Zusammenfassung
Antrag des Landwirtschafts-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-508/XX-2024 – Berichte Ressort Landwirtschaft im Jahr 2023 – A: Wirtschaftliche und soziale Lage der Land- und Forstwirtschaft in Niederösterreich (Der Grüne Bericht); B: Tätigkeit und Wahrnehmungen der Land- und Forstwirtschaftsinspektion
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Hofer-Gruber(NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Landtag! "Stellen Sie sich vor, Sie fühlen sich als der Schirm- und Schutzherr einer Branche, die in den letzten 25 Jahren die Hälfte ihrer Betriebe und rund 40 Prozent der Erwerbstätigen verloren hat. Der Anteil dieser Branche am Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum von 3,6 auf 2,6 Prozent gesunken. Die Branche produziert häufig am Markt vorbei. Dementsprechend niedrig sind die erzielten Erzeugerpreise. Das Einkommen stagniert auf niedrigem Niveau. Die Pensionen sind im Branchenvergleich dieniedrigsten." Sie haben es vielleicht schon bemerkt: Die Branche ist die Land- und Forstwirtschaft und der Schirmherr ist die niederösterreichische ÖVP, hier vor allem in Form des Bauernbundes. Was Sie wahrscheinlich nicht bemerkt haben, das, was ich gerade vorgelesen habe, war der Beginn meiner ersten Rede zum Grünen Bericht in diesem Hause. Das war im Herbst 2018 vor sechs Jahren. Seither hat sich nicht viel verändert und das ist kein Wunder. Weil anders, als das von der ÖVP dargestellt wird, führt die Landwirtschaftspolitik in Niederösterreich zu keiner durchgängigen Erfolgsgeschichte. Landwirtschafts"politik" wohlgemerkt, bevor man mich wieder falsch versteht. Meine Kritik richtet sich an die Landwirtschaftspolitik, nicht an die vielen Landwirte, die unter harten Bedingungen ihre Felder bestellen, ihr Vieh züchten und die Landschaft pflegen. Nein, im Gegenteil, ich ziehe den Hut vor jeder Bäuerin, vor jedem Bauern, der seinen eigenen nicht draufhaut, nicht aufgibt und weiterhin seinen Hof bewirtschaftet. Und ich möchte Ihnen an ein paar Beispiele zeigen, wie diese ÖVP-Landwirtschaftspolitik in der Praxis aussieht. Da hat es den großen Aufreger gegeben – die Entwaldungsverordnung. Die Kollegin von der ÖVP hat die heute schon erwähnt. Über die wurde vor eineinhalb Jahren im EU-Parlament abgestimmt. Und diese Tage wurde beschlossen, deren Inkrafttreten um ein Jahr zu verschieben, weil noch viele Details offen sind. Die Verordnung, die die Zahl 2023-1115 trägt, wurde im EU-Parlament am 19.04.2023 beschlossen. Alle anwesenden ÖVP-Mandatare von Alexander Bernhuber bis zu Angelika Winzig haben zugestimmt. Der Entwaldungsverordnung zugestimmt. Aus freien Stücken und nicht wegen irgendeines Klubzwangs. Den gibt es nämlich im EU-Parlament nicht. 33 Abgeordnete ihrer eigenen Fraktion – nämlich der Europäischen Volkspartei – haben nicht zugestimmt. Das hindert Herrn Bernhuber nicht in seinem Blog am 2.10.2024 – also vor wenigen Tagen – anlässlich der Verschiebung des Inkrafttretens zu schreiben: "Ich begrüße das rechtzeitige Einlenken der EU-Kommission. Die angekündigte Verschiebung zeigt auch, dass der Einsatz unseres Bundesministers Norbert Totschnig sowie der Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer und so weiter in den vergangenen Monaten Früchte getragen hat." Der angesprochene Herr Totschnig ist bekanntlich Landwirtschaftsminister. Na hallo! Der hat ja Sitz und Stimme im Rat der EU, bei uns besser bekannt als Ministerrat, ohne den ja in der EU nichts geht. Na, da hat er ja dort sicher gegen diese fürchterliche Verordnung gestimmt. Mitnichten, meine Damen und Herren, mitnichten. Abstimmungsprotokoll des Rates vom 16. Mai 2023 – kann man alles nachlesen, die EU ist da Gott Dank viel transparenter als viele Länder und Gemeinden in Österreich, vor allem in Niederösterreich. Man kann dort sehen: 22 Stimmen dafür, fünf Enthaltungen. Unter den Ja-Stimmen: Österreich vertreten durch ÖVP-Minister Totschnig. Wieder so ein Fall, wo der Minister in Brüssel zwar zustimmt, aber nachher nichts mehr davon wissen will und konsequente Landwirtschaftspolitik, meine Damen und Herren von der ÖVP, schaut anders aus. Das nächste Beispiel, auch mit der EU verbunden: Renaturierung. Sie wissen, der große Aufreger um das Abstimmungsverhalten der Ministerin Gewessler, gegen die jetzt entgegen vollmundiger Ankündigungen doch nicht gerichtlich vorgegangen wird. Große Überraschung: Der Wahlkampf ist ja jetzt vorbei. Landeshauptfrau-Stellvertreter Pernkopf im Vorwort des Grünen Berichts – übrigens war haargenau derselbe Satz oder dieselben Sätze schon im Vorjahr zu lesen: "Die landwirtschaftliche Produktion ist Hauptbetroffener des Klimawandels. Das Extremwetter mit Dürre- und Hitzeperioden, Starkregen und erhöhtem Windaufkommen erschwert die Bewirtschaftung. Um die niederösterreichischen Bäuerinnen und Bauern finanzielle bei der Risikovorsorge zu unterstützen, wurden öffentliche Zuschüsse von Bund und Land zu Mehrgefahren- und Tierausfallsversicherung ausbezahlt." Schön und gut, aber offenbar ist es der ÖVP lieber, die Ernten werden niedergehagelt und weggeschwemmt, denn es zahlt eh die Versicherung und das wird halt von Jahr zu Jahr mehr, jammer, jammer, aber gegen die Ursachen tun wir nichts. Verklagen wir lieber die Ministerin oder doch nicht, wie man jetzt weiß. Und Ihre Sonntagsreden, meine Damen und Herren von der ÖVP, stimmen auch mit der Realität in den Bauernhöfen nicht überein. Die hochgelobte, kleinstrukturierte Landwirtschaft verschwindet zusehends. Wachstum gibt es nur bei Betrieben, die über 50 Hektar bewirtschaften. In Österreich gilt das als großer Betrieb, international sind das ohnehin Mini-Betriebe. Besonders deutlich wird der Trend zu Großbetrieben bei der Schweinehaltung. Im Jahr 2020 – neuere Zahlen gibt es nicht, wir haben zwar 2024, aber die letzten Zahlen sind aus 2020 – standen 38 Prozent der Schweine in Betrieben mit mehr als 800 Tieren. Mit mehr als 800 Tieren. Meine Damen und Herren, das hat mit Bauernhöfen nichts zu tun, das sind Fabriken. Und Landwirten, die aus dieser ÖVP-Bauernbund-Raiffeisen-Linie ausscheren wollen, wirft man Prügel vor die Füße, wie etwa dem Betrieb der Brüder Hubmann in Gerersdorf. Und diese unehrliche Politik wird nicht einmal mehr von ihrer Kernwählerschicht mitgetragen, meine Damen und Herren von der ÖVP. Sie sind die einzige größere Partei, die bei den vergangenen Nationalratswahlen in keiner einzigen Gemeinde in Niederösterreich Stimmen zulegen konnte. Sie haben in jeder Gemeinde Stimmen verloren. Denken Sie doch einmal darüber nach, warum die FPÖ gerade in landwirtschaftlich geprägten Gebieten so stark geworden ist, obwohl sie klar gegen die heimische Landwirtschaft positioniert ist, mit ihrer Ablehnung der EU und ihrer Ausländerfeindlichkeit, wohl wissend, dass ohne die EU-Subventionen und ohne ausländische Erntehelfer und Waldarbeiter die niederösterreichische Landwirtschaft zusammenbrechen würde. Zum Abschluss jetzt noch ein paar Zahlen aus dem Bericht: Die Anzahl der Biobetriebe, genauer der Betriebe, bei denen mindestens ein Teilbetrieb die Biokriterien erfüllt, steigt langsam, aber doch auf 24,3 Prozent der Betriebe, die 26,2 der landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaften. Das ist aus Konsumentensicht erfreulich. Die Förderungen der EU für die heimische Landwirtschaft betrugen im Jahr 2023 rund 389 Millionen Euro. Ich bin schon neugierig, ob den Kollegen von der FPÖ dazu etwas anderes als "Wahnsinn" oder "Irrsinn" einfällt. Positiv auch: Sowohl die Anzahl als auch die Teilnehmerzahlen bei Bildungsveranstaltungen zeigen nach oben. Zunächst durchaus widersprüchlich: "Die Produktion der niederösterreichischenBetriebe", ist im Vorwort des Berichts zu lesen, "könnte über den Umweg des durchschnittlichen Kalorienverbrauchs gerechnet 7,3 Millionen Menschenernähren". Also fast ganz Österreich. Niederösterreich steht aber nur für 31 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion in Österreich. Dennoch ist bei den wenigsten Produktgruppen die Selbstversorgung Österreichs gewährleistet. Bei Schweinefleisch, Eiern und Käse beträgt der Selbstversorgungsgrad so rund 100 Prozent, bei wenigen Produkten liegt er weit darüber, vor allem Trinkmilch, aber auch Zwiebel und Rindfleisch. Und bei allen anderen landwirtschaftlichen Produkten, meine Damen und Herren, darunter Fisch – ist nicht erstaunlich – Zitrusfrüchte auch nicht, aber auch Geflügel, Obst, Gemüse und Getreide liegt das Selbstversorgungsgrad deutlich unter 100 Prozent. Was sagt uns das? Teilweise werden die falschen Produkte erzeugt. Weil, wenn es schon Überproduktion gibt, noch mehr dort hineinzustecken, ist vielleicht für die Preise nicht ganz so toll, das lernt man in der Schule. Aber auch ein großer Teil der inländischen Produktion landet eben nicht in heimischen Küchen, sondern in Futtermittel- und Industriebetrieben, die dann Stärke, Biosprit und andere Stoffe herstellen. Und dann wird natürlich fleißig exportiert und zwar durchaus auch Produkte, von denen wir im Inland zu wenig herstellen und die Inlandsnachfrage nicht decken können. Und auf die Exporte sind wir stolz. Aber dass wir nicht nur Erntearbeiter, sondern auch jede Menge Lebensmittel importieren, wird gerne verschwiegen, vor allem von denen, die in jedem Import gleich das Ende der heimischen Landwirtschaft sehen. Und zeitgemäße Landwirtschaftspolitik sollte sich auch konstruktiv dem Thema Außenhandel widmen und sich nicht darin erschöpfen, den Freihandel und die Abkommen, die ihn regeln, immer gleich als Teufelswerk zu sehen. Die Kenntnisnahme dieses Berichts zu uns bezieht sich ausschließlich auf die beschriebenen Daten und Fakten, nicht auf die dahinterliegende Landwirtschaftspolitik in Niederösterreich. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)
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