Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2086/A-8/52-2022 – Neue Konzepte für die Pflege sind gefragt – leistbare, transparente und menschliche Lösungen für Niederösterreich
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe am Wochenende einen jungen Mann getroffen, der sich kurz vor Abschluss seiner dreijährigen Ausbildung als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger befindet – nennen wir ihn Mario. Ich habe ihn nach seinen täglichen Erfahrungen gefragt, sowohl was die Ausbildung als auch was die Praxis betrifft. Ich habe ihn auch zu seinen Wünschen und Zielen gefragt nach Abschluss der Ausbildung. Mario ist ein junger Mensch mit weiterhin sehr viel Interesse für seine Berufswahl, aber mit durchaus sehr gedämpften Erwartungen, wenn wir über die angekündigte Pflegereform gesprochen haben, die letzte Woche bekanntgegeben worden ist. Mit einem Wort: Ein „Gamechanger“ ist diese Pflegereform nicht. Was letzte Woche Sozialminister Rauch gemeinsam mit den Klubobleuten Maurer und Wöginger angekündigt hat, das kann man ja kurz zusammenfassen. Erstens: Es war „Tag der Pflege“ und da sollte man wohl zumindest etwas zur Pflegereform sagen. Zweitens: Pressekonferenz war auch schon lange nicht mehr. Jetzt nachdem uns das Virus laut Bundeskanzler ja nicht mehr zu kümmern hat, die Pflege aber sehr wohl, machen wir halt eine Pressekonferenz. Und Drittens: Seit der Impflotterie wurde schon lange keine Milliarde mehr versprochen. Es gibt natürlich auch positive Punkte, um das zuallererst zu nennen. Es gibt Bemühungen, die Attraktivität der Ausbildung zu verbessern. Es ist auch positiv zu nennen, dass es eine bessere Entlohnung geben soll für Pflegekräfte und auch, dass zusätzlich zu den Bonuszahlungen auch zusätzliche Freizeitabgeltung möglich sein soll. Ein wenig möchte man auch in die Kompetenzerweiterung der Pflegeberufe eingreifen. Also das ist ja schon ein großer Batzen Geld, das muss man auch zugestehen – nämlich 1 Milliarde. Das klingt wunderbar. Die Frage ist aber: Werden damit auch strukturelle Probleme angegangen? Leider nein. Was hier passiert ist, dass jetzt 1 Milliarde in Löcher gekippt wird, von denen wir noch nicht wissen, wie tief sie sind. Mehr Geld für eine Ausbildung ist gut. Eine Reform ist das nicht. Da stimme ich überein mit der Pflegewissenschafterin, die von Karin Scheele zitiert wurde. Eine Pflegereform ist das nicht. Zum Vergleich: Unser Pflegekonzept, das wir in einem sehr umfassenden Prozess vor drei Jahren vorgestellt haben – also ein umfassender Prozess, der nämlich alle Betroffenen eingeladen hat und die da auch mitgewirkt haben – das war ein umfassendes Konzept. Das, was die Sozialdemokraten vorlegen, ist ein umfassendes Konzept. Umfassender als das, was in dieser Pressekonferenz angekündigt wurde. Wir stimmen in einigen Punkten da sehr gut überein. (Beifall bei den NEOS und SPÖ.) Ich muss aber dazusagen, in einigen anderen nicht so sehr. Da haben wir andere Zugänge. (Heiterkeit bei Abg. Hundsmüller.) Aber es ist etwas, worüber man diskutieren kann und man würde sich in dem einen oder anderen Punkt finden. Jetzt zu den strukturellen Problemen. Was meine ich damit? Ich bringe auch ein paar konkrete Beispiele: Die Pflege ist zu einem großen Teil Länderkompetenz. Das hat der Sozialminister richtigerweise auch angeführt. Die Frage ist: Weiß das die zuständige Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister in Niederösterreich auch? (LR Mag. Teschl-Hofmeister: Natürlich.) Ich fürchte nein, weil sie hat am „Tag der Pflege“ über Medien Maßnahmen des Bundes gefordert, anstatt an einer Ausarbeitung eines niederösterreichischen Pflegekonzepts zu arbeiten (Abg. Schmidl: Wir haben mitgearbeitet.) und die Verantwortung dafür wahrzunehmen. Vielleicht arbeitet sie dran, aber sie behält sich noch vor, darüber im Detail auch Bericht zu erstatten. Mit diesem Hin- und Herschieben von Verantwortung Bund und Land, wobei ja beide eine Verantwortung haben, ist halt niemandem gedient, sondern das zeigt eigentlich nur die negativen Aspekte des Föderalismus. Das kann nicht im Sinne der Betroffenen sein. Zweiter Punkt, zweites Beispiel: Es gibt sehr unterschiedliche Pflegesituationen. Auf der einen Seite ist sehr, sehr stark die Altenpflege im Fokus, ist auch eines der bedeutsamsten Bereiche. Es gibt natürlich die Pflege in den Spitälern. Das betrifft dann alle Altersgruppen. Oder auch Pflege im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung. Also es gibt sehr, sehr vielfältige Situationen, wo Pflege erforderlich ist und auch damit sehr vielfältige Kompetenzen, die gefordert sind. Auf diese Bedürfnisse wird aber zu wenig flexibel eingegangen und das ist sicher etwas, was man in einer Pflegereform, die diesen Namen auch verdient, entsprechend berücksichtigen muss. Da gibt es auch viele innovative Konzepte und es wäre schon an der Zeit einmal ein bisschen links und rechts zu schauen und nicht nur die eingetretenen Pfade weiterzugehen … diese Konzepte auch zuzulassen, jetzt speziell in der Hauskrankenpflege z. B. mit dem „Buurtzorg-Modell“ oder mit dem Modell „Community Nurse“, was übrigens wahrscheinlich so etwas wie dieser „One-Stop-Shop“ in Niederösterreich sein kann, wenn wir das wirklich flächendeckend machen und das wäre sicher eine sehr, sehr sinnvolle Sache. Drittens: Die steigende Lebenserwartung führt nicht zu mehr gesunden Lebensjahren, sondern wird viel mehr als Begründung für den enorm steigenden Pflegebedarf herangezogen. Wenn wir das nur linear so fortdenken, ist das ja auch richtig – also längere Lebensdauer, mehr Krankheiten – aber das können wir nicht einfach so achselzuckend zur Kenntnis nehmen, ohne etwas dagegen zu tun. Das kommt hier auch noch nicht vor. Es ist auch schon von vielen Stellen darauf hingewiesen worden, aber ist bis jetzt noch nicht drinnen. Was in dieser Pflegereform oder in dieser Ankündigung komplett fehlt, sind Antworten auf: Wie soll Pflege konkret ausgestaltet sein? Was kann der Einzelne beitragen? Hier haben wir auch im Bereich Prävention heute schon etwas gehört. Wo braucht es Profis? Und was muss die Gesellschaft leisten? Zweiter Bereich: Wo soll Pflege stattfinden? Da sind wir eben bei zu Hause, bei mobil, bei ambulant, bei stationär. Wer braucht welche Unterstützung? Da sind wir nicht nur beim Geld. Es geht nicht nur ums Geld. Es geht ganz, ganz oft auch um die Möglichkeit hier auszuhelfen, etwas einmal abzugeben oder auch nur Information zu geben, wie man bestimmte Bereiche auch besser aushalten kann und durchstehen kann. Wer sind die Trägerinnen in der Pflege? Welche Arbeitsbedingungen brauchen sie – ganz, ganz wesentlicher Bereich – damit sie ihrem Beruf nachgehen können und nicht darin verglühen? Ich kenne nicht alle Antworten auf diese Fragen, weil ich ein Fan davon bin, dass man auch die Betroffenen befragt, was sie brauchen, was sie benötigen und gemeinsam ein entsprechendes Konzept ausarbeitet. Ich weiß aber zumindest, dass die Uhr tickt, dass wir akut Lösungen brauchen und dass wir auch nachhaltige Lösungen brauchen. Bei nachhaltig sind wir beim Thema „Finanzierung“. Das müssen wir schon im Auge behalten. Das heißt nicht, dass man sagt: „Wir haben kein Geld.“ Das ist nicht die Lösung, sondern: Wie können wir das gut finanzieren? Man muss nämlich auch schon darauf hinweisen, dass das, was von der Bundesseite zumindest vorliegt, ja nur Ankündigungen sind. Seit Jahren wird eingefordert, eine Reform auszuarbeiten. Da gibt es ein ganzes Ministerium dafür, das diesen Schwerpunkt eigentlich seit Jahren haben sollte, wenn ich jetzt das Sozialministerium heranziehe und es gibt auch keinen Reformentwurf, es gibt keine Gesetzesvorlage und es gibt auch nicht einmal einen Antrag im Budgetausschuss des Parlaments bis jetzt, diese Mittel bereitzustellen. Noch gar nichts. Und das ist zu wenig. Die Ankündigung als politisches Mittel hat die Episode „Kurz“ offensichtlich überlebt. Aber das Leben der Pflegebedürftigen, der Pflegekräfte und der pflegenden Angehörigen hat es bist jetzt noch nicht erleichtert. Was wir brauchen, ist mehr Gesundheitsbildung und Prävention, weil wir unbedingt darauf achten müssen, dass Menschen durch ein gesünderes Leben auch deutlich später Pflegeleistungen in Anspruch nehmen müssen. Das ist ja auch nicht aus Jux und Tollerei, das man sagt: „Jetzt ist es so weit. Jetzt nehme ich Pflege in Anspruch“, sondern natürlich ist man dann in einer Situation, wo man das benötigt und es ist allen geholfen und zuallererst einmal den älteren Personen, wenn wir an die Altenpflege denken, wenn sie länger fit und gesund und selbstbestimmt leben können. Das ist ein sehr langfristiger Ansatz, aber den müssen wir natürlich umso früher angehen. Viertens: Mehr Investition in qualifizierte Pflegekräfte. Da ist in diesen – wie gesagt – Ankündigungen wieder nur drinnen … oder ja … es ist schon ein bisschen so ein: Wie kann man mit Geld möglichst viele Personen auch ruhigstellen und gleichzeitig nämlich auf billigere Arbeitskräfte setzen? Es sind z. B. auch bei der Kompetenzerweiterung, die ja angedacht wird … geht man gar nicht auf die Diplomierten oder den gehobenen Dienst ein, sondern man versucht die unteren Qualifikationsstufen hier stärker mit Kompetenzen auszustatten, was sicher auch eine Frage ist, ob das verantwortbar ist? Wir müssen aber die hochqualifizierten Pflegekräfte zu den Betroffenen bringen. Da habe ich vorhin schon die Pflegemodelle „Buurtzorg“ und „Community Nurse“ angesprochen. Auch die 24-Stunden-Betreuung – in dem Sinn keine Pflege, aber sie ersetzt fehlende Angehörige für bestimmte Tätigkeiten und sie unterstützt pflegende Angehörige – kommt in dieser Reform gleich gar nicht vor oder wird auf den Herbst verwiesen. Wir wissen ja, was ein Verweis von einer Ankündigung, um eine spätere Ankündigung vornehmen zu können, in den letzten Jahren so bewirkt hat. Dabei braucht es gerade dort mehr Qualifizierung und auch eine soziale Absicherung für die Personen, die diese Tätigkeiten auch ausführen.
Präsident Mag. Wilfing: Frau Abgeordnete, ich muss Sie auf die Redezeit hinweisen.
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Dankeschön. Ja, dann möchte ich nur ganz kurz sagen: Wir brauchen diese klare Kompetenzverteilung mit einer entsprechenden klaren Finanzierung, weil es eine gesamtgesellschaftliche Ausgabe ist und die Menschen die Sicherheit brauchen, ihr Alter in Würde verbringen zu können. Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
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- Mödling
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- Landtagsfraktion der NEOS Niederösterreich (ohne Klubstatus)
- Wahlpartei:
- NEOS – Das Neue Niederösterreich