Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-635/XX-2025 – Fairness in der Gesundheitsversorgung statt Verunsicherung von Patientinnen und Patienten in Wien
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Landesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich habe den Titel dieser Aktuellen Stunde als komisch empfunden. Ich finde, wir sollten uns lieber um die Patientinnen und Patienten in Niederösterreich und deren bestmögliche Versorgung kümmern und dann erübrigt sich wahrscheinlich auch einiges an dem Geplänkel mit Wien. Es wäre nämlich in Niederösterreich Fairness in der Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten mehr als angebracht. Und ich meine, ich erlebe es ja schon öfter: Die Behandlung von Patientinnen aus Niederösterreich in den Wiener Krankenhäusern, das kommt ja immer wieder. Es ist immer wieder Thema, und wenn man es beobachtet: Es ist meistens vor Wahlen. Und es ist für mich nur ein Symptom eines erkrankten Gesundheitssystems. Was mich aber stört, weil ich mich auf der Seite der Patientinnen einfühle, ist, dass diese diesmal unmittelbar betroffen sind, und da bin ich ehrlich gesagt sehr empfindlich. Denn egal woher Patientinnen und Patienten kommen und wo sie Behandlung brauchen, sie vor einen Wahlkarren zu spannen, das ist wirklich unfair. (Beifall bei den GRÜNEN.) Berechtigt finde ich daher den Ärger jener Patientinnen, denen ein bereits vereinbarter Operationstermin in Wien gestrichen wurde und die sich jetzt in Niederösterreich in der Warteliste wieder hintenanstellen müssen. Ja, wir haben jetzt schon ein paar Mal gehört, Wien bekommt von Niederösterreich unmittelbar oder mittelbar Geld für die Patientinnen und zuletzt auch ausverhandelt im Finanzausgleich 2023, von allen Beteiligten unterschrieben. Aber jetzt offenbar ist das Geld zu wenig oder sind die Patientinnen zu viel? Ja, weiß man nicht. Ich habe mir ein bisschen die Zahlen angeschaut. 2023 betrug der Anteil der Gastpatientinnen in den Wiener Fondskrankenanstalten 20,4 Prozent. Aus Niederösterreich an allen Patientinnen und Patienten in Wien war der Anteil 16,2 Prozent. Das sind 67.735 Patientinnen aus Niederösterreich. Also das ist der überwiegende Teil der Gastpatientinnen in Wien und um etwa 2.500 mehr als im Jahr davor. Ich habe mir auch die Zahlen von den vorhergehenden Jahren angeschaut und habe festgestellt: Das waren schon einmal wesentlich mehr, also im Jahr 2019 zum Beispiel über 80.000. Das ist jetzt aber das Thema von Wien. Was wir uns anschauen müssen, ist: Was ist denn in Wien überhaupt besser als in Niederösterreich? Oder noch anders gesagt: Was ist in Wien gefühlt besser als in Niederösterreich? Ist es nur ein Gefühl oder hat es eine reale Basis? Kommen die Patientinnen schneller dran? Gibt es mehr und bessere Spezialistinnen? Ist das Vertrauen höher? Gibt es ein höheres Sicherheitsgefühl oder was ist dran? Und die Frage, die daraus erfolgt ist: Was muss in den NÖ Landes- und Universitätskliniken anders werden? Und die Kollegin hat es schon gesagt: Wozu gibt es Bundesländergrenzen bei der Gesundheitsversorgung in unserem eigentlich sehr kleinen Österreich? Wären nicht Gesundheitsregionen in Summe für alle Beteiligten und zwar ohne Bundesländergrenzen wesentlich sinnvoller? Die so oft genannte Versorgungsregion Ost zum Beispiel. Oder ich sage es jetzt noch ein bisschen drastischer: Ist der Föderalismus Gift für die Sicherstellung der fairen Gesundheitsversorgung in Österreich? Nächste Frage ist: Was ist denn fair in der Gesundheitsversorgung? Wir haben hier so ein komplexes Finanzierungssystem und geteilte Kompetenzen, Bund, Länder, Sozialversicherungsträger, die sind verantwortlich. Die Ärztekammer mischt mit und auch Gemeinden. Da steht oft nicht das Wohl der Patientinnen im Vordergrund, sondern Kosten- und Aufgabenverteilungen. Und was wir auch wissen, aber man kann es nicht oft genug sagen: Die demographische Entwicklung, die immer spezifischer werdenden Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten und der Personalmangel stellen das Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen. Der Spagat zwischen dem Erhalt einer flächendeckenden und zugleich spitzenmedizinischen Versorgung – und zwar für alle – auf Basis einer solidarischen Finanzierung ist kaum mehr zu schaffen. Die Mehrklassenmedizin – wir wissen es alle, wir sind alle Betroffene – ist schon längst Realität. Wie, ob, von wem, wann und wo eine Patientin behandelt wird, hängt vom Wohnort, Alter, finanzieller Situation, Zusatzversicherung, Bildungsgrad, Beharrlichkeit und noch einigem anderen auch ab. Und liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich untragbar. (Beifall bei den GRÜNEN.) Trotz dem Bemühen vom ärztlichen und pflegerischen Personal läuft die Versorgung der Patientinnen aufgrund von Systemmängeln nicht optimal. Sie werden auch nicht dort versorgt, wo es für sie ideal wäre. Das verunsichert die Menschen. Und sie machen sich auf die Suche – auf die Suche nach der besten Behandlung. Sie wechseln vom Hausarzt zum Facharzt, vom Kassenarzt zum Wahlarzt, vom niedergelassenen Arzt in die Ambulanz und im Fall von unserem Thema der Aktuellen Stunde von Niederösterreich nach Wien ins Krankenhaus. Die Herausforderung ist also, alle Dienstleistungen des öffentlichen Gesundheitssystems rund um die Patientinnen und entlang der Krankheitsverläufe so zu organisieren, dass die Patientinnen zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle die richtigen Leistungen erhalten. Und dazu braucht es eine umfassende Strukturreform und klare, nachvollziehbare Patientinnenpfade – und zwar ohne Bevormundung der Patientinnen und ohne Bundesländergrenzen. Wir warten schon sehr neugierig darauf, Ende März wird das Ergebnis des NÖ Gesundheitspakt präsentiert. Das wird spannend. Zeigt es die notwendigen Maßnahmen auf? Können diese dann auch umgesetzt werden? Ich bin schon sehr gespannt, Herr Landesrat. Und eines wissen wir auch, aber es kann nicht oft genug gesagt werden: Die dringend notwendigen substanziellen Reformen sind nur dann möglich, wenn die bisher gewohnte, fast reflexartige, Verteidigung des eigenen Reviers von allen Beteiligten zugunsten von Zusammenarbeit, Kompromissen, Effizienz und Transparenz in der gesamten Gesundheitsversorgung hintangestellt wird. Und zwar nicht nur für Diagnose und Behandlung von Krankheiten, sondern für das gesamte Versorgungsspektrum. Das heißt inklusive Prävention, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung. Fair ist das System dann, wenn alle Personen zu diesen umfassenden Dienstleistungen im öffentlichen Gesundheitssystem den gleichen und auch niederschwelligen Zugang haben, unabhängig von den oben genannten Variablen und das in gleicher Qualität. Und die Aufgabe der Politik ist es, sicherzustellen und zwar das sicherzustellen: die bestmögliche und solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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