Zusammenfassung
Antrag des Wirtschafts- und Finanz-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1842/V-9-2021 – Voranschlag des Landes Niederösterreich für die Jahre 2022 und 2023
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Silvia Moser, MSc (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Hauptrednerin der Gruppe 4 und werde hier ein paar Themen anreißen. Die Pandemie hat im Bereich Soziales tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur die Spaltung der Gesellschaft bereitet mir Sorgen, sondern vor allem die langfristigen psychischen Auswirkungen von Covid. Wir können diese in ihrer Bedeutung noch gar nicht abschätzen. Von den Kindern über die Jugend bis zu den alten Menschen von Verhaltensauffälligkeiten, hoher Aggressionsbereitschaft bei niedriger Aggressionsschwelle bis zu Angst und Depression reichen diese Auswirkungen. Es ist jetzt besonders wichtig, vor allem die Schwächsten zu schützen und das sind die Kinder. Wenn mir eine Mitarbeiterin einer Bezirkshauptmannschaft sagt, sie könne das Kindeswohl nicht mehr sicherstellen, dann schrillen bei mir die Alarmglocken. Wir müssen alles tun, besonders in der jetzigen Situation, besonders in dieser Covid-Belastungssituation, um benachteiligten Kindern die Türen in unserer Gesellschaft offen zu halten und ihnen entsprechende Chancen zu bieten. Dem Fachgebiet Soziales an den Bezirkshauptmannschaften kommt in Bezug auf Kinder und Familien hier besondere Bedeutung zu. Sie sind einerseits im Bereich Kinder- und Jugendhilfe Drehscheibe für Unterstützung durch Familienhilfe, andererseits auch Ansprechpartnerinnen für Sozialhilfemaßnahmen. Die Auslastung und Überlastung der Mitarbeiterinnen in diesem Fachgebiet Soziales ist enorm und der Ausbau des Stundenkontingentes dringend notwendig. Vielleicht gibt es einzelne Bezirksverwaltungsbehörden, wo das nicht notwendig ist, aber im Großen und Ganzen dringend notwendig. Ich stelle daher folgenden Resolutionsantrag (liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
Die NÖ Landesregierung wird aufgefordert, die Dienstposten der Fachkräfte für Sozialarbeit an sämtlichen Bezirksverwaltungsbehörden in dem Maße aufzustocken, dass eine ausreichende und qualitätsvolle Arbeit im Sinne der in der Antragsbegründung genannten Grundlagen gewährleistet werden kann.“
Das nächste Thema, wie könnte es anders sein, ist der Pflegenotstand. Ich habe es hier schon öfter gesagt: Geschlossene Abteilungen in Pflegeheimen, fehlendes OP-Personal usw., usw. Das ist längst die Realität und es ist auch nicht jetzt plötzlich vom Himmel gefallen. Seit ich hier im Landtag bin, spreche ich diesen Mangel an Pflegepersonal an. Ich kann mich noch gut erinnern: begonnen hat es mit dem drastischen Mangel in der Hauskrankenpflege, wie mir Kollegin Hinterholzer vehement widersprochen hat und so das Gefühl entstanden ist, hier wird irgendwie der Kopf in den Sand gesteckt und man auch – das muss man auch sagen – Zeit unnütz vergeudet hat. Es ist heute schon einmal dieses Wort gefallen – „Verantwortungshorizont“. Dieser sollte gerade in diesem Bereich besonders lang sein. Ich kann ihn jetzt im Pflegebereich nicht wirklich finden. Wenn ich mich erinnere, sollten Krankpflegeschulen noch geschlossen werden, da war schon längst der Pflegemangel da. Die notwendigen Hebel wären schon vor einigen Jahren intensiv zu setzen gewesen, zu betätigen gewesen. Eines kann ich auch nicht leiden, wenn die ÖVP hier so tut als hätte sie weder im Land noch im Bund irgendwann die Verantwortung dafür getragen. Soweit ich mich erinnere, war die ÖVP – ich weiß nicht wie lange – in der Bundesregierung. Jetzt den „Pfuiteufel“ abzugeben an die Bundesregierung und vor allem an die GRÜNEN, ist einfach unfair. (Beifall bei den GRÜNEN.) Die Landesgesundheitsagentur sucht im Übrigen per heutigem Tag über 50 Pflegepersonen, hauptsächlich aus der gehobenen Pflege. Hier ist der Mangel besonders drastisch. Ich verstehe nicht, warum hier nicht alle Maßnahmen ergriffen werden, um diesem Mangel entgegenzutreten. Es könnten bis 2023 noch Lehrgänge für die diplomierte Pflege geben – nämlich den Start der Lehrgänge. Nicht das Ende 2023, sondern bis 2023 könnte man noch starten. Das wäre jetzt sozusagen übergangsweise eine Möglichkeit. Wir haben es von verschiedensten Fraktionen immer wieder angesprochen: Warum gibt es nicht Praktikumsprämien oder bezahlte Praktika? Warum gibt es nicht Ausbildungen in Teilzeit berufsbegleitend? Etc., etc. Ich verstehe es einfach nicht. Es braucht hier dringend eine Ausbildungsoffensive und eines möchte ich hier schon betonen: Die Pflegelehre wird nicht die Lösung des Problems sein. Es geht nicht nur darum, dass man 15-Jährige nicht an ein Pflegebett stellen kann – weder in einem Landesklinikum, in einem Krankenhaus, noch in der Langzeitpflege. Es geht auch darum: Diese Jugendlichen müssen ja ausgebildet werden. Wer soll denn bitte diese Ausbildung machen bei dem derzeitigen Engpass an Pflegepersonal? Es muss Wissen vermittelt werden. Es müssen praktische Handfertigkeiten vermittelt werden. Dafür braucht es Personal. Das gibt es schlicht und einfach nicht. Ich bringe daher folgenden Resolutionsantrag zu einer Pflegeoffensive für Niederösterreich ein, wo man hier einmal sofort schauen muss: Welche Hebel kann man in Bewegung setzen? (Liest:)
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
Die NÖ Landesregierung wird aufgefordert, sich im Zuge einer Pflegeausbildungsoffensive für Niederösterreich dafür einzusetzen, dass
- an folgenden Standorten dislozierte Ausbildungslehrgänge der FH Gesundheits- und Krankenpflege eingerichtet werden: Gesundheits- und Krankenpflegeschulen Baden, Zwettl, Hollabrunn sowie am Bildungscampus Mostviertel für Pflegeberufe.
- In allen Gesundheitsregionen Niederösterreich das 5-jährige Pflegeausbildungsmodell zur Pflegefachassistentin mit Matura in Höheren Lehranstalten für Pflege angeboten wird und
- Die Ausbildung zur Pflegassistenz in jeder NÖ Krankenpflegeschule auch in Teilzeit angeboten werden kann.“
Auch um die Pflegepersonen im Beruf zu halten, gilt es schleunigst Maßnahmen zu setzen. Das kann sein: die Reduktion der Normalarbeitszeit, radikale Verbesserungen in den Lohn- und Gehaltsschemata, attraktive Arbeitszeitmodelle, berufsbegleitende Supervision – und das nicht nur in Krisenzeiten. Ich erkenne davon im Budget leider gar nichts. „Ambulant vor stationär“ ist die Devise in der Versorgung unserer pflegebedürftigen Menschen. Was braucht es, um dieses Vorhaben zu erfüllen. Es braucht nicht nur mehr Pflegepersonal, sondern auch mehr Therapeutinnen, dazu mehr Angebot an Tages-, Kurzzeit- und Übergangspflege. Wie gesagt: Ich finde davon leider nichts im Budget. Es sollte dringend der Fokus auf die Mobile Betreuung gelegt werden. Wir kommen darum nicht herum. Es ist unmöglich, die stationäre Pflege auszubauen. Wir haben das Personal nicht und ich erwarte mir dringend, dass der NÖGUS hier seine Verantwortung wahrnimmt. Abschließend möchte ich noch kurz zum Sozialhilfe-Ausführungsgesetz Stellung nehmen, so restriktiv wie möglich, in Niederösterreich. Die NÖ Landesregierung hat in der Versorgung der Menschen mit humanitärem Bleiberecht völlig versagt, was ich zum Fremdschämen finde. Wenn hier schon heute einmal davon gesprochen wurde, man konzentriere sich auf die Menschen im Land, dann möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Menschen mit humanitärem Bleiberecht hier in Niederösterreich hier bei uns in unserem Land wohnen und auch dazugehören. Unwürdig – auch schon zigmal gesagt – die Kinderstaffelung. Hier schließt sich dann der Kreis meiner Rede: Es muss das Ziel von Sozialpolitik sein, an der Chancengleichheit von Menschen zu arbeiten. Von Kindern, die Unterstützung brauchen, bis hin zu alten Menschen, die trotz Pflegebedürftigkeit in ihrer gewohnten Umgebung bleiben wollen. Sozialpolitik ist immer – um es mit einem Modewort auszudrücken – nachhaltig und der berühmte „Kitt“ in der Gesellschaft. Ich vermisse in Niederösterreich und in diesem Budget, in den zwei Budgets, die notwendigen Aktivitäten, um den heutigen Herausforderungen entgegenzutreten. Wir stimmen daher der Gruppe 4 nicht zu. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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