Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1755/A-8/42-2021 – Mobilität in Niederösterreich: Wo es um Land & Leute geht
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Razborcan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Mitglieder der Landesregierung! Mobilität in Niederösterreich: Wo es um Land & Leute geht. Also wie ich von dem Titel der Aktuellen Stunde erfahren habe, habe ich mir nicht wie der Kollege Dorner gedacht, dass das tolldreist ist. Ich habe eher geglaubt, es geht um ein Satirefestival, um einen Kaberettgipfel, wenn gerade die ÖVP in Niederösterreich von besonderer Mobilität spricht. Ich habe dem Kollegen Jürgen Maier sehr aufmerksam zugehört, ich schätze ihn auch. (Abg. Maier: Sehr gut.) Es war zwar nicht zum Lachen. Du bist ein hervorragender Rhetoriker. Du hast ein paar Dinge so verkauft … wenn man wirklich nur auf das hört, was du gesagt hast, würde man glauben, es passt alles. Tatsache ist, dass eben Niederösterreich, was die Verkehrspolitik anbelangt, was die Mobilitätspolitik anbelangt, sehr vieles im Argen liegt. Nicht alles, es sind einige Dinge, die du angesprochen hast, wie z. B. die Bahnkilometer und so weiter und so fort … durchaus positiv zu bewerten. Aber nur an ein paar Beispielen … und es sind drei Beispiele, die du selber gebracht hast … nämlich dies festmachen, wo sich die ÖVP wirklich nicht mit Ruhm bekleckert: das ist die S8 im Marchfeld, das ist das 1-2-3-Klimaticket, das ist die NoVA – ihr wißt, worüber wir reden, es sind die Park & Ride-Anlagen und es ist auch, was uns in Zukunft wieder beschäftigen wird, aber uns schon einmal beschäftigt hat: die Lkw-Maut. Beginnen wir bei der S8: Am 27. Februar 2020 – das ist jetzt fast genau eineinhalb Jahre her – haben wir hier in diesem Haus einen Dringlichkeitsantrag gehabt zur Bekenntnis der Realisierung der S8 Marchfeld Schnellstraße … wurde mit Stimmen ÖVP, SPÖ und FPÖ auch beschlossen. Die Menschen in dieser Region verdienen sich auch die Umsetzung von Projekten, 20 Jahre geplant. Wir wissen das. Tatsache ist aber auch, dass wir uns Gesetze gegeben haben. Wir waren – ich weiß nicht, ob alle dafür waren … aber wie es darum gegangen ist, Naturschutzgebiete zu machen, wie es darum gegangen ist, Natura 2000-Gebiete zu machen, da waren wir alle dabei, weil es ein bisschen Geld von Brüssel gegeben hat. Jetzt haben wir überall diese Naturschutzgebiete und planen – das ist jetzt nicht die SPÖ, die das plant – die Landesregierung gemeinsam mit der ASFINAG, eine Straße da durch. Jetzt kann man darüber nachdenken, ob das richtig ist oder nicht. Tatsache ist, man muss damit leben, wenn man Gesetze auf den Weg bringt, dass man sich dann auch an die Gesetze halten muss. Und dann sind wir bass erstaunt, wenn ein Bundesverwaltungsgericht sagt: „Nein, ich bin mir nicht sicher, ob das gescheit ist.“ Und die Entscheidung: Zurück an den Start in Wahrheit – und schauen wir, ob es Alternativen gibt. Jetzt komme ich auf den Punkt. Wir sind für diese Straßen – überhaupt keine Frage, weil die Menschen sie sich verdient haben, weil sie sie auch brauchen. Aber Tatsache: Gesetze sind halt einmal Gesetze. Wir haben damals den Zusatzantrag eingebracht: „Bitte versuchen wir Alternativplanungen zu machen, die sinnvoll sind. Fangen wir zumindest einmal damit an.“ Jetzt stehen wir vor der Tatsache, eineinhalb Jahre später, dass wir die Menschen in dieser Region wieder vertröstet haben. Es ist genau das rausgekommen. Gerade dass der Bundesverfassungsgerichtshof nicht unseren Antrag abgeschrieben hat. Es ist genau das rausgekommen. Das war zu erwarten. Das wisst ihr und das wissen wir alle. Und der Klubobmann Schneeberger ist da herinnen gesessen und hat gesagt, wir sind dumm und der Antrag ist dumm. Wortwörtlich, ihr könnt nachschauen in den Protokollen. Er hat gesagt: „Das ist dumm.“ Und jetzt haben wir genau das, was wir damals gesagt haben. Deswegen frage ich mich, lieber Jürgen, ich frage mich, Kollege Dorner, ich frage mich, Kollege Lobner, ihr seid auch aus dieser Region: Was wir den Menschen jetzt erzählen? Eineinhalb Jahr verschlafen! Eineinhalb Jahre wieder verschlafen. Wenn das die Verkehrspolitik, die Mobilitätspolitik in Niederösterreich ist – na, ich glaube, das ist nicht besonders gut. (Beifall bei der SPÖ und GRÜNE.) Zu unserem Verkehrslandesrat Schleritzko: Ich schätze ihn wirklich sehr. Er ist ein studierter Agrarökonom, war in den Agrarressorts unter Pernkopf, damals schon unter Plank, und im Umweltministerium oder im Landwirtschaftsministerium, hat unter Berlakovich gearbeitet, Direktor Nationalpark Thayatal … der wird natürlich seinem gelernten Beruf treu bleiben. Ein hervorragender Mann. Ich frage mich nur, ob er im richtigen Ressort tätig ist? Das ist die Frage, weil in Niederösterreich die Verkehrspolitik nicht gut funktioniert. Zum Klimaticket, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sechs Bundesländer haben sich mittlerweile ausgesprochen, dieses Klimaticket umzusetzen. Es ist uns „wuascht“ wie es heißt, ob es „1-2-3-Klimaticket“ heißt, ob es das „365-Euro-Ticket“ ist. Ich sehe unseren Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Schnabl, der sich sehr dafür eingesetzt hat. Es ist einiges zusammengekommen und zusammengebracht worden. Sechs Bundesländer sind dafür. Wer ist dagegen? Die ÖVP Niederösterreich ist dagegen. Und es wundert mich jetzt auch gar nicht. Man kann es nennen, wie man will: „Ja, ja, es geht um den Preis und es geht um …“ Um was genau? Kollege Maier, du weißt, dass es genau um das geht. Wir haben dieses Thema schon – ich weiß es nicht – hundertmal da im Landtag diskutiert und ihr wart immer dagegen. (Abg. Maier: Das stimmt ja nicht. Das stimmt nicht. – Unruhe bei Abg. Maier.) Und jetzt findet ihr wieder irgendeine Möglichkeit das nach hinten zu verschieben, und so weiter und so fort. Ihr habt mit Mobilität nicht viel am Hut. Ihr wollt immer den eigenen Weg gehen. Der eigene Weg führt aber nicht immer zum Erfolg. Ihr solltet vielleicht nicht nur, aber auch, in der Verkehrspolitik sehr viel auf die SPÖ hören, weil dann wisst ihr, wie es funktionieren könnte. (Abg. Maier: Das sehen wir eh bei der ÖBB.) Ja, ja. Es ist ganz einfach so. Es ist ganz einfach so, Kollege Maier, (Unruhe bei Abg. Maier.) … jaja, ich habe dir eh auch zugehört … was das Schöne ist bei der SPÖ, wir haben das Ohr am Herzschlag der Menschen und am Pulsschlag der Zeit und das zeichnet die Sozialdemokraten aus und ich glaube, dass das sehr vernünftig sein wird. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn es schon um Mobilität geht: Bei den Straßen kriegen wir es halt nicht auf die Reihe, obwohl ich der Meinung bin, wir brauchen Straßen. Wir haben ein Flächenbundesland. Wir werden diese Straßen brauchen – im Split mit öffentlichem Verkehr, das stellt sich für mich auch nicht anders dar. Aber Mobilität heißt ja auch – wenn man schon Straßen baut – dass sich die Menschen, die die Autos verwenden, die auch leisten können. Könnt ihr euch erinnern, als wir da herinnen die NoVA diskutiert haben? Ich weiß, das tut der ÖVP weh, weil das nicht unbedingt die Intention der ÖVP war, aber zugelassen habt ihr es sehr wohl, dass es so geschieht. Wenn man schaut, dass die Autos immer teurer und teurer werden, dass sich die Menschen diese Autos nicht leisten können, dass sich nämlich die Klein- und Mittelbetriebe diese Autos nicht leisten können, weil es nämlich nicht nur die SUVs sind, die teurer geworden sind, dann ist das halt einmal eine „Watschn“ für viele Familien, die jetzt schon nicht wissen, wie sie ihr Leben finanzieren sollen und die das Auto für die tägliche Fahrt in die Schule, in die Arbeit brauchen. Es ist wieder ein Beispiel der „Pleiten, Pech und Pannen-Mobilitätspolitik“ auf Bundesebene, aber auch in Niederösterreich. Ein weiteres Beispiel, was du angesprochen hast, sind die Pendler und damit diese Park & Ride-Anlagen. Jetzt wissen wir allesamt, dass die Park & Ride-Anlagen, auch wenn wir immer hören, dass wir die meisten von ganz Österreich haben, trotzdem zu wenig sind. Es sind ganz einfach zu wenig. Es gibt ein paar Bemühungen, das ist schon klar. Aber wenn wir heute dastehen und bass erstaunt sind, dass die Wiener das Parkpickerl flächendeckend ausweiten, dann hat das jeder, der sich ein bisschen mit Verkehrspolitik beschäftigt hat, gewusst. Anscheinend nicht unser Verkehrslandesrat. Der ist auf dem falschen Fuß erwischt worden. Jetzt fange ich gar nicht an mit Zahlen zu arbeiten, die die Sozialdemokratie von irgendwo recherchiert hat, sondern ich sage jetzt nichts anderes als Zahlen, die vom Verkehrsressort rauskommen und da sollte man uns jetzt sehr genau zuhören. (Liest:)„Von der flächendeckenden Auswirkung der Parkraumbewirtschaftung in Wien sind rund 200 Erwerbspendlerinnen betroffen, die derzeit mit dem Pkw in die zukünftig parkraumbewirtschaften Zonen in Wien pendeln und ab 1. März 2022 auf den öffentlichen Verkehr umsteigen werden.“ Es ist eine Studie oder eine Präsentation aus dem Verkehrsressort. Die Zahlen können jetzt stimmen oder nicht stimmen, aber sie kommen immerhin von der Landesregierung. Untersucht wurden in dieser Studie 42 Gemeinden im größeren Wiener Umland, die von der Ausweitung dieser Parkraumbewirtschaftung besonders betroffen sein werden. Jetzt kommt es: Ebenfalls von der Landesregierung Zahlen: Im Zeitraum von Jänner 21 bis März 2022 werden in diesem Untersuchungsraum 447 Pkw und 221 Zweiradabstellplätze gebaut. Noch eine Zahl – vielleicht zum Verdeutlichen – auch von der Landesregierung: Im Zeitraum 22 bis 24, was mittelfristig umsetzbar sein wird, kommen noch einmal in den Untersuchungsgemeinden 1.000 dazu. Das heißt: Für 20.000 Pendlerinnen und Pendler – eure Zahlen – werden insgesamt 1.447 Pkw-Abstellplätze errichtet. Und jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, versuchen wir einmal zu dividieren. Die Zahl von 20.000 Pendlerinnen durch 1.447 Abstellplätze … Wisst ihr, wie viele da in einem Auto drinnen sitzen müssen? 13,8 Personen. Das geht nicht. Rechnen wir nur 13. 13 Personen in einem Auto, dass sich das ausgeht. Lieber Kollege Maier, da erzählst du mir allen Ernstes über Park & Ride-Anlagen, dass ihr euch über Pendler Gedanken macht? Das ist ein Wahnsinn! Wisst ihr, was jetzt dann kommt? Auch nicht meine Erfindung, aber jetzt versucht man das Problem zu lösen. Aber wisst ihr, wie man es versucht? Nicht, dass das Land seine Verantwortung wahrnimmt, sondern man geht in die Gemeinden hinaus und sagt, dort, wo es noch keine zu bezahlenden Kurzparkzonen gibt, da müsst ihr jetzt einfach welche einführen. Da stellt ihr ein paar Automaten auf, kostet einer 9.000 Euro. „Wuascht“, ihr werdet schon wissen, wie ihr es macht. Es wird deswegen kein Parkplatz mehr, es kostet nur Geld. Aber das Problem ist damit ganz sicher nicht gelöst, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist die Mobilitätspolitik von Niederösterreich. Da kommt deine gute Rhetorik auch nicht mit. Das sind Fakten und über die kommt ihr nicht darüber hinweg. (Abg. Maier: Das Parkpickerl haben aber schon die Wiener.) Und das ist ein massives Problem, lieber Kollege Maier, ein massives Problem. Das können wir nur lösen, wenn wir vernünftig miteinander zusammenarbeiten und nicht schon wieder den niederösterreichischen Weg gehen, der letztendlich nichts bewegt, nur verzögert. Das ist in der Verkehrspolitik gerade in dieser Zeit eine Katastrophe. (Beifall bei der SPÖ.) Jetzt zum letzten Thema: Wir haben vor einigen Jahren schon hier im Landtag eine flächendeckende Lkw-Maut gefordert. Gutes Beispiel. Nur dass wir auch wissen, wie man gewisse Dinge auch finanzieren kann. Es war damals – eh klar, wenn es von der SPÖ kommt – automatisch, reflexionsartig von der ÖVP abzulehnen. Wir werden aber diesen Antrag aber wieder im NÖ Landtag einbringen und ich bin unserem Landeshauptmann-Stv. Franz Schnabl sehr dankbar, dass er das auch auf Landesverkehrsreferentenbasis diskutiert, weil es in anderen Bundesländern sehr wohl angedacht wird und es gerade uns in Niederösterreich sehr gut zu Gesicht stehen würde, das zu tun. Wir werden nämlich Geld brauchen, weil unsere Landesstraßen, unsere Gemeindestraßen in einem Zustand sind, die viel schlechter sind als in anderen Bundesländern. Das heißt, das wird geschehen müssen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Weil, wenn ihr mir dann erzählt, das wird auf den Endverbraucher umgelegt – na wer zahlt es jetzt? Wir zahlen es jetzt schon, weil wenn die Straßen kaputt sind, dann müssen wir sie richten, dann zahlen es die Steuerzahlerinnen und die Steuerzahler und es wäre nur fair, wenn die, die die Straßen wirklich auch kaputt machen, ihren fairen Anteil dazu beitragen. Aber dazu wart ihr bis jetzt nicht zu bewegen. Ich bin aber überzeugt, es gibt da die Möglichkeit, darüber nachzudenken, seine Meinung zu verändern und gescheiter zu werden. Aber es wäre auch ein Antrag von denen, die am meisten profitieren können – nämlich: Die Verkehrsteilnehmer, weil sie mit einer zeitnahen Reparatur der Landes- und Gemeindestraßen rechnen können; die Bauwirtschaft, weil sich durch die Straßeninstandhaltung ein Beschäftigungsfeld auftut; die Arbeitnehmer durch Beschäftigungseffekte aus zusätzlichen Aufträgen für die Bauwirtschaft, vor allem in ländlichen Regionen; die Steuerzahler, weil sie nicht alleine die Kosten des Schwerlastverkehrs tragen müssen und letztendlich auch die Umwelt, da durch die Einnahmen aus der CO2-Maut das Geld auch dementsprechend vernünftig verwendet werden könnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der ÖVP in Niederösterreich, wir werden diese Anträge wieder und wieder und wieder einbringen und dann werden Sie beweisen können, ob Sie eine Mobilitätspolitik machen, wo es wirklich um Land und Leute geht, oder ob Sie ausschließlich die Frächterlobby in Niederösterreich bedienen wollen. (Abg. Hundsmüller: Bravo! – Beifall bei der SPÖ.)
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