Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1798/A-8/44-2021 – Zu viel ist zu viel – Kostenlawine stoppen!
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Hofer-Gruber (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen von der FPÖ, die Rechenbeispiele, die ihr bringt, sind ja ok. Benzin und Diesel sind tatsächlich in den letzten Wochen und Monaten teurer geworden, aber insgesamt ist die Preisentwicklung in diesem Bereich weit hinter der allgemeinen Inflation in den letzten Jahren und Jahrzehnten zurückgeblieben. Das hat leider dazu geführt, dass der Benzinpreis ein bisschen aus dem Fokus geraten ist. Ältere wissen: 1970, Ölpreiskrise, Ölpreisschock, Pickerl auf dem Auto: „Ich fahre am Mittwoch nicht“, usw. Diese Sensibilität haben wir verloren. Das hat dazu geführt, dass das Straßenbild heute von 250 PS-Monstern geprägt wird, die in Wirklichkeit keiner braucht. Es ist das falsche Drei-Liter-Auto gebaut worden: nicht das mit drei Litern Verbrauch, sondern mit drei Litern Hubraum. Aber es ist leider auch Faktum, dass das Verbrennen von Benzin den Klimawandel nicht aufhält und wir um eine CO2-Bepreisung nicht herumkommen werden. Wenn Sie das verneinen, sorry, dann betreiben Sie Vogel-Strauß-Politik. Das wird weder Ihnen noch unseren Mitbürgern weiterhelfen. Aber bei einem gebe ich Ihnen recht: Die Steuerreform, die gerade als die größte aller Zeiten angekündigt wird, bringt uns nicht weiter. Aber statt situationsbezogen bei einzelnen Veränderungen gleich Lenkungsmaßnahmen zu fordern, ist es, glaube ich, viel wichtiger, endlich Maßnahmen zu treffen, die die klimatische und die budgetäre Nachhaltigkeit sichern und den Mittelstand wirklich spürbar und merkbar entlastet. Dann könnte man es sich ersparen bei jeder Benzin- oder Heizkostenerhöhung gleich nach Regulierung und Subventionen zu rufen. Das ist genau das, was Sie derzeit tun. Vieles in diese Richtung: Nachhaltigkeit, Entlastung des Mittelstandes … ist von der türkisen ÖVP angekündigt worden – umgesetzt ist sehr wenig. Wir sehen keine neue Politik – ganz im Gegenteil. Wir sehen auch keine großartige Steuerreform und schon gar nicht die größte der Zweiten Republik. Ich bin bei Superlativen immer vorsichtig. Das hat sich bisher auch bewährt. Eine echte Steuerreform, meine Damen und Herren, eine ökosoziale Steuerreform verbindet mehr Freiheit für den Einzelnen mit mehr Verantwortung für Klima und die kommenden Generationen. Da hat TÜRKIS fast alle Chancen verschlafen. Diese Steuerreform ist weder ökologisch, noch nachhaltig, noch bringt sie eine Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger. Und eines fehlt vollkommen: ausgabenseitige Reformen. Alle Experten der OECD, alle Experten der Wirtschaftsforschungsinstitute weisen immer wieder darauf hin: Das hat man vollkommen vergessen. Im Detail: Der CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne, der dieser ökosozialen Steuerreform zugrunde liegt, hat keinen Lenkungseffekt. Der ist viel zu niedrig angesetzt, selbst wenn er den Benzinpreis ein wenig erhöhen sollte. Statt einem vorgesehenen Anstieg auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 müsste man dort 350 Euro pro Tonne anstreben, um hier in die Wirksamkeit zu kommen. Das, was da gemacht wird, ist mutlose Politik. Man hat scheinbar Angst vor Gelbwesten, die es bei uns weit und breit nicht gibt. Wir haben erwähnt, dass Benzin in den letzten Wochen und Monaten um 30 % teurer geworden ist. Die Proteste sind bisher ausgeblieben. Man muss sich natürlich überlegen, wie man soziale Härten abfedern kann. Aber angesichts dieses mutlos niedrigen CO2-Preises, der hier angesetzt wurde, wirkt der in Aussicht genommene Klimabonus völlig willkürlich und überhaupt nicht treffsicher und wird auch so keinen Lenkungseffekt haben. Umweltschädliche Subventionen – ich erwähne hier das Dieselprivileg oder die nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttete Autofahrerförderung namens Pendlerpauschale – bleiben natürlich unverändert. Aber es ist nicht alles schlecht an der Steuerreform. Der Familienbonus und die mögliche Mitarbeiterbeteiligung bei Gewinnen sind positiv zu sehen. Das ist keine Frage. Aber die großartig angekündigte Entlastung ist nur auf dem Papier großartig. Sie bringt durchgerechnet niedrige zweistellige Eurobeträge pro Monat. Warum? Den beschlossenen Tarifsenkungen fehlen wichtige Begleiterscheinungen. Zum Einen das sofortige Inkrafttreten ab 1.1.2022, und zwar nicht gestaffelt bis zum Sankt-Nimmerleinstag und ganz wichtig: Die Abschaffung der kalten Progression. Auf diesen wichtigen Schritt hat man entgegen aller Ankündigungen wieder einmal vergessen. Das ist auch kein Wunder. Wir wissen aus dem U-Ausschuss, dass einzelne Herren bei der ÖVP sehr viel vergessen und auch auf diesen Schritt ist vergessen worden. Die Agenda Austria nennt die kalte Progression treffend „die wichtigste Mitarbeiterin des Finanzministers“, weil sie spült heimlich Unsummen in die Staatskasse, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger das wirklich merken. Und ohne die Abschaffung der kalten Progression kann keine Steuersenkung nachhaltig sein. Das betrifft besonders den Mittelstand, der angeblich entlastet werden sollte. Angesichts steigender Inflation und der gestaffelten Tarifsenkung wird dieser Effekt in Wirklichkeit noch beschleunigt. Der Mittelstand wird nicht entlastet – im Gegenteil. Er trägt die Hoffnungen des Finanzministers, weil das ganze Budget ist damit nicht nachhaltig. Es ist nicht robust. Es ist auf tönernen Füßen aufgebaut. Der Finanzminister hofft auf den Wirtschaftsaufschwung, auf Steuereinnahmen. Wir kennen das aus Niederösterreich. Das geht so gut, bis das Kartenhaus zusammenbricht. Ich bin schon neugierig, was uns Landesrat Schleritzko im November auftischen wird. Was ist bei der Steuerreform für die Unternehmen dabei? Ja, eine Körperschaftssteuersenkung – auch hier mehr Ankündigung als Substanz, weil erst ab 2023 und dann schrittweise. Viel wichtiger als eine Körperschaftssteuersenkung wäre eine spürbare Senkung der Lohnnebenkosten gewesen. Dazu gibt es leider gar nichts. Dabei hätte es genug Ansatzpunkte gegeben. Stattdessen ist das Steuersystem durch die Reform nochmal komplizierter geworden. Es gibt da Schmankerl wie die unterjährigen Tarifänderungen. Das wir besonders lustig. Rechtlich bedenkliche Sozialversicherungsänderungen runden das Bild ab. Nach weniger und einfacher, meine Damen und Herren, klingt das alles nicht. Auf eines hat man völlig vergessen: ausgabenseitige Maßnahmen. Da fällt mir ein: Verwaltungsvereinfachung, Durchforsten der Förderungen, Föderalismusreform mit klarer Kompetenzverteilung, dafür ohne Doppelgleisigkeiten, Kürzung der Parteienförderung und vieles mehr. Davon ist nichts zu sehen. Unsere Grundsätze, meine Damen und Herren, für Budget und Vollzug wären: einfacher, weniger, gerechter. Davon sind wir mit diesem Budget wieder einen großen Schritt entfernt. Im Gegenteil: Es wird weiterhin Politik auf Kosten der Jugend gemacht. Wir NEOS haben ein Steuerkonzept, dass sowohl klimatische als auch budgetäre Nachhaltigkeit sichert und somit konsequent Politik für die Zukunft und die nächsten Generationen macht. Apropos nächste Generation: Auch zur Sicherung des Pensionssystems ist in diesem Entwurf nichts zu sehen. Stichwort „Anhebung des faktischen Pensionsalters“. Unsäglich gestern oder vorgestern die Worte des Bundesjugendvertreters der ÖVP, Julian Christian. Der sagt tatsächlich: „Solange sich die Politik dazu bekennt, besteht kein Grund zur Panik.“ Wie wenn die Politik Pensionen bezahlen könnte. Der junge Mann sollte sich einmal die Expertenmeinungen anschauen. Aber egal – auch die Jungen werden bald einmal wählen und sie werden es dann entscheiden, ob sie sich bei der sehr alt wirkenden Jungen ÖVP gut vertreten fühlen. Summa summarum, meine Damen und Herren: Es wurde eine große Chance vergeben, nachhaltig für mehr Netto vom Brutto zu sorgen. Diese Versäumnisse kann man auch durch Schnellschüsse oder durch Forderungen nach Regulierung nicht nachholen. Wir haben zuletzt in erschreckender Deutlichkeit gesehen, was dieser Regierung wirklich wichtig war. Land und Leute waren es jedenfalls nicht, sondern Macht, Geld und Posten für die eigene Familie. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)
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- NEOS – Das Neue Niederösterreich