Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-15/A-8-2023 – Entlastungsoffensive für ein soziales Niederösterreich durch NÖ Pflegescheck, NÖ Wohn- und Heizkostenzuschuss und Abschaffung der Rundfunkabgabe
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Landesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel ist groß, sehr groß: Entlastungsoffensive für ein soziales Niederösterreich. Ich staune, wie ein soziales Niederösterreich für ÖVP und FPÖ ausschaut. Und ich frage mich: Mit welchen Ansprüchen gehen sie denn in die Zukunft als Landesregierung? Was ist sozial? Was zeichnet ein soziales Land aus? Es geht um soziale Gerechtigkeit, um soziale Sicherheit. Es soll niemand allein gelassen werden, wenn er durch Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Behinderung, etc. in Not geraten ist. Gleichzeitig soll der Staat dafür sorgen, dass es gar nicht so weit kommt, dass es gar nicht zu solchen Notlagen kommt. Österreich ist ein Sozialstaat, aber er beginnt zu wanken. Mehrklassenmedizin und Pflege, fehlendes Personal in Pflege, Gesundheit, Bildungssystem, dazu steigende Armut und Armutsgefährdung. Und die Bekämpfung von Armut ist eines der wichtigsten Ziele eines Sozialstaates. Wenn ÖVP und FPÖ gemeinsam regieren, heißt das offensichtlich nur das Nötigste für sozial Schwache. Das sieht man beispielsweise bei unserem mehr als restriktiven Sozialhilfegesetz, den fehlenden Subventionen für Sozialmärkte, beim schwierigen Zugang zur persönlichen Assistenz. Es fehlen Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Kosten für Kinderbetreuung sind hoch. Kinder mit Behinderungen haben überhaupt schlechte Chancen in den Einrichtungen, und vieles mehr. Mit den Maßnahmen, die Sie hier in dieser Aktuellen Stunde eingebracht haben, machen Sie in Niederösterreich genau das, was Sie im Bund so kritisieren: die Gießkanne. Mehr Geld auch für gut Verdienende und keine besondere Rücksicht auf die Ärmsten. Und ja, Kollege Erber, was du gesagt hast: Die Menschen müssen so arbeiten können und so verdienen können, dass sie sich ein Leben leisten können. Da stehe ich genau dahinter. Wenn es zu einer Krise kommt, dann braucht es in dieser Krise rasche Hilfe, schnelle, rasch wirkende Maßnahmen. Sobald die akute Situation dabei ist, braucht es nachhaltige, langfristige Maßnahmen und Strukturreformen. Das Wichtigste in dem, was passiert ist, ist die Valorisierung der Sozialleistungen. Was Jahre und Jahrzehnte nicht geschafft wurde, hat unser Minister Johannes Rauch geschafft. Danke, Johannes. (Beifall bei den GRÜNEN.) Auch die Mietpreisbremse wäre so eine Maßnahme – dringend notwendig. Alle Expertinnen und Experten sagen: „Das ist ein Treiber der Inflation.“ Alle Parteien wissen das. Wer hat es verhindert? Die ÖVP. Ein weiteres Beispiel: Die Energiekosten – ist heute schon angesprochen worden. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Steiermark. Das Land Steiermark hat die „Energie Steiermark“ zu 100 % im Alleineigentum, hat es wieder zurückgekauft. Und was machen sie? Sie schaffen günstige Energiepreise für die Steirerinnen und Steirer. Niederösterreich macht diesbezüglich einen Dornröschenschlaf oder – ich sage es noch drastischer – sackelt die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher aus. 300.000 Kundinnen werden derzeit von der EVN gekündigt. Der neue Vertrag bietet sage und schreibe einen Preis, einen Verbrauchspreis, von 31,80 Cent. Das ist ja unglaublich. Laut E-Control-Rechner kann sich ein normaler Haushalt 5 bis 600 Euro im Jahr ersparen, wenn man den Anbieter wechselt. Ich kann daher nur an die Landesregierung appellieren: Bitte macht endlich Politik für die Menschen und nicht für die Aktionäre! Es ist uns allen klar: Wir haben den Peak der Konsumgesellschaft überschritten. Immer mehr, immer schneller, immer weiter ... das ist nicht mehr und wir brauchen eine neue Definition von Wohlstand. Der Bericht des Umweltbundesamtes hat es uns drastisch vor Augen geführt vor ein paar Tagen: Die Energiewende muss jetzt rasch und sofort erfolgen. Es muss alles getan werden, um den Temperaturanstieg zu bremsen und es sollte mittlerweile allen klar sein: (Abg. Ing. Mag. Teufel: Die Aktuelle Stunde ist Ihnen bekannt?) der Zusammenhang zwischen Energiepreisen, Rohstoffpreisen, Preisen für Lebensmittel und der Klimakrise. Damit hängt das alles komplex zusammen, auch wenn Sie es, Kolleginnen der FPÖ, nicht glauben wollen. Wir müssen an diesem Rad drehen. Die Politik muss wieder an den großen Themen arbeiten, auch im Großen eingreifen, auch zum Teil in den Markt eingreifen. Eines dieser großen Themen ist das Gesundheitssystem. Das Gesundheitssystem ist eine der wichtigsten Säulen des Sozialsystems überhaupt. Unser Gesundheitssystem ist am Kollabieren. Ärztinnen und Ärzte verlassen beinahe scharenweise die Landeskliniken. Die Verbleibenden fahren von einem Standort zum anderen, um Dienst zu machen. Der Mangel an Pflegepersonal ist bedrohlich. Tausende unbezahlte Überstunden stehen an und das Personal ist erschöpft. Wir haben gestern den Bericht des Landesrechnungshofs erhalten und der zeigt auf, was hier schiefläuft und zeigt das auf, was wir GRÜNE von Anfang an gesagt haben: Sowohl personell als auch finanziell ist die Landesgesundheitsagentur – so scheint es – ein Fass ohne Boden. Ich habe es hier schon einige Male gesagt: Der Verwaltungsapparat wurde dermaßen aufgebläht und jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Danke dem Landesrechnungshof. 20 % mehr Personal gleich zu Beginn der Landesgesundheitsagentur, 13 Angestellte mehr bei der GS7, usw. Ein Wahnsinn! Ich sage Ihnen: Weder das überlastete Gesundheitspersonal noch die Patientinnen und Patienten, die stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, haben hier Verständnis dafür. Der Landesrechnungshof verlangt daher ein Personalentwicklungskonzept. Ja und die Finanzen ... wen wundert es ... liegen auch im Argen. Gesperrte Betten, Personalmangel ... das führt natürlich auch zu weniger Einnahmen. Für uns ist ja alles ein großes Geheimnis. Wir dürfen weder die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung einsehen, noch bekommen wir auf parlamentarische Anfragen Antworten. Ich plädiere wirklich ernsthaft und eindringlich: Transparenz ist hier angesagt. Jetzt aber wieder zurück zu den geplanten Unterstützungsmaßnahmen. Der Bund stellt Geld für den Wohn- und Energiekostenzuschuss zur Verfügung. Sie sprechen von 85 Millionen Euro. In Wahrheit sind es mehr, weil dieser Fonds wurde ja aufgestockt. Es sind insgesamt für Niederösterreich 127 Millionen Euro. Ich frage Sie: Wo ist der verbleibende Rest? Es würde mich interessieren. Die Verteilung obliegt den Ländern. Meiner Meinung nach ist das, was Sie hier machen, alles andere als sozial. Es sollte doch das Ziel sein, die Ärmsten deutlich zu unterstützen. Was Sie hier machen, ist für mich reine Klientelpolitik. Ich persönlich ärgere mich darüber maßlos. Eine Alleinerziehende, Kollege Teufel, hast du das angesprochen? (Abg. Ing. Mag. Teufel: Ja, habe ich.) ... mit einem Kind und einem Einkommen von 1.500 Euro bekommt 200 Euro Wohn- und Heizkostenzuschuss. 200 Euro Wohn- und Heizkostenzuschuss kriegt auch ein Ehepaar mit 4.200 Euro Nettoeinkommen und zwei Mal über 5.000 Sonderzahlung. Wo ist denn da die soziale Gerechtigkeit? So darf für mich das neue, angeblich soziale, Niederösterreich nicht ausschauen. Ich würde dafür plädieren, dass man Menschen am Existenzminimum oder rund um das Medianeinkommen von 1.700 Netto deutlich unterstützt - von mir aus 400, 500 Euro. Die haben etwas davon. Aber die Gutverdiener brauchen dieses Steuergeld nicht. Was ich auch vermisse: 5 % könnten als Zuschuss für Einrichtungen, Wohneinrichtungen, Frauenberatungsstellen, etc. verwendet werden ... ist auch nicht vorhanden. Warum machen wir das nicht in Niederösterreich? Diese Beratungsstellen haben es dringend notwendig, auch die Wohnungslosenhilfe, etc. Die Informationen über den Pflegetausender vermisse ich bisher. Das ist auch für mich eine populistische Maßnahme. Kollegin Collini hat es angesprochen. Die Verantwortung bleibt damit wieder bei dem und der Einzelnen. Mich erinnert das so an Familien. Wenn die Eltern keine Zeit haben für die Kinder, dann sagen sie: „Da hast du ein Geld. Kauf dir etwas.“ Ja, so schaut das für mich da auch aus. (Unruhe bei Abg. Mag. Scheele.) Die Pflegebedürftigen können sich damit weder zusätzliche Pflegestunden kaufen noch sonst etwas. Es gibt die Ressourcen schlicht und einfach nicht. 47 Millionen Euro, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werden dringend gebraucht und zwar: Verbesserung der Dienstpläne, Ausbildung von Pflegepersonal, Ausstattung und Lehrpersonal, das dringend gesucht wird in den Krankenpflegeschulen, Hauskrankenpflege – wurde auch schon angesprochen, mobile Physio- und Ergotherapeutinnen dringend gesucht, Seniorenwohnungen, Community Nurses, und und und. Wir brauchen hier dringend ... dringend! ... finanzielle Mittel, um diese Bereiche aufzustocken. Ganz ehrlich gesagt und das wissen Sie selber auch: Das Problem der finanziellen Schlechterstellung von Menschen, die zu Hause gepflegt werden, im Vergleich zu jenen, die in Heimen sind, lösen Sie damit nicht. Ganz kurz noch zur Landesabgabe bei der Rundfunkgebühr: Wir GRÜNE haben sich immer zu dieser Landesabgabe bekannt. Immerhin 27 Millionen für Kulturförderung, (Abg. Ing. Mag. Teufel: Ja, das ist eh klar.) 13 Millionen für Sportförderung ... und ich kann es mir nicht vorstellen, dass Sie diesen Betrag von ungefähr 40 Millionen sang- und klanglos aus dem Budget holen. Ein Budget, das angespannt ist und wo Sparen überall angesagt ist. Diese Landesabgabe hat garantiert eine lebendige Sport- und Kulturlandschaft. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Die Leute, die ehrenamtlich Tätigen in den Sportvereinen und die Community der Kulturschaffenden, die wissen, dass da vielleicht etwas auf sie zukommt und da herrscht große Unruhe. Es wäre für mich eh ein typisches Beispiel: Zuerst groß reden, wenn die FPÖ dann ans Regieren kommt, dann zuerst große Versprechen, dann Geld weg, Förderung gekürzt oder gestrichen. (Unruhe bei Abg. Ing. Mag. Teufel.)
Präsident Mag. Wilfing: Frau Abgeordnete, ich muss Sie auf die Redezeit aufmerksam machen.
Abg. Mag. Moser, MSc (GRÜNE): Ja. Der Titel dieser Aktuellen Stunde ... ich komme schon zum Ende ... Entlastungsoffensive für ein soziales Niederösterreich, das bleibt für mich ein leeres Versprechen. Machen Sie endlich echte Sozialpolitik. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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