Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2048/A-8/51-2022 – Stoppt Lebendtier-Transportqual
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Windholz, MSc(SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Landesregierung! Hohes Haus! Ich möchte die Aktuelle Stunde nutzen, um über die aktuelle Situation innerhalb der EU zum Tierschutz und zu den Transportverordnungen, zum Schutz von Tieren beim Transport zu sprechen und dabei wird zwischen Transporten unter und über acht Stunden unterschieden. Meine Vorrednerinnen haben das schon ausgeführt. Alle Transporte, die länger als acht Stunden dauern, gelten als Langstreckentransporte. Bei diesen Transporten gelten besondere Vorgaben. Die Transportfahrzeuge und Schiffe müssen bestimmten Anforderungen an die Ausstattung erfüllen. Es müssen Pausenzeiten eingehalten und der gesamte Transportverlauf mit einem Navigationssystem dokumentiert werden. In einem Urteil von 2015 hat der Europäische Gerichtshof zudem konstatiert, dass diese Vorgaben auch über die EU-Grenzen bis zum Zielort hinaus zu gelten haben. Insofern gewisse Voraussetzungen am Fahrzeug erfüllt sind, ist es erlaubt, die Tiere mit entsprechenden Pausen tage- bis wochenlang zu transportieren. Die Ruhezeiten werden jedoch in der Regel nicht wie vorgeschrieben eingehalten, weil entweder gar keine oder keine den vorgeschriebenen EU-Standards entsprechenden Versorgungsstationen außerhalb der EU existieren. Systematische Verstöße gegen geltendes Recht sind daher eher die Praxis als die Ausnahme, was zu fatalen Transportbedingungen führt. So dürfen z. B. unter den derzeit geltenden Regeln Tiere absurd lange transportiert werden. Rinder z. B. 29 Stunden oder Schweine 24 Stunden – ohne jegliche Pause. Jede Beförderung von Nutztieren ist mit Stress verbunden und kann sich negativ auf ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen auswirken. Die bei den Tieren durch die langen Fahrten ausgelösten Stresshormone vermindern zudem massiv die Qualität des Fleisches, was wiederum den Konsumenten schadet. Durch die langen Transporte kommt es aber auch zu einem erheblichen CO2 Fußabdruck. Der Europäische Rechnungshof hat in seinem Sonderbericht Nr. 31 aus 2018 zudem festgestellt, dass bei den EU-Maßnahmen für den Tierschutz, beim Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere weiterhin Schwachstellen bestehen. Als Folge werden vom Rechnungshof eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der Verwaltung der Tierschutzpolitik an die Kommission unterbreitet. Die Empfehlungen betreffen den strategischen Rahmen für Tierschutz, eine wirksame Durchsetzung, Leitlinien zur Einhaltung der Vorschriften, eine stärkere Verknüpfung von „Cross Compliance“ und Tierschutz sowie Maßnahmen zur besseren Erreichung der Tierschutzziele durch die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums. Am 20.1.2022 hat das Europaparlament über Empfehlungen an die EU-Kommission im Bereich Tiertransporte abgestimmt. Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses bestätigten die vorgenannten fatalen Transportbedingungen und haben noch andere Mängel aufgedeckt. Nach Rücksprache mit unserem Abgeordneten Dr. Günther Sigl und der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament wurden unsererseits Änderungsanträge unterstützt, um ein generelles Transportlimit von acht Stunden sowie ein Verbot des Transportes von nicht abgesetzten Jungtieren zu fordern. Leider hat eine konservative Mehrheit diese wichtige Forderungen verhindert. Als Empfehlung gibt es jetzt zwar eine maximale Transportdauer von acht Stunden, allerdings nur für Tiere, die für den Schlachthof bestimmt sind. Die Beschränkung der Transporte auf dem Seeweg hat leider keine Mehrheit gefunden. Tiere unter fünf Wochen – so heißt es in der Empfehlung – dürfen nicht transportiert werden. Für nicht abgesetzte Tiere darf eine Transportzeit von zwei Stunden nicht überschritten werden. Positiv hervorzuheben ist, dass das Verbot von Transporten in Drittstaaten, in denen europäische Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, ein Zeitlimit von maximal vier Stunden für den Transport von sehr alten Tieren sowie Hasen und Geflügel sowie die verpflichtende Anwesenheit eines Veterinärs auf Transportschiffen empfohlen wird. Seitens der Tierschutzvereine gibt es Forderungen, dass Lebendtiertransporte von Schlachtvieh durch die gesamte EU generell verboten werden sollen. Tiere sollen nur noch vom Bauern zu den nächstgelegenen, geeigneten Schlachthöfen transportiert werden dürfen und die weitere Verbringung des Fleisches sollte danach nur noch gekühlt oder gefroren erlaubt sein. Ein Beispiel: In Niederösterreich gibt es zahlreiche kleine Betriebe zusätzlich zu zwei frequenzstarken Schlachthöfen im Most- und Industrieviertel, wo eine Anfahrt von maximal zwei bis zweieinhalb durchaus machbar ist. Der Untersuchungsausschuss im Europäischen Parlament hat zu den bereits vorgenannten Punkten weitere Mängel festgestellt: mangelhafte Umsetzung der besagten Verordnung teils aufgrund der Unterschiede bei der Auslegung der Anforderungen, teils aufgrund der fehlenden Kontrolle durch die Mitgliedsstaaten. Den verschiedenen Bedürfnissen der Tiere während des Transports in der Verordnung wird nicht umfassend Rechnung getragen – weder in Bezug auf ihre Art, ihr Alter, ihre Größe und ihre körperliche Verfassung noch ein Bezug auf spezifische Anforderungen bei der Fütterung oder Tränkung, aber auch Verstöße betreffend mangelnde Stehhöhe, mangelnde Transportfähigkeit der Tiere, Überfüllung, Transporte bei extremen Temperaturen und die Beförderungsdauer an sich. Der Bericht macht aber auch auf die zahlreichen Hinweise und Information von Bürgern nicht staatlicher Organisationen und in Prüfberichten zu Tierschutzproblemen während Transporten und zur Nichteinhaltung der Verordnung aufmerksam. Insbesondere in Bezug auf lange Transporte und Transporte in Drittländer, die durch die Verpflichtung der Europäischen Union den Tierschutz während Transporten sicherzustellen, einfach umgangen werden. Des Weiteren ungeeignete Fahrzeuge, die für den Transport von lebenden Tieren auf dem Land-/Seeweg eingesetzt werden, gibt es größere Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Auslegung und Durchsetzung der Verordnung bzw. hinsichtlich der Zulassung der Transportmittel. Überprüfungs- und Zertifizierungsverfahren für Transportschiffe sind nicht harmonisiert und es gibt keine verbindlichen Prüfungskriterien. Das bringt mich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, zu den Lösungsansätzen, die bei der zu erwartenden Revision 2023 angestrebt werden müssen. Bei grenzüberschreitenden Tiertransporten soll grundsätzlich und wann immer möglich der Transport von Fleisch den Lebendtiertransporten vorgezogen werden. Anstelle einer Marktkonzentration auf einzelne große Schlachtbetriebe sollte ein dezentrales Netz aus Schlachteinrichtungen etabliert werden. Diese würde gewährleisten, dass die Tiere am nächstgelegenen, eigenen Ort geschlachtet werden und somit jede zusätzliche und unnötige Kilometer vermieden werden. Damit der Strukturwandel gelingen kann, muss die EU ihre gesamte Förderpolitik der gemeinsamen Agrarpolitik umstellen. Es darf nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip gefördert werden, sondern Förderungen müssen an einer Reduktion der Tierbestände gekoppelt werden. Die exportorientierte Fleischwirtschaft muss zurück zu lokalen und regionalen Strukturen finden und sich auf eine lokale Aufzucht, Mästung und Schlachtung fokussieren. Die starke globale Exportorientierung und Konzentration auf einige wenige Großbetriebe muss daher beendet werden. Aber auch der Umgang mit unseren Tieren auch in Niederösterreich ist in einigen Fällen an Unmenschlichkeit kaum zu übertreffen. Wir weisen ja nicht zum ersten Mal auf diese unhaltbare Situation mit Anträgen und Aussendungen hin. Der Transport auf engstem Raum und unter Aussetzung unglaublicher klimatischer Bedingungen alleine stellt bereits eine Ausnahmesituation für die Lebewesen dar. Für uns Sozialdemokraten ist es unbegreiflich, wie es für solche Transporte keine zeitliche Beschränkung geben kann. Im Moment ist es also auf legalem Wege möglich, stunden-, wenn nicht sogar tagelang, durchgehende Tierquälerei zu betreiben. Mit Menschlichkeit, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hat das wenig zu tun. Es zeigt sich allerdings im Alltag der Lebewesen ein weiteres Problem: Auch von Niederösterreich werden Tiere immer wieder ohne zu zögern in Drittstaaten transportiert, in denen grausame Schlachtpraktiken üblich sind. Um ein Beispiel zu nennen: Mancherorts werden den Tieren im Vorfeld ihre Sehnen durchgeschnitten und die Augen ausgestochen, damit diese während der Schlachtung nicht weglaufen können. Solches Verhalten dürfen wir nicht einfach und tatenlos hinnehmen und unterstützen. Wir stellen überdies mit Bedauern fest, dass man das große Leid der Tiere durch unkomplizierte gesetzliche Regelungen auf Bundesebene beseitigen könnte. Jedoch zieht hier die ÖVP leider nicht mit. Wir brachten deshalb in den Landtag ein, dass wir als Land NÖ die Bundesregierung zum Handeln auffordern müssen. Konkret schlugen wir vor, dass betroffene Tiere immer nur bis zum nächstgelegenen Schlachthof transportiert werden dürfen. Neben dem Ende des Leids dieser Tiere hätte auch das positive Nebeneffekte auf die Regionalität und die Umwelt in Niederösterreich. Ich darf daran erinnern: Unser Antrag wurde von der ÖVP und den Freiheitlichen im Haus abgelehnt. Die FPÖ hat dieses Volksbegehren aus 2021 ja ebenfalls unterstützt. Es wäre besser – aus unserer Sicht – wenn Herr Landesrat Waldhäusl ausgehend davon handeln und umsetzen würde, statt wieder ein Volksbegehren zu starten. Der Forderungskatalog des letztjährigen Volksbegehrens, welches über 400.000 Menschen unterschrieben haben, ist bekannt. Demnach zu handeln ist die Lösung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
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