Zusammenfassung
Antrag des Wirtschafts- und Finanz-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1956-1/A-3/659-2022 – Stärkung der militärischen Sicherheit durch langfristige Erhöhung der Regelbudgets für das Österreichische Bundesheer
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Hofer-Gruber (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wieder einmal hat es ein externes Ereignis gebraucht, um eine Debatte über das Bundesheer zu führen. Diesmal ist es ein besonders dramatischer Anlassfall: Krieg vor unserer Haustüre. Ein Angriffskrieg, wie wir ihn als friedensverwöhnte Europäerinnen gar nicht mehr für möglich gehalten haben. Wenn der Kollege Landbauer diesen einseitig geführten Angriffskrieg als kriegerische Auseinandersetzung bezeichnet, dann frage ich mich, vielleicht sagt er das nächste Mal „Militäroperation“. Könnte ja sein. Aber es hat schon weniger dramatische Anlässe gegeben, um über das Bundesheer zu diskutieren: ein Ministerwechsel, ein „Beinahe-Blackout“. Es hat auch Tiefpunkte in der Debatte gegeben: etwa die anlässlich einer Landtagswahl aufgeworfene Frage über die allgemeine Wehrpflicht, die dann zu einer Volksbefragung geführt hat und die ist dann gleich in den Rang einer Volksabstimmung gehoben worden, damit man sich weitere Diskussionen erspart. Es ist ja löblich, dass auch jetzt eine Debatte über das Bundesheer geführt wird. Jetzt, wo allen klar wird, dass Frieden, Freiheit und Demokratie keine Selbstläufer sind und jeden Tag aufs Neue bestätigt und verteidigt werden müssen – und zwar von uns allen, von jedem Einzelnen, jeden Tag. Aber das Pferd wird schon wieder von hinten aufgezäumt. Der Ruf nach mehr Geld für das Bundesheer ertönt: mindestens ein Prozent vom BIP, mindestens zwei Prozent. Wer bietet mehr? Aber dass Geld allein nicht reicht, sieht man in anderen Bereichen. Wir haben ein teures Schulwesen, das reihenweise Analphabeten und Schulabbrecher produziert. Fast 25 % der Pflichtschulabgänger können nicht ausreichend sinnerfassend lesen. Wir haben ein teures Gesundheitswesen, das neben einer Zwei-Klassen-Medizin eine sehr traurige Bilanz zeigt, wenn es um gesunde Lebensjahre geht – und das ist ja eigentlich das, was ein Gesundheitswesen bringen sollte. Schweden kann da auf 73 gesunde Lebensjahre verweisen. Der OECD-Schnitt liegt bei 63, Österreich hinkt da mit 57 Jahren gewaltig nach. Man sieht: Geld ist nicht alles und bevor wir das Verteidigungsbudget auch nur um einen Euro erhöhen, müssen wir klar ausschildern, was das Heer denn können soll – und zwar in einem europäischen Kontext. Wer heute noch den Fokus auf die Sicherung der österreichischen Grenzen und des österreichischen Luftraums legt, hat nicht verstanden, wie sich die Weltordnung in den letzten 70 Jahren verändert hat und vor allem, was der EU-Beitritt Österreichs bedeutet und welchen Platz Österreich in einem freien, wehrhaften Europa einnehmen kann und muss. Mehr Geld wird auch nicht helfen, wenn es – wie in Österreich üblich – in mehr Struktur, mehr Administration, mehr PR und Studien, die dann irgendwelchen Parteifreunden zugeschanzt werden, gesteckt wird. Das Erste, meine Damen und Herren, was jetzt passieren muss, ist dass sich die Verteidigungsministerin nicht auf eine Kennenlerntour zu Airbus begibt, sondern gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung und ihren europäischen Amtskollegen große Schritte zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternimmt. Dabei muss klar definiert werden, welche Anforderungen an das österreichische Bundesheer gestellt werden und welche nicht. Ein „bissl“ von allem – „bissl da, bissl da“ – wird genau nichts nützen. Aber die eigenen Fähigkeiten in eine gesamteuropäische Verteidigungsarchitektur einzubringen, wird sehr wohl sinnvoll sein. Es wird sinnvoll sein bei der Anschaffung von militärischem Gerät – und zwar ab sofort – auf Kompatibilität mit bestehenden in der EU eingesetzten Systemen zu achten und nicht das zu kaufen, wo Graf Ali und andere zwielichtige Gestalten die höchsten Provisionen abräumen können. Dabei wird ein Signal für unsere internationalen Partner wichtig sein, dass Österreich bereit ist vom Trittbrett zu steigen, auf dem wir uns scheinbar so wohl fühlen. Aber nicht vom Trittbrett hinunter, sondern vom Trittbrett hinein in den Zug, der zwar noch ruckelt, aber im Lichte des Ukrainekriegs schnell an Fahrt aufnehmen wird und der sich in Richtung gemeinsamer Schutz der EU-Außengrenzen mit einem europäischen Berufsheer bewegt. Denn eines, meine Damen und Herren, wird in Zukunft nicht mehr gehen: Nach der Devise „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ darauf vertrauen, dass die in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags von Lissabon festgelegte Beistandspflicht eine einseitige Sache ist, dass es die anderen und die NATO schon richten werden, so nach dem Motto „Du hilfst mir, ich dir aber nicht.“ Nein, das wird zu wenig sein und Österreich wird im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen, die es ja hat, einen Beitrag zu der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik leisten müssen – mit Geld, mit Ausrüstung, mit Know-how und natürlich auch mit Soldaten und Soldatinnen. Soldaten und Soldatinnen, die in internationalen Missionen auf der ganzen Welt schon jetzt im Einsatz sind, deren Fähigkeiten geschätzt werden und die – und das ist mir ganz besonders wichtig – das freiwillig als Berufssoldatinnen machen. Denn eines kann ich in dieser Debatte überhaupt nicht mehr hören: Eine EU-Armee bedeutet, dass österreichische Soldaten unter fremdem Kommando Angriffskriege führen müssen. Das ist ein völlig aus der Luft gegriffenes Totschlagargument, das jeder Grundlage entbehrt und die so notwendige Diskussion über unsere Rolle in einem sicheren Europa behindert. Eine EU-Armee muss aus Berufssoldaten bestehen, die diesen Job machen wollen und den auch gelernt haben. Das folgt schon aus der Tatsache, dass moderne Waffensysteme nur von geschulten Spezialisten bedient werden können, sonst schießt man nämlich Zivilflugzeuge ab – ist auch schon vorgekommen – und nicht von Wehrpflichtigen, die einen Lebensabschnitt in Uniform verbringen müssen, weil sie vom Staat dazu verpflichtet wurden, aber nicht weil es ihren Interessen entspricht. Dann müssten wir uns natürlich mit der heißen Kartoffel „Neutralität“ beschäftigen. Sie ist deshalb so heiß, weil wir natürlich tief in unserem Innersten wissen, dass wir hier in Österreich nie wirklich neutral waren, was die Orientierung nach Westen betrifft, weil wir wissen, dass der EU-Beitritt nur mit Wegschauen, Verdrängen und einem halbherzigen Zusatz im Artikel 23j der Bundesverfassung möglich war. Ich will jetzt aus Zeitgründen nicht darauf eingehen, was die immerwährende Neutralität im Detail bedeutet, unter welchen Umständen und mit welchem Verhandlungsziel sie seinerzeit beschlossen wurde. Nur ein paar Gedanken: Neutralität alleine schützt uns nicht – vor nichts und niemandem. Die Worte „immerwährend“ und „nie“ haben in der Politik nichts verloren. Allenfalls gehören sie in die Religion. Nichts auf dieser Welt ist „immerwährend“. Und Neutralität wird einem normalerweise nicht von den besten Freunden empfohlen – siehe Ukraine und die Vorschläge, die Putin in diese Richtung macht. Neutralität kann aber, richtig gelebt und auch in der Außensicht verstanden, auch einen Mehrwert für andere Staaten bieten: durch das Annehmen einer Vermittlerrolle des Neutralen, als gute Voraussetzung für einen Standort von internationalen Organisationen und ähnliches. Da hat der Österreicher einmal einen guten Ruf. Der ist aber durch die mutlose, opportunistische und von parteipolitischem Hickhack geprägte Politik der letzten Jahrzehnte nachhaltig beschädigt worden. Es heißt, dass man mit einer Neutralitätsdebatte keine Wahlen gewinnt. Wir NEOS waren dennoch die Einzigen, die vor der letzten EU-Wahl hier klare Worte gefunden haben – zur Neutralität und gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir tun das auch jetzt und die aktuellen Ereignisse, meine Damen und Herren, geben uns recht. An einer sachlich und faktenorientierten Neutralitätsdebatte, die nicht gleich durch einen Zuruf vom Bundeskanzler und einer schnell herbeigeführten Umfrage im Keim erstickt wird, führt aber kein Weg vorbei. Das heißt nicht, dass wir die Neutralität abschaffen müssen. Wir müssen sie aber neu denken und im europäischen Kontext neu mit Leben erfüllen. Ohne uns in diesem europäischen Kontext einzuklinken, ist jeder Ruf nach höheren Ausgaben für das Bundesheer verantwortungsloses Herumdoktern an der Sicherheit Österreichs und Europas und letztlich reine Geldverschwendung. Ich komme jetzt noch zu den Anträgen. Dem ursprünglichen 34er der ÖVP stimmen wir nur deshalb zu, weil wir sicherstellen wollen, dass das Bundesheer jetzt nicht vollkommen in seine Einzelteile zerfällt, bevor man sich überlegt, welche Rolle soll es überhaupt spielen. Aber nicht, weil wir glauben, dass damit auch nur eine einzige Zukunftsfrage gelöst wird. Es gibt aber noch etwas anderes … es ist da noch so ein Abänderungsantrag gekommen, da steht drin (liest:)„Die Bundesministerin für Landesverteidigung hat heute im Gespräch mit den Wehrsprechern aller im Nationalrat vertretenen Parteien einen 10 Milliarden schweren Neutralitätsfonds für die nächsten Jahre angekündigt, mit dem der Investitionsrückstau der letzten Jahrzehnte abgebaut werden soll. Überdies soll das Regelbudget bis 2027 auf 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden.“ Naja, Wehrsprecher aller im Nationalrat vertretenen Parteien – das sind auch wir NEOS … wir haben Rücksprache gehalten: Das hat so nicht stattgefunden und ich habe hier eine APA-Meldung, die sagt (liest:)„Die Wehrsprecher David Stögmüller, GRÜNE, Robert Laimer, SPÖ, Reinhard Bösch, FPÖ und Douglas Hoyos, NEOS, widersprachen dem allerdings umgehend und zeigten sich vom Vorgehen der Ministerin empört. Sie seien über diese Zahlen nicht informiert gewesen.“ Also bitte, meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen: Ziehen Sie diesen Abänderungsantrag zurück! Sie ersparen sich dann eine Blamage und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)
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