Zusammenfassung
Antrag des Rechts- und Verfassungs-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2210/B-17/8-2022 – Präventive Menschenrechtskontrolle 2021
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Silvia Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Seit zehn Jahren lese ich nun den Bericht der präventiven Menschenrechtskontrolle und bin der Meinung gewesen, so leicht kann mich jetzt nichts mehr erschüttern, ich kenne eh schon alles. Aber dieser Bericht hat mich eines Besseren belehrt und hat mich zutiefst erschüttert. Angefangen von den Psychiatrien, wo die Ärztinnen fehlen, wo Fixierungen nicht gesetzeskonform durchgeführt werden können, weil das Personal fehlt und wenn dann ein tragischer Todesfall eintritt ... hm ... dann ist das wieder furchtbar und ein Skandal, obwohl es absehbar war, wenn ich so handle über die dramatische Lage in den Pflegeheimen. Wenn ich lese, dass der Dienstplan nicht mit der tatsächlichen Besetzung übereinstimmt, dann schrillen bei mir die Alarmglocken und gleichzeitig weiß ich, das ist kein Einzelfall. Das ist aus der Hilflosigkeit heraus, weil es das notwendige Personal nicht gibt. Was heißt denn das für die Betroffenen? Das müssen wir uns bitte vor Augen führen. Die pflegebedürftigen Menschen können nicht mehr aus dem Bett mobilisiert werden, vielleicht jeden zweiten, jeden dritten Tag oder erst überhaupt gegen Mittag. Sie haben zu wenig Unterstützung. Das fängt beim Essen an, kommt zur Mangelernährung. Sie haben keine Beschäftigung. Sie kommen nicht an die frische Luft. Es gibt ein erhöhtes Risiko von unerkannten Schmerzen. Eine große Chance auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen, sei es durch beruhigende Medikation oder durch Fixierungen und dann geht es wieder früh ins Bett für die, die es überhaupt geschafft haben, rauszukommen. Vonseiten der Pflegepersonen setzt sich da eine toxische Spirale in Gang: Stress, Überforderung, Ohnmacht, Aggression, Gefahr der Gewalt. Das ist eine ganz gängige, psychologische Wirkungsweise. Ich sage es nur: Die Aussicht für uns alle ist schaurig. Wir werden alle einmal dort hinkommen. Vielleicht haben wir ein Glück und brauchen es nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Ich bin froh, dass in den Pflegeheimen die Notbremse gezogen wird und Betten nicht besetzt werden, bevor größere Katastrophen passieren. Das kann aber auch nicht des Rätsels Lösung sein. Hunderte Betten sind es bereits, die nicht besetzt sind und ich frage mich: Wo sind denn die Herrschaften, die Pflege brauchen, wenn es diese Pflegebetten nicht gibt? Wo sind sie? Sie sind zu Hause. Es gibt keine mobile Pflege. Wie können wir die Lebensqualität unserer alten und pflegebedürftigen Menschen sicherstellen? Das ist die Herausforderung. Wir brauchen Pflegepersonal. Da ist mit der Pflegereform des Bundes ein wesentlicher Meilenstein passiert. Dass es nicht das ganze Problem löst, wissen wir. Es müssen weitere Schritte folgen. Aber so ein Meilenstein wurde bisher noch nie gesetzt. Wir brauchen auch einen entsprechenden Weitblick für die Ausbildungen und für die Arbeitsbedingungen der Pflegepersonen. Ganz besonders erschreckt hat mich aber das Kapitel über die Kinder- und Jugendhilfe. Das ist ja ein regelrechtes Desaster. Junge Menschen, die Hilfe brauchen, werden im Stich gelassen. Dabei wissen wir alle ganz genau: Das, was wir im Bereich im Alter der Kinder, der Jugendlichen versäumen, kommt uns als riesige Aufgabe später retour und kostet der Gesellschaft das Vielfache. Die Frau Landeshauptfrau und die ÖVP Niederösterreich rühmen sich immer „Wir sind das Familienland Nummer 1 – Niederösterreich, das Familienland“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Familien sind nicht nur die, denen es gut geht, die mit uns aufs Landhausfest gehen können, usw. Es sind gerade die, die Probleme haben, die in prekären Wohnverhältnissen leben, die gesundheitliche Probleme haben, wo es Alkoholmissbrauch und Gewalterfahrungen gibt. Und da mittendrin da sind die Kinder und die brauchen die institutionelle Hilfe. (Beifall bei den GRÜNEN.) Und was macht die Landesregierung? Was macht die Landesrätin Königsberger-Ludwig? Entgegen den Erfahrungen, dem Wissen, den Warnungen und dem Aufschrei der Expertinnen und jenen, die in diesem Feld arbeiten, wird beinhart ein Normkostenmodell durchgedrückt und aufrechterhalten, das unzumutbar ist. Es müssen theoretische Vorstellungen der Abteilung GS6 – ich muss es einmal so ehrlich sagen – umgesetzt werden, die die Praktikerinnen zur Verzweiflung bringen. Ich möchte nur ein paar Ausschnitte bringen aus diesem Bericht, weil ich könnte es besser nicht ausdrücken als es dort zu lesen ist (liest:)„Vor allem in Niederösterreich haben sich durch die Einführung des sogenannten „Normkostenmodells“ die Probleme massiv vermehrt. Der Mangel an Krisenabklärungsplätzen ist in Niederösterreich besonders dramatisch. Sozialpsychiatrische Wohnplätze für Kinder und Jugendliche mit sozialpsychiatrischem Betreuungsbedarf gibt es in Niederösterreich keine. In einer Stellungnahme zum Begutachtungsverfahren warnte die Volksanwaltschaft ausdrücklich vor den Folgen. Gehör fand sie damals nicht. Seit Auflassen der sozialtherapeutischen Wohngruppen kommt es vermehrt zu Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen in den Psychiatrien.“ Und so weiter und so fort. Zu guter Letzt (liest:)„Verschärft wird die Situation dadurch, dass das Land NÖ die Meinung vertritt, dass Therapien vom Gesundheitssystem zu leisten sind. Das Beenden notwendiger Therapien bewirkt, dass sich die Eskalationen in den Wohngruppen vermehren.“ Das könnten wir sehr leicht verhindern, aber die Landesregierung tut es nicht. Es liegt hier zu diesem Thema ein Antrag der SPÖ vor, wo ich die Begründung sehr gut finde, aber für mich der Antragstext überhaupt nichts mit der Begründung zu tun hat. Daher werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen, weil es geht hier in der Begründung um die Kinder und Jugendlichen und im Antragstext ist es eine allgemeine Forderung an die Bundesregierung. Wir alle wissen: Es gibt zu wenig Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und wir müssen hier bei der Ausbildung ansetzen. Wir müssen hier forcieren. (Abg. Mag. Scheele: Unverständlich ... dass es sie gibt, aber dass sie um den Preis nicht ... unverständlich.) Es gibt zu wenige. Es gibt fast keine, die zur Verfügung stehen und da müssen wir ansetzen. Es bringt uns nichts, wenn wir jetzt den Ersatz erhöhen (Abg. Mag. Scheele: Weil?) und einen zusätzlichen finanziellen Anreiz bieten, weil es die Therapeutinnen und Therapeuten für die Kinder und Jugendlichen einfach nicht gibt. Der Bericht der Volksanwaltschaft bildet im Kinder-/Jugendbereich genau das ab, was die Träger der Einrichtungen, die Sozialpädagoginnen, die Betreuerinnen von Beginn an gesagt haben und wider besseren Wissens wurde das durchgedrückt. Ich bin wirklich froh, dass es hier diesen unabhängigen Kontrollmechanismus gibt, denn das muss man leider sagen: Kontrolle lässt in Niederösterreich zu wünschen übrig. Man will gewisse Probleme einfach nicht sehen. Da haben wir jetzt den Kinder-/Jugendbereich, da haben wir die Pflegeheime, sei es im Tierschutz, etc. – die Kontrollmechanismen funktionieren nicht. Darum bin ich froh über die präventive Menschenrechtskontrolle. Wir werden dem Bericht natürlich zustimmen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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