Zusammenfassung
Antrag des Sozial-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1953/A-1/141-2022 – Voraussetzungen für Pflege und Betreuung mit Zukunft
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns hier heute mit einem der wichtigsten sozial- und gesundheitspolitischen Themen, die es aktuell überhaupt gibt und trotzdem erschöpft sich dieses riesige und komplexe Thema der Gesundheits- und Sozialpolitik – und ich nenne das wirklich ganz bewusst gemeinsam – in einem einzigen Antrag der ÖVP. In dem geht es eigentlich nur darum ein paar Löcher zu stopfen in einem kaputten Boot, gerade so, dass man darin sitzen bleiben kann und gerade so, dass man nicht untergeht. Da frage ich mich schon: Ist das Ihr Ernst? Ist die ÖVP wirklich so plan- und ideenlos? Dürfen Sie keine Lösungskompetenz haben oder können Sie es wirklich nicht? Ich zitiere aus dem vorliegenden Antrag, da steht unter anderem Ihr gern verwendeter „Claim“ der letzten Monate und parallel tut das Land NÖ, was ein Land tun kann für Pflege und Betreuung mit Zukunft. Dem stelle ich ein anderes Zitat gegenüber. Es stammt aus dem Mund der Mutter der Pflege, von Florence Nightingale, und ich übersetze das sinngemäß. Sie hat gesagt: „Nicht Worte, sondern Handlungen und Ergebnisse braucht das Land.“ Die Bundeskompetenz in der Pflege liegt bei der Festlegung der Grundsätze. Es ist aber nicht so, dass Sie als Landesregierung – und es ist ja niemand da, also offensichtlich ist dieses Thema unglaublich wichtig genommen von der Landesregierung – keine Kompetenzen haben, sondern die Vollziehungs- und die Ausführungskompetenz ist komplett Ländersache. Daher müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, ob Niederösterreich wirklich alles tut, was das Land tun kann oder ob das – Vorsicht Spoiler – wieder einmal eine dieser leeren Worthülsen ist, um die noch relativ kurze Zeit bis zur nächsten Wahl zu überbrücken. Die Forderungen des Antrags sind die Minimalversion der Minimalversion der Minimalversion dessen, was in der Pflege gebraucht wird: so mutlos, so ideenlos, so unfassbar traurig. Ihr Ansatz da drinnen ist: Ausbildungsprämien. Eh super, aber was braucht man wirklich? Man braucht gute, angemessene Arbeitsbedingungen, damit die Menschen diesen Beruf ergreifen wollen und in diesem Beruf auch drinnenbleiben wollen. Ihr Ansatz: Teilbarkeit von 24-Stunden-Betreuung. Was braucht es wirklich in der 24-Stunden-Betreuung? Der Herr Kollege Erber weiß das ganz sicher. Er darf nur wahrscheinlich nicht mehr hineinschreiben in so einen Antrag. Es braucht eine höhere Qualifizierung. Es braucht Qualitätsstandards. Es braucht eine soziale Absicherung für die Betreuerinnen und Betreuer und es braucht wohnortnahe Anlaufstellen sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Angehörigen. Noch ein Ansatz, der vorkommt in dem Antrag: Sicherstellung der Finanzierung. „No na.“ Natürlich braucht es eine Sicherstellung der Finanzierung, eine langfristige Sicherstellung. Aber so, wie wir das schon bei anderen Anträgen heute gehört haben, geht es ja nicht nur darum, Geld in irgendein System zu schaufeln, sondern es geht doch darum zu schauen: Was wird gebraucht? Und wie kann man das am besten machen und wie kann man das nachhaltig finanzieren? Deshalb braucht es auch hier dieses „Pflegegesamtkonzept“ und das ist nicht ein leeres Wort. Da ist ja Inhalt drinnen. Das muss ja inhaltlich gefüllt sein und es muss einen Finanzierungsteil haben. Die inhaltlichen Punkte da drinnen sind – wir kennen sie schon längst alle: Was erwartet uns durch die demographische Entwicklung? Was bedeutet das – wenn die Lebenserwartung steigt – für den Gesundheitszustand der älteren Bevölkerung? Wie können wir erreichen, dass Menschen zu einem späteren Zeitpunkt Pflegeleistungen benötigen? Wie, wo und durch wen findet Pflege statt? Welche Qualifikationen und Strukturen werden dafür benötigt? Was funktioniert bereits gut – es ist ja nicht so, dass wir nichts haben – und wo muss dringend nachgebessert werden? Und der zweite Teil ist dieses Konzept für die Finanzierung und da könnte man darüber diskutieren, ob man da von einem Beitrags, teilweise steuerfinanzierten, Konzept auf eines der beiden Modelle umsteigt. Wie könnte man einen Fonds dotieren – wodurch wird der nachhaltig abgesichert? – der sich genau darum kümmert? Das wäre umzusetzen. Tatsächlich haben aber vor mittlerweile schon fast fünf Jahren die politischen Parteien – alle außer NEOS – den Pflegeregress abgeschafft. Das ist eine Vogel-Strauß-Politik und das ist eigentlich so ein Paradebeispiel dafür, dass man es immer wieder nennen muss. Man könnte sagen, man geht halt Schritt für Schritt. Aber in dem Fall ist halt der letzte Schritt vor dem ersten gegangen worden. Das ist nicht so, dass man das nicht hätte abschaffen können, aber ich brauche ja zuerst gesamt eine Idee darüber, was wir wann brauchen und wie wir es finanzieren. Wir haben einen ganz wesentlichen Hebel in der Betrachtung der Gesundheits- und Pflegepolitik, der in diesem Antrag überhaupt nicht vorkommt. Wie schaffen wir es, dass die Menschen länger gesund bleiben, dass sie gesünder alt werden? Da ist genau nichts drinnen in dem ganzen Antrag und das ist eigentlich der größte Hebel und ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass dieses Wissen um Prävention, dass das vor der ÖVP Niederösterreich geheimgehalten wird. Auch wenn die Landesrätin darauf achtet – sie ist ja heute auch nicht da – dass meine Tour durch die Pflegeheime möglichst verhindert wird und dass wir NEOS am besten nicht mit irgendwelchen Praktikerinnen und Praktikern sprechen, gibt es über die Herausforderungen im Pflegebereich aber doch einige, die uns Auskunft geben und uns auch ihre Sicht der Dinge schildern. Vielleicht sollten Sie auch öfter einmal die Gelegenheit nutzen und mit Pflegewissenschafterinnen, mit Hausärzten, mit Gesundheitsökonomen und Praktikern, Praktikerinnen in dem Bereich auch zu sprechen oder ich empfehle ein Buch an dieser Stelle, ein sehr aktuelles Buch von Barbara Fisa, Norbert Bachl und Alexander Biach mit dem Titel „Raus aus der Pflegefalle“. Prävention, also die Vorbeugung und Krankheitsvermeidung, macht bei den gesamten laufenden Gesundheitskosten nur einen Bruchteil aus. Daher sind wir – und ich zitiere aus diesem Werk (liest:)„Weltmeister in der Reparaturmedizin und Schlusslicht bei der Prävention und Gesunderhaltung“. Wir könnten jetzt einen ganzen Nachmittag, der schon fast vorbei ist, und den Abend damit verbringen, Schuldzuweisungen zu machen, warum das so ist. Aber wir können auch die nächsten Minuten oder die nächste halbe Stunde damit verbringen zu überlegen: Was ist zu tun, damit wir – uns selbst auch – aber insgesamt der niederösterreichischen Bevölkerung ein Altern in Würde und Gesundheit ermöglichen? Ich wage zu behaupten, dass die Lösung auch hier einen liberalen Ansatz … dass das hier zu finden ist. Es beginnt mit einer Eigenverantwortung in einer Verbindung mit Solidarität und mit Anreizsystemen. Dann funktionieren sowohl der Markt als auch der Sozialstaat. Was ist es also, was man laut Analyse von Expertinnen und Experten braucht? Erstens: Eine Etablierung von Vorsorgeprogrammen. Wir alle kennen das oder alle, die Eltern sind, kennen den Mutter-Kind-Pass. Aber wir bräuchten auch einen, der dann die späteren Lebensphasen begleitet und hier mit ganz konkreten Zielen auch arbeitet im Bereich von Ernährung, von Bewegung, von Sozialkontakten, die ja einen wesentlichen Anteil daran haben, wie gesund Menschen dann auch sind. Zweitens: Die rasche Umsetzung der Ziele für die Primärversorgungseinheiten mit einem vielleicht auch Ausbau, mit Pflegekompetenzzentren, die wohnortnahe gut verfügbar sind. Da kann ich die ganze Hauskrankenpflege miteinbeziehen in unterschiedlichen, losen Kooperationen oder mit einer Eingliederung. Drittens: Chronika-Programme. Es ist ganz, ganz massiv, wie stark die Menschen beeinträchtigt sind und wie frühzeitig im Vergleich zu anderen Ländern hier auch eine massive Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes stattfindet, wenn es hier keine flächendeckenden Chronikaprogramme – also speziell im Bereich „Diabetes“ gibt. Viertens: Eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Perspektiven für den Pflegeberuf und Fünftens: Forschungsgeld. Ganz speziell auch wie unterstützt man auch in Zukunft neue Strukturen, die es geben wird mit der E-Medizin, mit digitalen Prozessen, mit Hilfsmitteln? Hier brauchen wir wirklich innovative Lösungen. Ja, eine substanzielle Veränderung im Pflegebereich bedeutet, die Fenster aufzureißen und frische Luft und frische Ideen hereinzulassen. Es bedeutet, die passive Versorgungsmentalität und auch den inneren Schweinehund zu überwinden und aktiv zu werden. Es bedeutet, sich mehr Lebensqualität zu erarbeiten. Das ist auch etwas, was wir schon fast nicht mehr gewohnt sind, dass wir das von uns selber auch fordern, aber es wird uns nicht geschenkt. Es ist etwas, wofür wir etwas tun müssen und was auch sehr positive Aspekte hat, wenn man sich das erarbeitet. Schließlich ein generationengerechtes und nachhaltiges Gesundheits- und Pflegesystem für alle zu sichern. „Es bedeutet“ – und hier zitiere ich noch einmal aus dem Buch „Raus aus der Pflegefalle“(liest:)„Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als langfristig die Pflegenotwendigkeit zu vermindern statt Ressourcen zu verschwenden.“ Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist es, was verantwortungsbewusste Landespolitiker für Pflege und Betreuung in Zukunft tun können und tun müssen. Wenn Sie Gesundheit und Pflege nicht in einem denken, dann haben Sie den Auftrag leider nicht verstanden. Diesem mutlosen Alibiantrag können wir nicht zustimmen. Das geht besser. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
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