Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2086/A-8/52-2022 – Neue Konzepte für die Pflege sind gefragt – leistbare, transparente und menschliche Lösungen für Niederösterreich
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Silvia Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Landesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute wieder zum Thema „Pflege“, mit einem wesentlichen Unterschied, nämlich dass heute Erfreuliches zu berichten ist und das werde ich natürlich auch tun – nämlich die Pflegereform. (Heiterkeit bei Abg. Königsberger, Abg. Aigner, Abg. Vesna Schuster und Abg. Ing. Huber.) Zunächst möchte ich aber einmal ein paar Worte zur ÖVP und zur SPÖ sagen. Die ÖVP, allen voran Frau Landesrätin Teschl-Hofmeister, rüsten sich mit der Blau-gelben Reform. Also diese Dreistigkeit empfinde ich als unglaublich. Jahrelang haben Sie die Verantwortung auf den Bund abgeschoben, dringend notwendige Maßnahmen ignoriert, gute Anträge aller Fraktionen hier im Hohen Haus abgelehnt … z. B. nur ein Stichwort „Stipendium für Ausbildung“: Sie haben die Ausbildung zentralisiert. Sie haben Krankenpflegeschulen geschlossen. Sie haben an der Einstiegsphase festgehalten und so den in den Pflegeberuf Einsteigenden einen finanziellen Nachteil beschert. Sie verweigern noch immer die Anrechnung einschlägiger Vordienstzeiten beim Einstieg in den Landesdienst und ein kleines Detail am Rande, aber was auch sehr menschlich ist: Sie schaffen es nicht einmal all jenen, die in den Landeseinrichtungen gratis Praktika absolvieren und wertvolle Arbeitskräfte sind – und das ist jetzt völlig egal ob Pflegepersonal, Hebammen, Physiotherapeutinnen – als Zeichen der Wertschätzung wenigstens das Mittagessen gratis zur Verfügung zu stellen. Also das ist für mich wirklich eine traurige Angelegenheit. Sie wissen es, wir wissen es, ich weiß es: Die Pflegereform ist gerade jetzt zustande gekommen, weil die Länder nicht mehr eingebunden waren, weil die Gewerkschaften eingebunden waren, die Interessensvertretungen eingebunden waren und diesen Prozess hat Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch jetzt finalisiert. Ein grüner Sozialminister setzt um, was andere jahrelang verschleppt haben. (Beifall bei den GRÜNEN. – Abg. Ing. Ebner, MSc: Na bist du g´scheit!) Ihr, Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, euch ist jetzt die Pflegereform ein bisschen dazwischen gekommen. Ja, aber auch euch muss ich sagen: Was habt ihr weitergebracht? Ihr seid jahrelang in der Landesregierung. Ihr habt jahrelang den Bundeskanzler gestellt. In der Pflege ist da nichts weitergegangen. (Unruhe bei Abg. Mag. Scheele. – Heiterkeit bei Abg. Schindele.) Die GRÜNEN haben es jetzt angepackt und durchgesetzt. Reden statt statt Tun, was ich immer sage. (Abg. Mag. Scheele: Reden statt Tun? Ein Freudscher! – Unruhe bei der SPÖ.) Tun statt Reden, ja genau. Ja, es war nicht einfach. Ja, das stimmt. Aber die Reform steht. Auch Verreden ist menschlich. Das wird euch auch schon passiert sein. (Unruhe bei der SPÖ.) Tatsache ist: Johannes Rauch hat die Reform in die Wege geleitet. Also die Pflegereform steht. 1 Milliarde Euro wird dafür aufgewendet und ein jahrzehntelanger Stillstand damit beendet. Es ist ein Schritt zur Sicherstellung der Pflege. Natürlich ist das nicht alles und die Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege wissen das: Es löst nicht alle Probleme. Weitere Schritte müssen folgen und vor allem die Bundesländer müssen jetzt umsetzen. Der Bund stellt die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung. Er schöpft seine Möglichkeiten mit dieser Reform aus und jetzt ist – wie in unserem Fall – das Land NÖ am Zug, denn die Pflege ist ja bekanntlich Ländersache und abschieben auf den Bund somit jetzt nicht mehr möglich. Wir wissen alle, wir brauchen in Niederösterreich bis 2030 9.500 zusätzliche Pflegekräfte. Das heißt, Personal einerseits im Beruf halten, andererseits den Beruf erstrebenswert machen. Dazu ist diese Reform ein wichtiger Schritt. Ich möchte jetzt zu den wichtigsten Eckpunkten kommen. Einerseits für all jene, die bereits in Pflegeberufen tätig sind: Hier wird an einem fairen Ausgleich gearbeitet für besondere Belastungen, zusätzliche Erholung. Das passiert einerseits durch bessere Abgeltung der Nachtdienste, eine zusätzliche Woche Urlaub ab dem 43. Lebensjahr, Weiterbildung in Arbeitszeit, Kompetenzerweiterung der Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz und durch die Anerkennung der enormen Leistungen durch mehr Lohn. Die Sozialpartner und das Land sind jetzt gefordert, das ehebaldigst umzusetzen. Für all jene, die in die Pflege gehen wollen: Investitionen in die Ausbildung, je nach Ausbildung zumindest 600 Euro für die Praktikumszeit oder für die gesamte Ausbildung oder ein Stipendium für Umsteigerinnen von 1.400 Euro. Pflegelehre im Modellversuch: Da bin ich persönlich glücklich, dass es ein Modellversuch ist. Mir ist dabei besonders wichtig, dass die Ausbildung am Pflegebett erst im 3. Lehrjahr stattfinden wird. Ich habe heute – vielleicht Sie auch – im Morgenjournal da eine Stellungnahme gehört, dass 15-Jährige sehr wohl fähig sind für den Beruf, weil sie ja die nötige Empathie aufbringen. Das ist aber nur ein Teil der Voraussetzungen für den Pflegeberuf. Wir wissen, in diesem Beruf ist man konfrontiert mit körperlichen, geistigen Einschränkungen, mit Schmerz, Leid, Tod, Verhaltensauffälligkeiten und auch Gewalt und da ist es wichtig, dass man professionell mit diesen Situationen umgehen kann, dass man die Fähigkeit hat, mit Menschen in Grenzsituationen umzugehen und sich gut abzugrenzen. Dafür braucht es eine gefestigte Persönlichkeit und die hat man mit 15 Jahren – mitten in der Pubertät – selten. Darum ist es ganz, ganz wichtig, gut für die jungen Menschen zu sorgen und – wie gesagt – die Arbeit am Krankenbett erst im 3. Lehrjahr zu beginnen. Ein bisschen erstaunt war ich auch über die Aussage, dass man den Zivildienst auf die Pflegelehre anrechnen soll. In meiner Wahrnehmung findet die Lehre zuerst statt und dann der Zivildienst, aber ich lasse mich da gerne aufklären wie das gemeint ist. Noch zum Ausbildungsbereich, was mir ganz wichtig ist: die Überführung der Schulversuche an berufsbildenden, mittleren und höheren Schulen ins Regelschulwesen. Ich habe es hier schon oft gefordert. Ich fordere es hier noch einmal: ein flächendeckendes Angebot vor allem der 5-jährigen Ausbildung. Verbesserungen wird es auch geben für all jene, die nach Österreich kommen und in der Pflege arbeiten wollen, in Form von Erleichterungen beim Zugang zur „Rot-Weiß-Rot-Karte“. Für die Angehörigen gibt es einiges an zusätzlicher Unterstützung: Verlängerung der Pflegekarenz von einem auf drei Monate, erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld von Angehörigen angerechnet. Es wird einen Angehörigenbonus von bis zu 1.500 Euro geben und ganz wichtig auch: Verbesserung der finanziellen Unterstützung für Ersatzpflege wenn jemand ausfällt von pflegenden Angehörigen oder einmal Urlaub machen mag. Der Erschwerniszuschlag bei Demenz wird von 25 auf 45 Stunden angehoben und die fachliche Unterstützung ausgeweitet. Hier das Beratungsangebot – das ist mir ein besonderes Anliegen – muss ausgeweitet werden. Egal ob das über die Sozialversicherung geht, über „Community Nurse“ flächendeckend in ganz Niederösterreich oder wie auch immer. Eines muss uns klar sein: Ich habe schon gesagt, die Versäumnisse von vielen, vielen Jahren können nicht auf einmal gelöst werden. Es ist ein adaptiver Prozess. Daher sind auch für Herbst bereits weitere Schritte geplant. Z. B. soll durch die Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen eine Attraktivierung der unselbständigen Beschäftigung von 24-Stunden-Betreuerinnen erreicht werden. Zu überarbeiten ist zudem die Kompetenzverteilung innerhalb der Pflegeberufe – auch für den akademischen Bereich. Zu bearbeiten ist auch der Personalmangel bei der Heimhilfe. Ein paar ganz lebenspraktische Sachen: Wir müssen die länderübergreifende Aufnahme von Angehörigen in Pflegeinrichtungen verbessern. Es muss für Pflegebedürftige möglich sein, nahe zu den Angehörigen zu kommen, egal ob das jetzt Niederösterreich – Oberösterreich, Niederösterreich – Salzburg, was auch immer ist, dass man die pflegebedürftigen Angehörigen in eine Einrichtung zu sich als Sohn, Tochter, etc. holen kann. Es wird neue Wohnformen brauchen, vor allem unter dem Aspekt der Sozialraumorientierung. Ich spreche jetzt noch einen Bereich an – nicht alles kann die Politik regeln und verbessern: Im mobilen Dienst fordere ich die Träger dringend auf, Verbesserungen für das Personal vorzunehmen. Es kann doch nicht sein, dass wenn eine Lücke im Dienstplan entsteht, weil eine Patientin z. B. ins Krankenhaus gekommen ist, dass das für die Pflegeperson Freizeit ist. Eine halbe Stunde Freizeit irgendwo dazwischen, das ist ja völlig unzumutbar. Und es kann auch nicht sein – und das ist für mich eine besondere Zumutung – diese sogenannte „Überdeckung“, ich weiß nicht, ob Sie das Wort schon einmal in diesem Zusammenhang gehört haben, vielleicht Kollegin Hinterholzer – eine Stunde wird verrechnet und die Pflegepersonen werden angehalten, doch schneller fertig zu sein mit der Pflege. Diese Praktiken sind wirklich schleunigst abzustellen. Das Wichtigste aber kurz und bündig am Schluss: Die Landesregierung ist jetzt gefordert die Pflegereform mit den nötigen Maßnahmen in Niederösterreich zu füllen und das erwarte ich mir rasch. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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