Zusammenfassung
Antrag des Sozial-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2332/B-52/4-2022 – NÖ Sozialbericht 2021
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Die Titelseite des NÖ Sozialberichts ist ein Symbolbild dafür, was in Niederösterreich im Pflege- und Sozialbereich passiert oder besser gesagt auch was nicht passiert. Die freundliche alte Dame, die glückliche Pflegerin ... wir kennen sie seit einigen Jahren. Allerdings haben sich die Umstände in den letzten Jahren doch etwas verändert. Veränderung gehört zum Leben. Traurig ist aber, wenn die bestimmende Politik im Land – also die ÖVP – glaubt, dass man neue Probleme und Herausforderungen mit uralten Rezepten bekämpfen kann und gleich einmal darauf verzichtet an die Wurzel des Problems zu gehen. Das Budget für Soziales in Niederösterreich macht mit über 1,5 Milliarden Euro fast 20 % des Gesamtbudgets aus und wie wirksam Steuergeld eingesetzt wird, ist daher von großer Relevanz. Genau da liegt eines der Probleme. Ich glaube nämlich und ich traue mich zu behaupten, dass dieses Geld nicht effizient eingesetzt wird. Mittlerweile klaffen zwei große Lücken im Pflegesystem: Das eine ist einmal der Unterschied zwischen den Pflegeheimplätzen und dem verfügbaren Personal und das Zweite ist insgesamt die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage – nämlich nach Pflege und Betreuung. Das heißt, wir müssen sogar vorhandene Betten sperren, weil wir nicht genug Personal haben. Hinzu kommt auch, dass der Sozialbericht sehr wohl – entgegen der immer wieder vorgebrachten Gegenbehauptungen von ÖVP und auch SPÖ – auf die ungelöste Finanzierungsfrage auch hinweist. Der Neubau von Pflegeheimen und zusätzlichen Betten, der heute auch beschlossen wird ... das ist natürlich notwendig und auch nachvollziehbar und auch wichtig. Der Sozialbericht zeigt aber auch einmal mehr auf, dass die Antwort auf die Frage „Wie?“ und „WO?“ Pflege stattfinden soll und muss, nicht mit der Anzahl der Betten in Pflegeeinrichtungen beantwortet werden kann. Wir haben ein strukturelles Problem in Niederösterreich und dieses strukturelle Problem wird von der verantwortlichen Politik nicht erkannt, wird negiert und anschließend ineffizient bekämpft. Was es braucht, ist ein umfassendes Angebot für unterschiedliche Lebenssituationen. Es ist nicht jeder Pflegebedarf gleich so, dass die Aufnahme in ein Pflegeheim erforderlich ist, sondern es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wo durch entsprechende Hilfestellung ein längeres Verbleiben in den eigenen vier Wänden durchaus möglich ist. Und da ist noch viel zu wenig passiert und viel zu wenig Augenmerk darauf gelenkt. Die bestmögliche Einbindung von Menschen mit Pflegebedarf in ihrem gewohnten Umfeld eben, Berufsfelder mit Entwicklungsperspektiven und eine gesicherte Finanzierung – und allem voran und dann ... das ist ja alles im Vorfeld bevor es überhaupt zur Pflege kommt, geht es um einen Fokus auf Prävention und mehr gesunde Lebensjahre. Ich habe das an dieser Stelle schon einmal erwähnt: Würden wir es schaffen ein paar Monate zu gewinnen im Durchschnitt pro Person, dann hätten wir aktuell nicht einmal einen Pflegemangel ... ein paar Monate zu gewinnen ... und das wird natürlich weiter ansteigen über die nächsten Jahre. Wir haben auch schon mehrfach darüber diskutiert, welchen Stellenwert die Pflege in unserer Gesellschaft hat und dass man nicht nur über die Pflege reden muss, sondern vor allem mit der Pflege. Denn die Pflege für alte oder kranke Menschen, Hilfe für Menschen mit Behinderungen und anderen besonderen Bedarfssituationen ... das sind große Herausforderungen, die wir alle gemeinsam stemmen müssen. Da braucht es natürlich auch das Wissen der Betroffenen, um gezielte Lösungen zu finden. Immer mehr vom Selben zu tun und dann andere Ergebnisse zu erwarten, das hat Einstein damals schon als Definition für Wahnsinn bezeichnet. Im Mai hat der Bund eine Pflegereform angekündigt und hat jahrelang eigentlich diese Ankündigung schon einmal angekündigt – aber jetzt ist es dann Zeit geworden – und diese soll dann mit 1.1.2023 vorliegen. Gesetz gibt es noch keines. Die Reform als solches kann man auch nicht als solche bezeichnen, weil es sind im Wesentlichen einige finanzielle Aufbesserungen, die auch nachvollziehbar und notwendig sind. Aber was einen Sozialminister daran hindert über mehrere Jahre lang an einer angekündigten Pflegereform zu arbeiten und dann mitsamt seiner Beamtenschaft das nicht schafft, eine Systemreform hinzukriegen, das ist auch nicht nachvollziehbar. Es sind im Wesentlichen nur Geldleistungen und ein paar minimale Anpassungen, kein nennenswerter Ausbau von „Community Nurses“, was ein sehr, sehr sinnvoller Ansatz in der Pflege ist, keine Übernahme ... also auch dem „Buurtzorg-Modell“ eine Chance zu geben. Es wäre genug zu tun für alle Bereich in der Pflege. Also es ist nicht so, dass eine Konkurrenzsituation hier verhindert werden muss. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man gute Ansätze nicht besser fördert. Ich möchte noch ein weiteres Thema aus dem Bericht herausgreifen, weil auch hier ein System herrscht, das aufgebrochen werden muss. Unter dem Kapitel „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ wird die Hilfe bei Gewalt durch Angehörige ausgeschildert. Frauenhäuser sind eine wichtige Errungenschaft, die aber gebraucht werden, weil im System etwas falsch läuft. Dieses System besteht darin, Frauen immer noch nicht die gleichen Chancen zuzubilligen und sie in Abhängigkeit zu halten. Abhängigkeiten, die in besonderen Bedingungen dann in Gewaltbeziehungen enden und ich behaupte nicht, dass das der einzige Grund, die einzige Ursache sind, aber Abhängigkeiten sind keine gute Grundlage dafür, dass sich Menschen in diesem Land gut entwickeln können. Da möchte ich – weil das wirklich jetzt noch einmal dazu passt – auf die vorherigen Ausführungen vom Herrn Kollegen Landbauer eingehen (Abg. Ing. Mag. Teufel: Sehr gut.) mit seinem Frauenbild ... und wenn Sie da vom Elterngeld daherreden und wir alle wissen, dass Elterngeld immer bedeutet, dass man den Frauen (Abg. Ing. Mag. Teufel: Wahlfreiheit. Das ist Wahlfreiheit.) vermittelt, dass sie zu Hause zu bleiben haben, dann ist das einfach unpackbar in unserem heutigen Jahrhundert. Da stellt sich ... ah, jetzt ist er nicht einmal da ... ein Mittdreißiger da her, der niemals von einem „Gender Pay Gap“ betroffen sein wird, niemals – und der „Gender Pay Gap“ ist ein „Motherhood Pay Gap“ – und das ist genau das, wenn ich die Frauen zu lange aus der Erwerbsarbeit draußenhalte, schaffen sie es dann nicht mehr hinein. Mit so einer „Herdprämie“ oder „Mutterschutzprämie“ (Abg. Ing. Mag. Teufel: Wahlfreiheit.) oder was immer das sein soll, schaffe ich genau das, dass ich nämlich das nicht ermögliche, dass Frauen unabhängig, nämlich auch ökonomisch unabhängig, sein können. Erst dann, wenn ich diesen Rechtsanspruch habe, (Abg. Ing. Mag. Teufel: Stimmt ja nicht.) dann schaffe ich Wahlfreiheit, weil dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich mich als Familie dann dafür entscheiden möchte, dass man eine andere Betreuungsform wählt. Diese fehlende Wahlfreiheit von Frauen – nämlich Beruf und Familie miteinander verbinden zu können – wird vor allem von jenen mitverschuldet, die einer flächendeckenden qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung nicht die oberste Priorität einräumen. Genau dazu gibt auch dieser Sozialbericht Anlass zum Nachdenken und wir werden der Kenntnisnahme dieses Berichts natürlich gerne zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
Abweichungen zwischen Text und Video möglich.
Zur Person
Kontaktdaten
- Wohnbezirk:
- Mödling
- Klub/Fraktion:
- Landtagsfraktion der NEOS Niederösterreich (ohne Klubstatus)
- Wahlpartei:
- NEOS – Das Neue Niederösterreich