Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-87/A-8/4-2023 – Gesundheitsversorgung sichern, Ärztemangel bekämpfen
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Willkommen im Haus des Populismus! Die Gesundheitsversorgung ist eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft und deshalb muss – ich wiederhole – muss sie auf der Sachebene gelöst werden und zwar mit Expertinnen und Experten. Das ist aber ganz, ganz schwer, wenn politische Parteien am Ruder sind, denen der Erhalt der Macht immer vor jede sachliche Lösung geht. Halten wir einmal die Fakten fest: Wir haben noch ein sehr gutes Gesundheitssystem und zwar dann, wenn es um die Spitzenmedizin geht, wenn es um die Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte, der Pflegekräfte, der anderen in den Gesundheitsberufen Tätigen geht und hier an dieser Stelle auch ein großes „Danke“ an die Beschäftigten in dieser Branche, denn das ist allein ihr Verdienst und ganz sicher nicht das der Landespolitik. (Beifall bei den NEOS und LR Königsberger-Ludwig.) Punkt 2: Wir haben große Baustellen. Das hat der Kollege Dinhobl auch schon zu Recht angesprochen – nämlich wenn es um die Verfügbarkeit von Kassenärzten geht, wenn es um die niedergelassene Versorgung im weiten Land geht und auch wenn es um die Versorgung chronisch Kranker geht und nicht zuletzt was die Gesundheitskompetenz und die Prävention betrifft. Drittens, ja, wir haben einen Personalnotstand ganz besonders in der Pflege, aber auch im ärztlichen Bereich in den oben angesprochenen Bereichen, weil in Summe muss man schon sagen, dass wir im europäischen und auch im OECD-Vergleich deutlich mehr Ärzte haben als in anderen Ländern. Sie sind nur nicht immer dort, wo wir sie brauchen. Trotzdem glaubt diese Landesregierung noch immer es sei eine gute Idee mit dem Populismus der letzten Jahre weiterzumachen, mehr von diesen grandiosen Ideen einzubringen, für die die ÖVP seit Jahren verantwortlich ist und die bislang nicht zum Erfolg geführt haben. Ich erinnere an Landarztgarantie – ein Rohrkrepierer, die blau-gelbe Gesundheitsoffensive, ganz frisch vom Anfang dieses Jahres – eine Totgeburt und neuerdings wieder die aufgewärmte Debatte um noch mehr Studienplätze in der Medizin. Auf die komme ich später noch zu sprechen. Das geht ja völlig am Ursache-Wirkungskreislauf vorbei, aber es klingt nach Einsatz und darauf kommt es schließlich an, wenn nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. Wo bleiben die Lösungen, sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung, würde ich gerne hier sagen, um auch die anderen noch mit hineinzunehmen, denn die Gesundheitskompetenzen sind ja so aufgesplittert in dieser Landesregierung, damit man möglichst keinen Nicht-ÖVP-Landesrat/Landesrätin, der sich etwas auf die Fahnen heften kann und ganz besonders, damit möglichst auch niemand die Verantwortung übernehmen muss. Da sind wir schon bei den ersten Fehlern im System: Kompetenzzersplitterung, Intransparenz, Geldvernichtung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Blackbox Landesgesundheitsagentur. Seit Jahren dröhnendes Schweigen, wenn Abgeordnete Anfragen stellen im Bereich der Landeskliniken oder der pflegenden Betreuungseinrichtungen – wegen der tollen Synergieeffekte wurden die ja zusammengefasst in die Landesgesundheitsagentur. Wozu Sie sich überhaupt die Mühe machen? Leider sind die Landesrätinnen und Landesräte und auch die Frau Landeshauptfrau von der ÖVP heute nicht anwesend, bringen zwar die Parteikollegen eine Aktuelle Stunde zu einem wichtigen Thema ein, aber es ist offensichtlich nicht notwendig oder es gibt wichtigere Dinge, warum man heute hier nicht anwesend sein kann. Aber das möchte ich schon festhalten: Warum man sich überhaupt die Mühe macht diese Kompetenzverschiebung vom Herrn Pernkopf zum Herrn Schleritzko zu machen? Dazu frage ich mich eigentlich schon, weil ich meine, das Türschild auswechseln und den Textbaustein „bin nicht zuständig“ das hätte der Herr Pernkopf auch weiterhin noch geschafft in Anfragebeantwortungen hineinzupacken. Was Sie in der Aktuellen Stunde fordern, ist natürlich in erster Linie ein Ablenkungsmanöver mit dem der Bevölkerung Bewegung vorgegaukelt wird. Mehr Studienplätze – so, jetzt kommt die Bezeichnung „Numerus clausus-Flüchtlinge“ dazu ... und das finde ich besonders fies – der Herr Kollege Ebner wird das wahrscheinlich hinterher dann noch erklären, warum Sie so etwas tun oder warum Sie so etwas benennen – denn der Flüchtlingsbegriff ist natürlich in den letzten Jahren ganz stark negativ konnotiert worden allgemein, aber ganz besonders, wenn es von der ÖVP oder von der FPÖ kommt. Und jetzt frage ich mich wirklich ... also man kann schon fast sagen, dass es zu einem Schimpfwort gekommen ist, wenn ich vor allem die Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ mir noch in Erinnerung rufe von der letzten Aktuellen Stunde ... und da frage ich mich schon, wie die Frau Landeshauptfrau, die zuständig ist hier für die Menschen in diesem Land, wie sie wirklich guten Gewissens die jungen Menschen, die sich legitim bewerben um ein Studium – in dem Fall ein Medizinstudium – die ein Aufnahmeverfahren durchlaufen ... die müssen nämlich den Aufnahmetest auch schaffen und die innerhalb einer gewissen Quote auch angenommen werden können ... das haben wir auch im Übrigen durchgesetzt, um die Verfügbarkeit ausreichender Absolventenzahlen in Österreich zu gewährleisten ... was sie sich dabei denkt, die jungen Menschen so zu diskreditieren? Was ist das für ein Umgang mit unseren Nachbarn? Keine Ahnung vom Medizinstudium offensichtlich und von den Aufnahmekriterien, aber mit einer Pressekonferenz einen Rundumschlag machen. Ich nehme an, dass sie eh auch die Flüchtlingsbewegung in die Gegenrichtung im Blick hat. Es gibt nämlich auch sehr viele österreichische Studierende, die nach Deutschland gehen mit Top-Maturazeugnis oder ... die jeweiligen Unis sind ja unterschiedlich ... und dort studieren. Kommen dort auch 75 % wieder zurück? Weil dann wäre es ja, je nachdem ... Größenordnung, ob die stimmt ... aber dann wäre es ja ein Nullsummenspiel. Aber wahrscheinlich ist das nicht die Ursache, warum die Leute abwandern. Wahrscheinlich stimmen die Bedingungen hier nicht, denn sonst müsste man sich ja darum reißen, egal ob man hier ausgebildet wurde oder im europäischen Ausland, dass man hier tätig sein darf. Vielleicht sollte man darüber einmal nachdenken, bevor man mit solchen politischen Sagern da hinausgeht und auch so viel zerstört an nachbarschaftlichen Beziehungen. Nachdenken im Sinne auch der Wirtschaft ist ja ... neuerdings ist ja die Frau Landeshauptfrau auch für die Wirtschaft zuständig. Ich frage mich schon, ob sie solche Dinge zu Ende denkt oder ob sie das einfach rauslässt, weil jetzt brauchen wir einmal wieder einen neuen Sager. Wir bilden einerseits genug Ärzte und Ärztinnen aus und können dann nicht nur die deutschen Absolventinnen und Absolventen nicht im österreichischen System halten. Denn das haben wir auch vor ein paar Jahren ... diese Studie gesehen, dass, ich glaube, 40, 50 % der hier ausgebildeten Absolventen aus einem Jahrgang gar nicht in Österreich im ärztlichen System bleiben. Oder noch eine andere bestechende Idee ist auch in den letzten Jahren gekommen: mehr Kassenordinationen ... vom Herrn Bundeskanzler sogar ist das gekommen, dass es mehr Kassenordinationen braucht. Das, denke ich mir ... einmal ganz kurz nachgedacht: Aha, ich kann die bestehenden Kassenordinationen nicht besetzen. Gute Idee, wir machen mehr davon. Dass das Gesundheitswesen in diesem Land noch halbwegs funktioniert, das haben wir allen zu verdanken, nur nicht dieser Landesregierung, insbesondere nicht der ÖVP, die für diesen Bereich verantwortlich ist, ein Projekt nach dem anderen versemmelt. Jawohl, versemmelt und zwar mit Pauken und Trompeten. Aber was ist zu tun? Der Kollege Kainz hat in der vorigen Aktuellen Stunde gemeint, wir würden nur immer alles besser wissen. Ich fürchte, es ist ein bisschen auch die Frage, ob man sich gegen Expertenmeinungen wehrt oder ob man die überhaupt einholt und wenn man nämlich die Betroffenen fragt, dann kommt dann doch immer wieder sehr viel Sinnvolles raus. Also man kann durchaus sagen, dass wir da gerne mit Vernunft arbeiten. Schauen wir uns das an, was nämlich tatsächlich ein nachhaltig leistbares und nachhaltig wirksames Gesundheitssystem braucht? Schauen Sie sich Länder an, die Resultate erzielen, Länder wie z. B. Dänemark – das ist gut vergleichbar mit Österreich, jetzt von der Einwohnerzahl ein bisschen geringer – die haben vom Gesundheitssystem Top-Noten in allen Bereichen, mehr gesunde Lebensjahre als Endergebnis sozusagen, einen hohen Glücksfaktor. Man muss lernen davon und statt sich in eine Festung zu verschachteln, wie das der Koalitionspartner gerne vorschlägt, wäre es vielleicht wichtiger sich die wirklichen, befreundeten Nachbarstaaten, wie die manche Sachen gelöst haben, auch anzusehen. Zweitens: Die Finanzierung neu regeln. Treten Sie im Rahmen der Zielsteuerung für einen gemeinsamen Finanzierungstopf ein! Herr Kollege Dinhobl, Sie haben es ja gesagt: Da muss sich etwas tun im Leistungskatalog, bei den Honoraren. Ja, aber da hat das Land auch einen Hebel. Im Rahmen der Zielsteuerung haben wir eine Möglichkeit oder haben Sie eine Möglichkeit hier auch Forderungen aufzustellen und sei es auch, wenn man Kompetenzen als Land vielleicht abgeben muss, wenn das dem Gemeinwohl und der Gesellschaft und den Menschen in diesem Land dient, dass die Kompetenzen neu geregelt werden ... bitte tun wir das! (Beifall bei den NEOS.) Dritter Punkt: Treten Sie in Verhandlung mit den Sozialversicherungsträgern und schaffen Sie gemeinsam attraktive Bedingungen für die Kassenordinationen! Hilfreich ist die Aussage vom Kollegen Dinhobl hier nicht, wenn er sagt: „Die Leute gehen deshalb in die Krankenhäuser, weil sie dort ja eine andere Qualität haben.“ Wie kann man so etwas sagen, wenn man das Gesundheitssystem auch nur ein bisschen kennt? Es geht ja darum, dass der „Best Point-of-Care“ oder die beste Stelle, wo die Menschen die Hilfe bekommen, die sie in dem Moment brauchen, dass sie da hingehen, und sie gehen deshalb dann in die Ambulanzen, weil sie keinen niedergelassenen Arzt vorfinden ... also das so umzudrehen und dann zu sagen, jetzt attraktivieren wir die Bedingungen im niedergelassenen Bereich, wenn die Landespolitik sagt: „Ja, weil die höhere Qualität wäre schon im Spital zu finden.“ Viertens – ich habe fünf Punkte – investieren wir in Gesundheitskompetenz und Prävention. Das sind Investitionen, die sich langfristig und nachhaltig immer rechnen und die muss ich gar nicht nur in Geld messen, aber dort wird es sich auch niederschlagen, sondern auch in Lebensqualität und in gesunden Lebensjahren.
Präsident Mag. Wilfing: Frau Abgeordnete, ich muss Sie auf die Zeit hinweisen.
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Ja, ich mache den Schlusssatz. Also ich verweise auch noch auf die Zukunft von E-Medizin, „Artificial Intelligence“ hat der Herr Kollege schon angesprochen, also da bitte darauf zu achten, dass wirklich geforscht, investiert und umgesetzt wird und nicht mit leeren Versprechungen das gemacht wird. Aber solange wir Gießkannenzahlungen und mehr vom Selben haben, wird es nicht weitergehen. Ich schließe, Herr Präsident, mit Goethes „Faust“ – das war übrigens auch ein Absolvent des Studiums der Medizin, noch dazu ein Deutscher, wir wollen ihn trotzdem zitieren: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!“ Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
Abweichungen zwischen Text und Video möglich.
Zur Person
Kontaktdaten
- Wohnbezirk:
- Mödling
- Klub/Fraktion:
- Landtagsfraktion der NEOS Niederösterreich (ohne Klubstatus)
- Wahlpartei:
- NEOS – Das Neue Niederösterreich