Zusammenfassung
Antrag des Rechts- und Verfassungs-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2210/B-17/8-2022 – Präventive Menschenrechtskontrolle 2021
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mahatma Gandhi wird der Ausspruch zugeschrieben: „Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht weh tun, ohne mich zu verletzen.“ Diese Botschaft dürfte in Niederösterreich noch nicht angekommen sein. Zu diesem Schluss muss man bei der Lektüre des jährlichen Berichts der präventiven Menschenrechtskontrolle kommen. Konkret geht es mir um das Zeugnis, das den Zuständigen in der Pflege hier ausgestellt wird. Das ist in doppelter Hinsicht verheerend. Das ist verheerend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das ist vor allem verheerend für die Bewohnerinnen und Bewohner. Für den Beruf der Langzeitpflege braucht es Qualifikation, sicher auch bestimmte Charaktereigenschaften, Führung, vernünftige Personalschlüssel und attraktive Arbeitsbedingungen. Ich brauche hier nicht die bekannten, dringenden Probleme wieder auflisten, die wir hier haben. Der akute Pflegekräftemangel ist bekannt und es ist das Ergebnis falscher Entscheidung und das Verschieben von Reformen auf eine unbestimmte Zeit. Scheinlösungen wie die Abschaffung des Pflegeregresses und die Ideenlosigkeit, wie Pflege in Zukunft aussehen kann, haben das System unter Druck gebracht und ein „Weiterwurschteln“, ein „more of the same“ wird es zum Kippen bringen. Der Bericht liest sich wie ein Krimi und macht mich sehr betroffen. Dabei hören und lesen wir über solche Vorfälle seit vielen Jahren. Die Beschreibungen sind einerseits womöglich nur die Spitze des Eisbergs und werden auf der anderen Seite den Pflegekräften, den Menschen, die in der Pflege arbeiten, nicht gerecht. Hier steht nicht die Pflege am Pranger, sondern ein untaugliches System. „Strukturelle Mängel bedingen schwere Menschenrechtsverletzungen,“ heißt es in diesem Bericht. Die Politik ist gefordert gegenzusteuern. Wir als Politik sind gefordert Vereinbarungen zu treffen. Wir haben Vereinbarungen darüber zu treffen, wie wir gut miteinander leben wollen – von den neugeborenen bis zu den sterbenden Menschen. Das ist unsere Definition von Politik. Die im Bericht angesprochenen Mängel resultieren im Wesentlichen aus Überforderung und aus Überlastung. Diese Überlastung führt in eine Negativspirale. Überlastung der einzelnen Pflegekräfte führt zu schlechterer Versorgung. Das führt zu Mängeln. Das führt zu noch weniger Interesse am Beruf. Das führt wiederum zu noch mehr Überlastung. Die unzureichende personelle Besetzung wird auch als Nährboden für Gewalt und Aggression hier genannt. Gewaltprävention ist zu einer wichtigen Aufgabe in der Pflege geworden. Gewalt und Belästigung – dem sind Bewohnerinnen ausgesetzt, dem sind auch Pflegekräfte ausgesetzt. Das sind keine Einzelfälle. Die kommen laufend vor und das muss aufhören. Die Pflegereform – im Bericht wurde das noch als ausständig beschrieben, weil es auch Anfang des Jahres herausgekommen ist. In der Zwischenzeit sind wir einen kleinen Schritt weiter – die wird aber leider keine nachhaltigen Lösungen bringen. Aber es ist ein erster Schritt. Das Maßnahmenpaket des Sozialministers – wir wissen das, weil wir uns erinnern, dass das auch sehr medial wirksam angekündigt worden ist – enthält einmal Prämienzahlungen für zwei Jahre gesichert. Es enthält eine sechste Urlaubswoche für das Alter ab 42. Es enthält Ausbildungsprämien und Anreize für Stipendien und ein paar Befugniserweiterungen. Die niederösterreichische Politik – und das werden wir heute auch noch später sehen – unterstützt Frühpensionsregelungen, den Bau von Bettenburgen und verhindert neue Ansätze wie z. B. das Modell „Buurtzorg“. Was aber wünschen sich Menschen, die es am besten wissen, was ihren beruflichen Alltag attraktiver macht? In dem Bericht wird auch eine Studie des Sozialministeriums zitiert, wo Angehörige von Pflegeberufen einbezogen wurden, um zu artikulieren, was sie brauchen und was sie benötigen, damit ihr Beruf und ihr Berufsalltag auch attraktiver wird. Das sind sehr nachvollziehbare Dinge, die sich die Menschen wünschen: „ein positives Feedback“ – klingt so selbstverständlich, „eine gute Beziehung zu Bewohnerinnen und zu den Angehörigen“ – auch nachvollziehbar. Aber wie soll es dazu kommen, wenn die Menschen keine Zeit haben für die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner? „Wertschätzung und Anerkennung durch Öffentlichkeit und Gesellschaft, Mitsprache und Gestaltungsmöglichkeiten in der Tätigkeit, Unabhängigkeit und/oder die Möglichkeit in einem professionellen Team autonom zu arbeiten“ – ich zitiere alles aus dem Bericht – „Weiterbildungsmöglichkeiten und natürlich auch soziale Absicherung“. Aber wie ich vorher mit Erstaunen auch vernommen habe aus dem Sportbericht ... hat der Kollege Heinreichsberger gesagt: „Mit Geld allein kann man nicht alles machen.“ Das ist richtig. Ich hoffe, wir erinnern uns dann auch in anderen Bereichen: Geld ist etwas, natürlich, womit sehr viel unterstützt werden kann, aber es ist nicht die einzige Lösung oder nicht das, was tatsächlich zur Lösung am besten beiträgt. Zentraler Punkt sind nämlich die Arbeitsbedingungen, nicht die Größe der Häuser, nicht das Pensionsantrittsalter. Über einem guten Pflegesystem steht das Menschenrecht in Würde zu altern. Ich möchte allen Menschen danken, die tagtäglich ihre Arbeit im Dienst der Menschen, in der Pflege, verrichten. Ihnen schulden wir es, dringend notwendige Reformen in Gang zu bringen. Der Kenntnisnahme des Berichts werden wir zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
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- Mödling
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- Landtagsfraktion der NEOS Niederösterreich (ohne Klubstatus)
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- NEOS – Das Neue Niederösterreich