Durchschnitt. Also auch da ist noch Luft nach oben. Und noch einmal zurückzukommen: Forschung beginnt nicht erst auf der Uni, sie beginnt bereits in der Elementarpädagogik, im Kindergarten und das werden alle namhaften Bildungswissenschaftlerinnen Ihnen auch bestätigen. Und in Niederösterreich – so ehrlich müssen wir sein – ist das nicht oder zumindest nicht überall gänzlich angekommen. Was passiert tatsächlich in Niederösterreich? In Niederösterreich ist im Kindergarten der Vormittag als Bildungszeit anerkannt und der ist kostenlos. Das ist super und war in Wahrheit eine lange Forderung auch von der Sozialdemokratie, aber wie schaut es am Nachmittag aus? Der gilt dann nur mehr als Betreuung und kostet. Und das ist nicht nur ein finanzieller Stolperstein für viele, viele Familien. Diese Trennung in Bildungszeit und Betreuungszeit am Nachmittag, das ist in Wahrheit ein großes bildungspolitisches Missverständnis. Und ich gehe jetzt gar nicht genauer darauf ein, dass es gerade, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch wirklich in vielen Bereichen Niederösterreichs und in vielen Regionen Luft nach oben gibt – ich erwähne nur zum Beispiel das Mostviertel, wo gerade die VIF-konformen Kinderbildungseinrichtungen noch nicht überall sozusagen en vogue und Standard sind – also da gibt es noch viel zu tun. Daher müssen wir uns auch vergegenwärtigen als Landespolitiker: Der Kindergarten muss als erste Bildungseinrichtung wahrgenommen werden. Da geht es nicht um reine Betreuung, sondern da passiert Bildung und zwar ganztägig. (Beifall bei der SPÖ.) Gute Bildung darf keine Frage der Uhrzeit sein und schon gar nicht des Geldbörsels der Eltern oder vielleicht ihrer Herkunft. Und ganz ehrlich: Wer vom Nobelpreis spricht, der muss genau dort ansetzen – nämlich bei der frühkindlichen Bildung. Dann setzen wir den Schritt einmal weiter nach der frühkindlichen Bildung. Es geht hoffentlich mit einer optimalen Schulbildung weiter. Da geht es dann schließlich auch darum, zu verstehen, was man mit Datenerhebungen macht. Da geht es auch darum: Wie geht man mit Zahlen-, Datenreihen um? Wie können damit auch sinnvolle Aussagen getroffen werden? Wie arbeitet man überhaupt wissenschaftlich? Wie stellt man eine Hypothese auf? Wie entwickelt man eine Vision und vieles andere mehr? Das heißt, es braucht einfach auch von der Schulbildung weg, von der Volksschule weg über die Sekundarstufe 1 und 2 bis hin zur Universität entsprechende Möglichkeiten, auch tatsächlich Potenziale zu erkennen und auch zu fördern und auch – ja, unter Umständen – herauszufordern für den künftigen oder die künftige Nobelpreisträgerin. Und da möchte ich an dieser Stelle, weil es einfach ein bisschen das Bild in Niederösterreich auch widerspielt, nichtsdestotrotz, auch wenn es heute um Wissenschaft geht, die Schulkostenstudie der Arbeiterkammer Niederösterreich erwähnen, die erst kürzlich herausgekommen ist, und zwar die Forderungen, die ganz klar am Tisch liegen. Es braucht mehr Lehrpersonal, es braucht einfach bessere Betreuungsmöglichkeiten am Nachmittag, in den Ferien, es braucht kleinere Klassen, es braucht vor allen Dingen leistbare Bildung. Immer noch müssen Eltern für ein Kind und Schuljahr Minimum 2.000 Euro pro Jahr in die Hand nehmen, und das ist für viele Familien, gerade in Zeiten wie diesen, alles andere als einfach zu stemmen. Und dann kommt noch dazu ein gewisses Ungleichgewicht auch, was die Pflichtschule betrifft, im Rahmen der Mittelschule: Nämlich in Niederösterreich wird immerhin 1.000 Euro weniger für einen Mittelschulplatz finanziert. Österreichweit sind es im Durchschnitt 14.000 Euro, Niederösterreich gibt hier nur 13.000 Euro aus. Also da entsteht auch ein gewisses Ungleichgewicht. Das heißt, es braucht auch ein chancenindexiertes Bildungssystem, Schulsystem, und da kann auch das Land NÖ und muss das Land NÖ das Seine dazu beitragen. Wenn wir weiterschauen jetzt dann im universitären Bereich und tatsächlich dann konkret in der Forschung, geht es auch darum, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Da geht es um faire Arbeitsbedingungen für die Forschenden, Stichwort "Kettenverträge", die leider immer noch vielfach Realität sind und vieles andere mehr. Wenn wir noch einmal auf das IST Klosternneuburg zu sprechen kommen: Das hat sich ohne Zweifel – und da, glaube ich, sind wir uns alle einig – zu einem wirklichen Vorzeigestandort entwickelt mit vielen, vielen hundert Forschungsgruppen aus den unterschiedlichsten Ländern dieser Erde, also ein wirklich internationales Vorzeigeprojekt. Ich habe mir mehrfach bereits auch von der Qualität überzeugen können vorher, das ist wirklich großartig. Aber eines muss man schon bedenken: Das Publikum ist eben ein internationales. Ich sage jetzt einmal, österreichische Studierende sind da eher noch die Ausnahme und die Minderheit. Das heißt, ich muss wieder zurückkommen auf mein Eingangsstatement: Wäre es nicht noch eindrucksvoller, wenn der zukünftige Nobelpreisträger oder die Nobelpreisträgerin auch tatsächlich eine Niederösterreicherin, ein Niederösterreicher wäre? Positiv ist: Das Institut gerade in Klosterneuburg hat selbst auch wirklich tolle Programme auch, um Kindern und Jugendlichen die Welt sozusagen der Wissenschaft einmal bekannt zu machen und in diese eintauchen zu lassen. Aber ich denke, das dürfen keine Einzelprojekte sein – dort einmal ein bisschen ein Projekt und da ein kleines Projekt – sondern da ist auch in dem Fall die Landespolitik gefordert, Angebote auf der einen und Rahmenbedingungen auf der anderen Seite – nämlich schon in den Schulen – zu schaffen, sodass das eben kein Einzelereignis ist, sondern, dass das Standard wird und da haben wir auch noch viel, viel zu tun in unserem Bundesland. (Beifall bei der SPÖ.) Und ich weiß schon, das hat jetzt nur peripher direkt etwas mit der Wissenschaft zu tun, mehr indirekt, aber doch auch ein Thema, mit dem wir uns in Zukunft dringend beschäftigen werden müssen, ist gerade die immer steigendere und immer intensivere, zunehmende Wissenschaftsskepsis. Das heißt, man traut, man vertraut der Wissenschaft nicht mehr, so wie das vielleicht noch vor einigen Jahren der Fall war. Und ich glaube, da hat auch die Politik eine immense Vorbildwirkung und muss sich dieser endlich auch bewusstwerden, und da braucht es auch – ich weiß schon, das ist natürlich eine Bundesmaterie, aber nichtsdestotrotz darf es nicht unerwähnt bleiben – entsprechende Regelungen auch für Plattformen, wo durchaus auch wissenschaftsfeindlich agitiert wird, diskutiert wird, auch da gehören Regelungen eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.) Daher darf ich zur Zusammenfassung sozusagen noch einmal kommen: Mission Nobelpreis ja, natürlich, aber mit einer klaren Route: Investieren wir nicht nur in Hightech, sondern investieren wir auch vor allen Dingen in die Grundbildung von Anfang an, damit eben die Wissenschaft nicht nur zur elitären Nische wird, sondern zum öffentlichen Gut und diese auch dann für die Gesellschaft von Nutzen sein kann! Wir müssen faire Arbeitsbedingungen für die Forscherinnen schaffen, Schluss mit Kettenverträgen und allem, was da dazu gehört, endlich eine gewisse Sicherheit auch zu schaffen für die Arbeitsbedingungen. Fördern wir eben die Wissenschaft, die Lösungen bringt für die Pflege, fürs Klima – was heute schon Thema war – für die Regionen! Wir brauchen in der Wissenschaft schlicht und einfach Köpfe und diese Köpfe brauchen die Chance dazu, dort auch Fuß zu fassen. Und die Verantwortung, diese Chance zu schaffen, liegt bei uns in der Politik, jetzt in der Landespolitik. Dann – genau dann – kann der niederösterreichische Nobelpreis auch tatsächlich Realität werden. Nicht aus Zufall oder aus glücklichen Umständen, sondern weil wir gemeinsam die Voraussetzungen dafür geschaffen haben für ein Niederösterreich, das nicht nur wirtschaftlich stark ist, sondern das auch sozial gerecht ist, wissenschaftlich mutig und menschlich klug ist. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
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- Wohnbezirk:
- Tulln
- Klub/Fraktion:
- Klub der Sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Niederösterreichs
- Wahlpartei:
- Sozialdemokratische Partei Österreichs