Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-87/A-8/4-2023 – Gesundheitsversorgung sichern, Ärztemangel bekämpfen
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Landesrätin! Hohes Haus! Es ist schon einigermaßen bezeichnend, worüber wir heute auf Antrag der ÖVP hier im Hohen Haus sprechen. Gesundheitsversorgung sichern, Ärztemangel bekämpfen. Bitte nicht falsch verstehen: Das Thema ist ein ganz zentrales und mir persönlich ganz besonders wichtig. Und der Druck auf Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken und im niedergelassenen Bereich ist enorm hoch, das wissen wir alles. Aber es sind bitte eure Versäumnisse, liebe ÖVP, die uns dort hingebracht haben, wo wir jetzt stehen. Ihr wart Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, im Bund in der Regierung. Ihr habt Niederösterreich allein beherrscht, Jahre und Jahrzehnte. Was ist da los? Ihr habt uns dort hingeführt, wo wir jetzt sind. Es sind eure Versäumnisse. Und im Boot mit der SPÖ und FPÖ habt ihr über Jahrzehnte jede notwendige Gesundheitsreform verhindert. Da braucht es jetzt einen Gesundheitsminister, Johannes Rauch, der ausspricht, was Sache ist und auch Druck auf die vielen Player ausübt – und zwar die ÖGK, die Interessensvertretungen wie die Ärztekammer und die Länder natürlich. Es ist – ich sage es mit aller Deutlichkeit – jetzt endlich Zeit, dass es einmal um die Menschen geht, um die Patienten und Patientinnen geht und nicht um Pfründe sichern, Finanzierungen rittern und Machtpositionen sichern. (Beifall bei den GRÜNEN.) Das Problem „Ärztinnenmangel“, liebe Kolleginnen und Kollegen, das fällt ja nicht vom Himmel. Die demographische Entwicklung ist uns bekannt. Die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte ist uns bekannt und nicht erst seit gestern und ... hm ... die Verlagerung zum Wahlarztbereich ist uns auch bekannt seit Jahren. Das beobachten wir ja die ganze Zeit. Die Ärztinnen und Ärzte lassen sich halt einfach nicht mehr entmündigen – weder von den Krankenkassen vorschreiben, wie viele EKGs und Blutuntersuchungen sie machen dürfen, noch von strengen Hierarchien in den Landeskliniken und schon gar nicht vom Verwaltungswasserkopf einer Landesgesundheitsagentur. Dass Vieles noch so gut funktioniert wie es tut, Gott sei Dank, ist den engagierten Ärztinnen und Ärzten zu verdanken. Dafür ein herzliches „Dankeschön“. (Beifall bei den GRÜNEN.) Ich habe es gerade vor wenigen Tagen im Freundeskreis erlebt. Eine Freundin von mir hat Schmerzen in der Brust, einen Knoten gespürt, hat innerhalb von drei Tagen einen Termin in einem Diagnosezentrum erhalten. Der Arzt war äußerst einfühlend, hat ihr die Biopsie am nächsten Tag im Landesklinikum ermöglicht. Ja, und wir freuen uns alle darüber. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was gibt mir trotzdem zu denken? Was gibt mir da, wo es so optimal gelaufen ist, zu denken? Das ist das, dass wir uns alle darüber wundern, dass es so gut gelaufen ist. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass wir so rasch im Notfall einen Termin wo bekommen, schon gar nicht, wenn es um Kassenarztstellen und –ordinationen geht. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass man so schnell einen Termin in einem Landesklinikum bekommt und da müssen wir aber wieder hin. Wenn es ernst ist, dann muss es rasch gehen. Wir haben – meine Vorrednerin hat es gesagt – nicht zu wenig Ärztinnen und Ärzte. Wir liegen im OSZE-Vergleich an dritter Stelle. In Österreich haben wir ca. 48.000 Ärztinnen und Ärzte und es gibt auch genug Studierende. Auch das ist heute schon gefallen. Die Schuld an der Ärztemisere jetzt den Studierenden aus dem Ausland in die Schuhe zu schieben ... ja das ist aber mehr als billig und unwürdig. Da geht es doch wieder nur um Ablenken vom eigentlichen Problem. Ich bin auch strikt dagegen die Ärztinnenausbildung immer weiter zu privatisieren. Eine in sich geschlossene Ärztinnen-Community lehne ich ab. Und zum Kollegen Dinhobl, ja, es gibt viele Ärztinnen, die Teilzeit arbeiten wollen in den Landeskliniken. Einerseits, weil es viel mehr Frauen als noch vor zehn, zwanzig Jahren sind, die in den Landeskliniken arbeiten. Das ist verständlich, die Vereinbarkeit von Kindern, Familie, Beruf muss gegeben sein, aber auch – und da müssen wir dagegen wirken – Teilzeitbeschäftigung im Krankenhaus und Wahlarztpraxis ... das ist halt ein besonders lukratives Modell. Wo fehlt es denn am meisten? Ein paar Fakten: Fachärztinnen für Kinderheilkunde, Psychiatrie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Chirurgie, Pathologie, Labormedizin. Im Durchschnitt fehlen in den NÖ Landeskliniken 10 % der Ärztinnen und Ärzte. Das heißt, jeder zehnte Dienstposten ist nicht besetzt. Es fehlt an Hausärztinnen, das wissen wir alle, und damit verbunden sind ja natürlich die Wochenenddienste, die nicht mehr sichergestellt werden können, die Totenbeschauen und zum Teil auch die Notärztedienste. Sparen könnt ihr euch die politischen Seifenblasen, liebe ÖVP, wie die Landarztgarantie, den Bereitstellungsdienst und Vertretungsärztinnen – der neueste Gag vor der letzten Landtagswahl. Die Bevölkerung lässt sich nicht für dumm verkaufen. Was es braucht, nenne ich auch exemplarisch: Ausbau und Stärkung im niedergelassenen Bereich, den Facharzt für Allgemeinmedizin – er ist ja in Ausarbeitung, hoffentlich ist es bald fertig – mehr Kassenstellen, mehr Geld, Vereinheitlichung und Vereinfachung der Abrechnungen mit den Kassen – und zwar über ganz Österreich – Forcierung der Primärversorgungseinheiten, Gruppenpraxen und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es braucht aber auch eine Kompetenzerweiterung zur Unterstützung vom ärztlichen Bereich, Kompetenzerweiterung für den medizinisch-technischen Dienst und für die gehobene Pflege. Und in den Landeskliniken Sicherstellung der Ausbildungsplätze für Fachärztinnen – ich sage das so explizit, weil dafür ganz allein die Länder zuständig sind. Das ist in Länderkompetenz und wenn wir die Dienstposten der Fachärztinnen auf den Stationen nicht besetzen können, dann können auch nicht entsprechend Fachärztinnen und Fachärzte ausgebildet werden. Ich sage auch: Schluss mit – ich nenne es – potemkinsche Stationen, die zwar bestehen, aber kaum mehr Leistungen anbieten können. Ja, das kann nicht die Zukunft sein. Und auch ein Thema: Runter vom hohen Ross in der Klinikenverwaltung. Jungärztinnen sind keine Bittstellerinnen, sondern sind unsere Zukunft. Das muss uns einmal klar sein in dieser Deutlichkeit. Ich sage auch: Schluss mit der willkürlichen Zerschlagung gut funktionierender Stationen. Ein wirklich einprägsames Beispiel ist die Neurologie in Mauer. Das weiß ich aus erster Hand von unserem Vizebürgermeister aus Amstetten, Dominic Hörlezeder, wie dramatisch das abgelaufen ist und 24.000 Unterschriften aus der Bevölkerung wurden hier einfach ignoriert. Da braucht es einen detaillierten, regionalen Strukturplan Gesundheit und der ist bitte auch einzuhalten. Zum Abschluss noch: Wir müssen den Gesundheitsbereich als Ganzes betrachten. Den Akutbereich, die Nachsorge, die Rehabilitation und Vorsorge und einen – bitte großen – Schwerpunkt müssen wir auf Prävention setzen. Im Zuge des Finanzausgleichs ist jetzt die Möglichkeit für alle Beteiligten zu beweisen. Ich habe es zuerst schon gesagt: Die Interessensvertretungen, die Kassen, die Länder, dass sie es ernst meinen und dass sie die längst fällige Gesundheitsreform angehen. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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