Zusammenfassung
Antrag des Sozial-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-192/B-52-2023 – NÖ Sozialbericht 2022
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Landesrätin! Hohes Haus! Ich kann meiner Vorrednerin nur zustimmen. Der Sozialbericht gibt grundsätzlich einen sehr guten Überblick über die Sozialleistungen. Ich möchte mich auch bei den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen Bericht herzlich bedanken. Trotzdem werden wir diesem Bericht nicht zustimmen – aus politischen Gründen. Denn politisch gesehen ist dieser Sozialbericht fad. Man bekommt das Gefühl, es bewegt sich gar nichts. Ich beschäftige mich schon wirklich einige Jahre – Toni, du weißt es – sehr genau mit diesen Berichten und ich stelle jedes Jahr eigentlich das gleiche fest. Ich greife jetzt ein paar Themen ganz kurz heraus: Die restriktive Sozialhilfe, Stichwort „Wohnbedarf“, zwingende Sachleistung. Da gibt es einige Förderungen, die sind seit fast 20 Jahren gleich – z. B. Notruftelefon, Adaptierung Kfz, Umbauten bei Wohnungen, für Gemeinden zur Anstellung von pflegerischen Hilfskräften und auch die mobilen Hospizteams erhalten seit Jahren gleich hohe Subventionen. Das kann es ja nicht sein. Dann haben wir den restriktiven Zugang zur persönlichen Assistenz. Jetzt gibt es das Angebot von einheitlichen Rahmenbedingungen für persönliche Assistenz mit großzügigen Budgetmitteln vom Bund – 100 Millionen in Summe sind das. Niederösterreich verweigert. So. Großen Nachholbedarf gibt es auch bei der Inklusion von Kindern mit Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten in Kindergärten und Schulen – habe ich hier auch schon ein paar Mal gesagt. Es kommt einem vor, hier bewegt sich gar nichts Wesentliches. Schwierige Kinder werden nicht entsprechend integriert. Sie haben oft nur kurze Anwesenheitszeiten im Kindergarten. Zwei Stunden am Tag oder gar nur drei Tage in der Woche eineinhalb Stunden, müssen bei Kleinigkeiten überhaupt zu Hause bleiben, von Nachmittags- und Ferienbetreuung in einigen Fällen ist überhaupt nicht die Rede. Man muss ja an die betroffenen Familien denken. Die fühlen sich echt als Bittsteller und alleingelassen. Sie rennen von Pontius zu Pilatus – sprichwörtlich – und bleiben trotzdem auf der Strecke. Dann gehen wir weiter zu den Palliativbetten an den Kliniken, weil das auch Thema ist im Sozialbericht. Die Zahl ist für mich nicht nachvollziehbar, vielleicht ein Rechenfehler. Mindestens aber fehlen 30 Betten, wenn man den regionalen Strukturplan Teil 1 ernst nimmt. 83 sollen es sein und ich kann auch keine Perspektive erkennen, dass bis 2025 dieses erfüllt werden könnte. Vorsorgedialog 18 von 105 Einrichtungen – auch bescheiden. Das sind jetzt ein paar kleine Bereiche gewesen. Ich möchte mich zwei Bereichen ein bisschen ausführlicher widmen, wo es meiner Meinung nach einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Das ist einmal die Zahl der armutsgefährdeten Personen. Die ist wieder gestiegen auf 14,8 % der Bevölkerung, und wir haben es alle gehört – vorgestern, glaube ich, war es – die Ergebnisse der WIFO-Studie, wo es vor allem große Unterschiede gibt zwischen Haushalten mit Kindern und ohne Kinder und jüngeren und älteren Haushalten. Und das muss uns schon zu denken geben, dass die Kinderarmut und die Armut der „jüngeren“ Haushalte deutlich größer geworden sind. In dem Zusammenhang auch von der Caritas die Information, dass die Sozialberatungen um 50 % angestiegen sind. Jetzt konnten die Auswirkungen der Teuerung der letzten zwei Jahre zum Teil durch Hilfen wie Einmalzahlungen abgefedert werden. Auch ganz wichtig die Valorisierung der Sozialleistungen. Dennoch sehe ich hier wirklich einen großen Handlungsbedarf. Ich bin ja sehr in gutem Austausch und Kontakt mit Sozialarbeiterinnen, die wirklich an der Basis arbeitet. Und was sie sagen und was ihnen am meisten Probleme macht ... dass es fast unmöglich ist, einmalige Aushilfen zu bekommen, wenn jetzt finanzielle Not da ist, der berühmte Kühlschrank oder Waschmaschine, die kaputtgehen. Früher war das möglich. Da konnte man z. B. im Rahmen von Einzelfallhilfen, von Hilfen in besonderen Lebenslagen auch mit Zuschüssen von verschiedenen Vereinen wie Lions, Kiwanis etc. oder durch Zusatzleistungen aus der Sozialhilfe in besonderen Härtefällen leichter an solche Einmalhilfen kommen. Das ist momentan kaum mehr möglich, weil die alle am Limit sind. Es braucht eine Reform der Sozialhilfe. Die Richtsätze sind zu niedrig und die restriktive Umsetzung in Niederösterreich gehört auch einmal gelockert. Einzelfallhilfen müssen wieder notwendig sein. Das ist für mich ganz etwas Wichtiges. Und der Zugang zu Leistungen aus der Sozialhilfe muss auch österreichweit einheitlich sein. Auch ich komme noch einmal kurz zum Bereich Pflege. Wenn man den Bericht ein bisschen querliest, dann fällt Folgendes auf: Es gibt eine deutliche Zunahme der Menschen 60plus. Ja, das wissen wir alle. Es gibt einen Anstieg der Pflegegeldbezieherinnen – laut Bericht – von 807 Personen. Und dem gegenüber stehen aber bei den mobilen Diensten 250 Mitarbeiterinnen weniger, 4 Sozialstationen weniger. Das heißt, monatlich durchschnittlich um 380 betreute Personen oder 260.000 Einsatzstunden weniger. Essen auf Räder – erneut ein Rückgang um 18.000 Portionen. Deutlicher Rückgang beim Notruftelefon um 1.500. Die Devise „mobil vor stationär“ ist mit dieser Entwicklung einfach nicht umsetzbar. Dann haben wir die Pflegeheime – wissen wir auch – über 10.000 Betten. Pflegeplatz ist schwer zu bekommen. Viele Pflegebetten können nicht belegt werden – wissen wir auch. Es bleibt immer mehr an den Familien hängen und ich sage es hier zum wiederholten Male: Wir brauchen mehr Tagespflegeplätze. Wir brauchen mehr Übergangspflegeplätze und wir brauchen mehr Kurzzeitpflegeplätze. Wir brauchen mehr mobile Ergo- und Physiotherapeutinnen, und wir brauchen flächendeckend Community Nurses zur direkten Unterstützung der Familien. Ich sage es einmal so: Die Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte rächen sich halt jetzt. Aber die demographische Entwicklung und auch die Entwicklung der Personalentwicklung und die Altersstruktur in den medizinischen und Pflegeberufen ... das ist keine Überraschung. Das war absehbar. Ich ärgere mich noch immer maßlos darüber, dass wir – obwohl wir das gewusst haben – noch vor ein paar Jahren Ausbildungsplätze in der Pflege gestrichen haben, Krankenpflegeschulen großzügig geschlossen haben, obwohl wir diese Entwicklung schon vorhersehen konnten. Eines möchte ich auch noch heute sagen: Zusätzlich wird von der FPÖ eine derart ausländerfeindliche Stimmung produziert, dass das Pflegepersonal, das gerne zuwandern mag, nach Österreich lieber nicht kommt, sondern vielleicht nach Deutschland oder in die Schweiz oder sonst wo hingeht. Wenn es aber dann darauf ankommt, dann bin ich sicher, dass auch ihr, Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, dankbar eine ausländische Pflegekraft aufnehmt, bevor eure Angehörigen ohne Pflege und Betreuung dastehen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Eines möchte ich auch noch ausdrücklich feststellen: Es hilft auch niemandem, diesen Bereich noch mehr krankzujammern und in Grund und Boden zu jammern. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit zwei Pflegepersonen, die glücklich sind in ihrem Beruf und die sagen: „Wir möchten jetzt endlich, dass Ruhe ist mit diesem Krankjammern von unserem Beruf. Das Schlechtreden tut uns nichts Gutes, das hält Menschen ab in den Beruf zu gehen. Der Großteil des Pflegepersonals arbeitet gern im Beruf, empfindet hohe Zufriedenheit und hohe Sinnhaftigkeit im Beruf.“ Und – auch nichts Neues – die Rahmenbedingungen sind ausschlaggebend. Das gehört verbessert und hier passiert zu wenig. Der zusätzliche Nachtdienst, der jetzt in manchen Pflege- und Betreuungszentren eingeführt wird ... ja, das ist ein erster Schritt, das begrüße ich sehr, ist aber zu wenig. Ich habe hier wiederholte Male Maßnahmen vorgeschlagen. Das mache ich heute nicht. Das ist bekannt. Ich warte geduldig oder ungeduldig auf weitere Aktivitäten und möchte das auch im nächsten Bericht gerne nachlesen. Dankeschön. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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