Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1895/A-8/47-2022 – Schalten wir um – auf ein neues KinderPROgramm für NÖ
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Silvia Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Landesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Zweiter Präsident Moser übernimmt den Vorsitz.) Wenn ich an Kinder und Politik denke, fallen mir ganz spontan zwei sehr unschöne Sachen ein: das Verhindern des Ausbaus flächendeckender Kinderbetreuung aus purem Machtstreben und Machtgier und ein Kind als Alibi für einen Rücktritt eines gescheiterten Politikers. Ich finde beides ist ein Affront gegenüber allen Müttern und Vätern, die tagtäglich mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie raufen und ihre Elternaufgaben ernst nehmen. Kinder dürfen weder Alibi noch Spielball der Politik sein. (Beifall bei den GRÜNEN.) Es ist fein, wenn die ÖVP das Thema „Kinderbetreuung“ in den Mittelpunkt setzt. Aber das Thema gibt es schon lange und ich frage mich: Was war in den letzten Jahren? Ihr seid schon ewig in der Landesregierung. Warum habt ihr bisher nichts umgesetzt? (Abg. Hinterholzer: Nichts? Hallo!) Nachmittagsbetreuung als Aufbewahrungshilfe. Ich erinnere mich noch gut an die Sommer, wo ich und mein Mann getrennt Urlaub nehmen mussten, damit wir unsere Kinder betreuen können, weil es keine Möglichkeit gab. Die Situation ist jetzt etwas besser, ja. Aber es gibt noch immer genug Handlungsbedarf und nur wenige Kindergärten erfüllen die Vereinbarkeitskriterien. Kinder sind Zukunft und Kinder brauchen Zukunft. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Kinderbetreuung, Förderung und Schule sind. Die Pandemie hat auch verstärkt dazu geführt, dass wir uns fragen: Wie geht es unseren Kindern? Wie ist ihre Situation? Was brauchen sie? Was ist für sie besonders wichtig? Das heißt aber zugleich einen Blick auf Familie, Frauen und Kinder zu werfen und das mache ich jetzt. Ich spanne einen größeren Bogen. Es ist schon gesagt worden: Wir sind in Niederösterreich weit entfernt von einem flächendeckenden Angebot an Kinderbetreuung vor allem für Kinder unter zweieinhalb Jahren, Nachmittagsbetreuung und Betreuung während der Sommermonate – nicht nur für Kindergarten-, sondern auch für Schulkinder. In der Pandemie war diese möglich und wie gut das angenommen wurde, zeigt auch den Bedarf von einer durchgehenden Kinderbetreuung. Lediglich das Anmeldeprozedere bitte dringend reformieren! Jetzt Ende Jänner, Anfang Februar schon die Zeiten genau bekanntzugeben – das ist wirklich eine Überforderung der Familien. Eine zunehmende Herausforderung ist aber auch die Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigungen. Schwere Verhaltensauffälligkeiten und Behinderungen stellen die Einrichtungen und auch die Gemeinden vor Herausforderungen. Stichwort „Aufnahme“: Stützkräfte, Kostenübernahme, stark eingeschränkte Betreuungszeiten, etc. Daher unterstützen wir auch die Forderung, dass sich das Land an den Kosten der Stützkräfte beteiligen soll. Die Arbeitsbedingungen der Elementarpädagoginnen selbst muss dringend überarbeitet werden. Es ist nicht einzusehen, dass es bundesländerweise unterschiedliche Personalschlüssel, Gruppengrößen und Bezahlung gibt. Und ich stelle in den Raum, dass attraktivere Arbeitsbedingungen zudem dazu führen würden, dass mehr Männer diesen Beruf ergreifen und das wiederum wäre für unsere Kinder enorm wichtig. (Beifall bei den GRÜNEN.) Kinderbetreuungsmöglichkeiten allein werden das Problem aber nicht lösen. Wir müssen die gesellschaftliche Entwicklung vorantreiben und zwar weg von traditionellen Rollenbildern hin zu modernen, gleichberechtigten, partnerschaftlichen Lebenskonzepten. Da muss ich sagen, hinken wir wirklich sehr nach. Kollegin Göll, was du gesagt hast, gibt mir auch zu denken: „Wenn ich das Kind mit einem Jahr in eine Kinderbetreuungseinrichtung gebe, na, wer will das schon?“ Nein, das ist genau dieser falsche Zugang. Es muss die Kinderbetreuungseinrichtung so gestaltet sein, dass ich als Mutter oder als Vater mein Kind gerne hingebe und das Kind dort auch gerne ist. (Beifall bei den GRÜNEN.) Die ungleiche Verteilung von unbezahlter Kindererziehungs-, Pflege- und Haushaltsarbeit ist extrem. Während über 90 % der Männer mit Kindern von unter 15 Jahren in Vollzeit arbeiten, sind es bei den Frauen nur knapp 20 %. Umgekehrt gesagt: Die Teilzeitquote ist bei Frauen um die 50 %. Nirgendwo in Europa ist sie so hoch. Die Folgen sind drastisch. Das Bruttolebenseinkommen und damit auch die spätere Pension sinken und die Gefahr der Altersarmut steigt enorm. Was beeinflusst die Begabungsentwicklung und den Bildungs- und Schulerfolg am meisten? Das ist wiederum der sozioökonomische Status einer Familie. Da sind wir wiederum bei der guten finanziellen Absicherung der Kinder und natürlich der Familien. In Österreich ist jedes fünfte Kind armutsgefährdet, bei Alleinerziehenden fast jedes zweite Kind. Hier hat die im Dezember veröffentlichte Kinderkostenstudie aufgezeigt: Die Kosten für ein Kind in einem Zwei-Erwachsenen-Haushalt betragen durchschnittlich 494 Euro und in einem Ein-Erwachsenen-Haushalt 900 Euro. Die durchschnittlichen einkommensunabhängigen Geldleistungen des Staates: 210 Euro. Das wird jetzt noch dramatischer, wenn wir uns die unverhältnismäßig hohen Kosten für die Kinder Alleinerziehender unter dem Aspekt anschauen, dass die Unterhaltsleistungen oft ausbleiben. 36 % der Kinder der Alleinerziehenden in Österreich müssen gänzlich ohne Unterhaltszahlungen oder Ersatzleistungen auskommen. Gerade für diese Personengruppe sind die Kosten einer Nachmittags- oder Sommerbetreuung Wahnsinn. Ich bin da sehr froh, dass Sozialminister Mückstein und Justizministerin Alma Zadic derzeit an einer gesetzlichen Lösung arbeiten, um die bestehenden Lücken im Unterhaltsvorschuss zu schließen. In Niederösterreich sind es im Übrigen 35.000 Kinder, die armutsgefährdet sind. Jedes Kind hat unabhängig von seinem Hintergrund und seinem Lebensort auch Anspruch auf bestmögliche Gesundheitsversorgung. Die Belastungen unserer Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Krise, Stichwort „Lockdowns, Homeschooling, Isolation, familiäre Probleme“ führen zu ständig steigendem Bedarf an psychosozialer Unterstützung. Wer ihn gestern gehört hat – Professor Musalek hat es im Morgenjournal deutlich ausgesprochen: „Die psychosoziale Pandemie wird uns weit länger beschäftigen als die Covid-Pandemie.“ Verhaltensauffälligkeiten, Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, usw. Darum haben wir mehrmals einen Antrag auf eine psychosoziale Beratungsoffensive eingebracht: mehr Beratungslehrerinnen, Jugendberatungsstellen, aufsuchende Sozialarbeit und Schulsozialarbeit. Sechs zusätzliche Posten für Niederösterreich … das ist zwar nett, aber bei weitem zu wenig. Der Mangel an Kinderärztinnen ist in den letzten Tagen deutlich durch die Presse gegangen. In Niederösterreich sind 13 Kassenstellen unbesetzt, das heißt fast ein Drittel. Landärztekammer und Gesundheitskasse sind aufgefordert, die Kassenverträge endlich so zu gestalten, dass sie für junge Fachärztinnen wieder attraktiv sind und dass alle Regionen mit Kassenfachärztinnen versorgt sind. Helga Krismer hat es deutlich betont: Die medizinische Versorgung für kinderreiche oder sozial schwache Familien darf keine Frage der Kosten sein. Hier schließt sich wieder der Kreis zur sozialen und finanziellen Situation zur sozialen Mobilität und der fehlenden Chancengleichheit von Kindern. Kinder sind Zukunft. Kinder brauchen Zukunft. Unser Finanzlandesrat hat in seiner Budgetrede 2019 gesagt: „Früher hat man Politik auf Kosten der Kinder gemacht.“ Leider war das nicht früher, sondern es passiert heute mehr denn je. Wir verbrauchen derzeit die Zukunft unserer Kinder auf nahezu unverschämte Weise. Jede Straße, deren Finanzierung auf 40 Jahre und länger angelegt ist, schrenkt den Handlungsspielraum der Kinder ein. Jede Minute, in der in Österreich durchschnittlich 37,4 m² Boden versiegelt wird, zerstört die Lebensgrundlage der Kinder. Die Zukunftsperspektiven unserer Kinder sind wesentlich geprägt von ökologischen Bedrohungen. Der Verbrauch von Ressourcen ist himmelschreiend. Der Welterschöpfungstag 2021 war für Österreich … weiß es wer von Ihnen? … am 7. April – also nahezu zu Jahresbeginn. Die Klimakatastrophe wird vor allem unsere Kinder voll treffen. Kinder sind Zukunft. Kinder brauchen Zukunft. Daher braucht es ein umfassendes Paket für unsere Kinder: Betreuung, Bildung, Gesundheit, finanzielle Absicherung und Klimazukunft. Dankesehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Abweichungen zwischen Text und Video möglich.