Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1868/A-8/45-2021 – Vernunft in der Verkehrsplanung statt Willkür und Ideologie
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Kollermann (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Weihnachtszeit und auch die Adventszeit ist ja so eine Zeit des Wartens und des Staunens und auch ich wurde heuer angesteckt von diesem Staunen als ich den Titel der Aktuellen Stunde gelesen habe. Da wird Vernunft gefordert anstelle von Willkür und Ideologie. Das ist schon ziemlich dreist – von der ÖVP nämlich – so eine Aktuelle Stunde einzubringen nach mehr als einem halben Jahrhundert Macht in diesem Land und wenn man schaut, mit welchem Verkehrschaos die Menschen heute umzugehen haben. Ich werde Ihnen erzählen, warum wir heute in der Verkehrspolitik dort stehen, wo wir stehen. Die Geschichte beginnt nicht mit „Es war einmal“ und hat kein „Happy End“. Aber der Kollege Lobner hat ja Vernunft eingefordert, also Realität und nicht Fiktion. Im Sommer hieß es aus dem Klimaschutzministerium, dass alle Straßenbauprojekte, die sich noch nicht in Umsetzung befinden, dass die evaluiert werden in Hinblick auf die Erfordernisse des Klimaschutzes und dem aktuellen Bedarf. Unser Ansatz war immer, dass man der Evaluierung eine Chance geben muss, dass es nach so langer Zeit von Planung und rechtsstaatlichen Verfahren auf ein paar Monate mehr auch nicht ankommen darf, wenn es dazu führt, dass dann schlüssige Entscheidungen getroffen werden. Das halte ich immer noch für den richtigen Weg grundsätzlich. „Politik ist der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir miteinander gut leben können.“ Das ist ein Satz und die Definition der Politik von Matthias Strolz. Das passt immer und immer wieder. Jetzt gibt es also Ergebnisse und die passen eigentlich niemandem. Aber die ÖVP braucht einen Sündenbock und das ist jetzt die Umweltministerin, weil es eh schon egal ist, ob die Koalition noch ein paar Monate länger oder kürzer hält. Die Entscheidungen der Evaluierung betreffen natürlich auch die niederösterreichischen Straßenbauprojekte und deshalb stehen wir heute ja hier und diskutieren darüber. Die S8 braucht noch die fehlende Alternativenprüfung, das wissen wir jetzt schon ein bisschen länger – hätte man natürlich schon längst machen müssen. Aber wohl wegen der hier heraufbeschworenen Vernunft statt Ideologie und Willkür hat man das bis jetzt noch nicht gemacht, stattdessen aber Zufahrtsstraßen gebaut und dafür enorme Steuermittel in die Hand genommen und die Zufahrtsstraßen, die nämlich genau dort hinführen, wo der Kollege Lobner vorher gesagt hat, dass das kein guter Ort ist – ins Nirvana. Darüber haben wir aber hier im Landtag auch schon ausführlich gesprochen. Eine Entscheidung des Ministeriums war auch die Absage an den Lobautunnel. Natürlich betrifft das sowohl Wien als auch Niederösterreich. Hier muss man sagen, dass die Geschichte über die Fehler in der Verkehrspolitik eben nicht mit der Evaluierung im Klimaschutzministerium begonnen hat, sondern schon vor vielen Jahren. Das Denken in Straßenbauprojekten, das ist in Niederösterreich sogar noch stärker als die schwarze Mehrheit. Das hat zu jahrzehntelangen Versäumnissen in der Verkehrspolitik geführt. Gab es irgendwo ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, musste eine Straße her oder ein Kreisverkehr. Im Flächenversiegeln sind wir nämlich Weltmeister. Und jetzt also der Lobautunnel. Denken wir einmal kurz nach, da lade ich durchaus ein, dass Sie da das mitvollziehen: Wenn man den Tunnel bauen würde, dann wäre der wann fertig? 2030, realistischerweise 2035. Und was passiert bis dahin? Nichts. Weiterhin tägliche Staus, verlorene Lebenszeit. Und danach kommt es dann zu einer Entlastung auf der Straße? Was bedeutet denn der angekündigte Ringschluss? Wo münden denn die Autos, die dann den 2033 bis 35 fertiggestellten Tunnel … wo münden denn diese Autos ein? In bestehende Straßen. Also dort, wo heute schon der große Stau herrscht. Bei der S4, Schwechat, Knoten Vösendorf … dort mündet das alles ein. Wo soll denn das aufgenommen werden? Möchte irgendjemand in dem Raum behaupten, dass durch den Bau dieses Tunnels … dass es da weniger Verkehr geben wird? Der Lobautunnel ist die jahrzehntelange Ausrede für massive Versäumnisse in der Verkehrspolitik – nämlich bezogen auf Wien und auf den Raum um Wien. Und um Wien ist Niederösterreich mehr als nur mitgemeint. Hier beginnt nämlich die eigentliche Geschichte. Eine vernünftige Verkehrspolitik hätte sich schon vor Jahrzehnten Gedanken darüber gemacht, was der Wirtschaftsstandort und was die Bevölkerung in Wien und im Wiener Umland brauchen. Um Wien … das sind wir in Niederösterreich. Wir umfassen Wien. Miteinander, gemeinsam … da können Sie sich das Wort aussuchen. Was brauchen Unternehmen nämlich um attraktive Rahmenbedingungen vorzufinden, damit sie sich ansiedeln? Die ÖVP glaubt ja zum Teil immer noch, dass sie eine Partei ist, die Wirtschaft und Unternehmertum versteht. Aber mit der zunehmenden ÖAABisierung kann man getrost davon ausgehen, dass sie sich auch davon bald verabschieden wird. Verkehrspolitik ist eine politische Aufgabe in einer engen Verschränkung mit Wirtschaftspolitik und neuerdings auch mit Klimapolitik. Verkehrspolitik ist nicht zuallererst Straßen bauen. Straßen ziehen Verkehr an. Nicht nur den Pendlerverkehr, sondern ganz besonders den Transitverkehr. Wollen Sie in Wien und Niederösterreich Zustände wie auf der Brennerautobahn? (Abg. Dorner: Das haben wir jetzt schon auf der B8.) Genau. Es gibt unter den Verkehrsplanern eine weitgehende Übereinstimmung darüber (Unruhe bei Abg. Dorner.), dass mehr Straßen nachhaltig keine Verkehrsprobleme lösen, sondern diese weiter befeuern. Daniel Huppman, ein Klimaforscher des internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse – übrigens ein Paradeforschungsinstitut mit Sitz in Niederösterreich, nämlich in Laxenburg – hat dazu in einer schönen Zusammenfassung angeführt, warum die Lösung des einen Problems nämlich das nächste auslöst. Ich zitiere (liest:)„Die Zahl der gefahrenen Autokilometer ist nicht statisch. Sie hängt ab von Kosten, Bequemlichkeit und Alternativen.“ Wenn es also zeitökonomischer wird mit dem Auto zu fahren, sinkt die Verkehrsbelastung nicht nur nicht – der Verkehr in die Stadt hinein nach Wien wird nämlich noch steigen und alle Straßen, die nicht durch eine Ausweichroute entlastet werden, werden noch voller. Nichts zu tun ist aber natürlich auch keine Alternative. Die Menschen müssen in die Arbeit, müssen in die Schule, zum Einkaufen, Güter müssen vom Produzenten zu den Verbrauchern. Die Politik ist dazu da Lösungen zu entwickeln – nachhaltige Lösungen. Wenn sie das in diesem Bereich jahrzehntelang ohne Vernunft versucht hat, dann bedanke ich mich für den Slogan „Mit Vernunft statt Willkür“, denn jetzt ist die Zeit, es endlich mit Vernunft anzugehen. Was wir brauchen, ist ein verkehrspolitisches Konzept, das volkswirtschaftlich vernünftig ist. Betriebswirtschaftlich ist immer ein Sache, aber wir müssen auch immer diese Gesamtüberlegung volkswirtschaftlich begreifen. Da ist sehr, sehr lange Zeit nicht mit Kostenwahrheit agiert worden. Und dieses muss die Interessen der Bevölkerung, des Klimaschutzes und der Wirtschaft in Einklang bringen. Zweitens: Die Entlastung der Straßen vom Güterverkehr. Die NÖ Landesregierung möge sich bitte – jetzt ist der Herr Landesrat leider geflüchtet – mit der Bundesregierung und mit der Stadt Wien zusammensetzen und weitere Flächen für einen weiteren „Logistik Cup“ im Norden von Wien evaluieren. Da gibt es durchaus interessante Gründe, die dafür geeignet sind und da geht es darum, den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Aber ich muss halt die Voraussetzungen dafür schaffen. Da muss man sich auch über die Finanzierung einigen. Das ist alles nicht gratis. Das kostet alles viel Geld. Aber wenn ich das nicht als Gesamtkonzept denke, dann kann ich dazu auch keine sinnvolle Entscheidung treffen. Was Unternehmen brauchen, ist Planbarkeit. Das ist nicht unbedingt in erster Linie Geschwindigkeit. Dritter und schon mehrfach angesprochener Punkt ist natürlich der weitere Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Angebots im öffentlichen Verkehr sowie auch das Ineinandergreifen der verschiedenen Mobilitätskonzepte. Konzepte dafür gibt es schon seit vielen Jahren, zum Teil in der Schublade. Ich nenne z. B. nur die Straßenbahnverbindung von Wien raus nach Groß-Enzersdorf. Oder die Schnellverbindungen zwischen Wien und Bratislava oder die zweite S-Bahn-Strecke, die in der letzten Landtagssitzung diskutiert wurde. Das sind alles wichtige Punkte und das ist nicht das eine oder das andere, sondern wir brauchen das auch. Was wir ganz besonders brauchen, ist ein Horizont, der weiter reicht als bis zum nächsten Wahltermin und weiter reicht als bis zur nächsten Bundesländergrenze. „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun,“ hat Molière gesagt und ich danke Ihnen für die Gelegenheit, eine Stimme der Vernunft zu erheben. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
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