Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1712/A-8/40-2021 – Bürgerrechte stärken – Freiheit in die Landesverfassung
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Präs. Mag. Renner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Landesregierung! Geschätzte Damen und Herren Kollegen! Zum Ersten und vorweg – wie formuliere ich es am besten: Ich halte es für grenzwertig, wenn einzelne Fraktionen das tragischste Schicksal, das eine Familie ereilen kann, was in den letzten Tagen passiert ist (Beifall bei den GRÜNEN.), für sich am Rednerpult in Anspruch nimmt und möchte an dieser Stelle sagen, dass glaube ich, jeder einzelne Abgeordnete, jede einzelne Abgeordnete, alle Fraktionen, alle Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, die das Herz nur annähernd am rechten Fleck haben, natürlich Anteil nehmen. (Beifall bei der SPÖ, ÖVP, GRÜNE, NEOS.) Dann wollte ich die freiheitliche Fraktion noch fragen, ob Sie nicht eruieren könnten, ob diese verbrecherischen, offenbar mittlerweile drei Männer, nicht unter der Amtszeit ihres Innenministers vielleicht längst abgeschoben hätten werden können. (Beifall bei der SPÖ, ÖVP, GRÜNE, NEOS.) Jetzt gestatten Sie mir, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein wenig den Freiheitsbegriff an sich zu beleuchten. (Unruhe bei Abg. Mag. Scheele, Abg. Landbauer, MA und Abg. Waldhäusl. – Abg. Landbauer, MA: Selber schuld … unverständlich.) Meine Redezeit läuft. Ich ersuche doch mir einigermaßen zuzuhören. Herr Präsident? (Abg. Mag. Ecker, MA: Das ist das „Miteinander“.) Ich möchte die Freiheit in Bezug zum Rechtsstaat ein bisschen aus historischer Sicht beleuchten und würde mir jetzt schon erwarten – ich habe auch allen Kolleginnen und Kollegen zugehört bei ihren Reden – dass Sie mir vielleicht ein bisschen Ihr Ohr leihen. Entstanden ist diese Begrifflichkeit der Freiheit und der persönlichen Freiheit, wie die meisten hier wissen, bei den alten Griechen. Nur bei den alten Griechen waren das immer sehr privilegierte Personen. Für alle, die es nicht wissen: Wenn jemand damals in der Lage war, sich am politischen Leben zu beteiligen und das nicht gemacht hat, dann wurde er als Idiot beschimpft. Also der „Idiotes“ kommt aus dem alten Griechenland und war jener, der sich nicht für die Allgemeinheit hergestellt hat. Die Freiheit ist natürlich in der gesamten Denkgeschichte des Begriffes eingebettet in den Rechtsstaat, wie wir sie, die Freiheit, oder den Rechtstaat kennen. Um die Zeit der Unabhängigkeitserklärung aus den USA 1776 sowie rund um die Zeit der französischen Revolution 1789 haben sich wirklich Geistesgrößen – wenn ich das Wort „Geistesgrößen“ in den Mund nehme, meine ich das auch – eine der größten Errungenschaft der Menschheitsgeschichte geschaffen: nämlich die persönliche Freiheit des freien Menschen. Natürlich eingeschränkt, weil ich jetzt die Unabhängigkeitserklärung angesprochen habe, durch die darausfolgende Sklavenpolitik usw., wo weiter gekämpft werden musste. Aber ein besonderes Wunderkind – John Stuart Mill z. B., Alexis de Tocqueville, der durch Amerika gereist ist und dann die großartigen demokratischen Errungenschaften in Europa angepriesen hat. Charles de Montesquieu, der Erfinder der Gewaltentrennung oder auch die kämpferische Olympe de Gouges, weil die Frauen so gerne vergessen werden, die in der Zeit vor der französischen Revolution schon das Frauenwahlrecht eingefordert hat. Nicht zuletzt der vom Kollegen Hofer-Gruber genannte Immanuel Kant, der – im deutschsprachigen Raum zumindest – den Meilenstein mit dem kategorischen Imperativ gelegt hat. Was ist allerdings in den letzten Jahren in der Republik Österreich eingerissen, geschehen? (Abg. Ing. Mag. Teufel: 1848 dürfen Sie auch nicht vergessen.) 48 vergesse ich eh nicht, aber ich habe jetzt kein Zitat im Kopf, das ich mir aufgeschrieben hätte. Warum müssen wir uns wieder lauter mit den Begriffen „Freiheit“ und „Rechtsstaat“ befassen? Es ist zweifellos der Umgang der Bundesregierung mit den staatlichen Institutionen der letzten einigen Jahre. Es ist z. B. eine Gesetzesvorlage in Planung gewesen, wo der renommierte Verfassungsjurist Heinz Mayer von einem Kopfschuss in den Rechtsstaat gesprochen hat. Es ist Mode geworden, den VfGH herabzuwürdigen. Es ist bei den Pandemiegesetzen, auf die Frage von Journalisten geantwortet worden: „Wird die Zeit reichen, wenn der VfGH entscheidet?“ Da wurde ganz locker vom Hocker gesagt: „Bis die die Gesetze angeschaut haben, gelten sie eh nicht mehr.“ Das ist mehr als ein schludriger Umgang. Es ist … was die bürgerliche Freiheit betrifft – da gebe ich in diesem einen Punkt den Freiheitlichen recht – es wurden ohne konkrete gesetzliche Grundlage z. B., weiß ich nicht, zwei plaudernde Mädchen in Wiener Parks, speziell in Wiener Parks absichtlich, zur Strafe gebeten und es ist natürlich nicht in Ordnung und sehr bedenklich. Und was in letzter Zeit stattgefunden hat: Diese Angriffe auf die Justiz und Staatsanwaltschaften … das hätte ich, ehrlich gesagt, vor zwei Jahren noch nicht einmal annähernd zu denken gewagt. Ganz schlimm hat das gemündet in den letzten Wochen mit dem Hinauslehnen des persönlichen Namens eines Staatsanwaltes. Also das ist undenkbar gewesen bis vor wenigen Wochen, weil der nächste konkrete Schritt ist dann: Dort wohnt der Polizist, der dich Strafe zahlen lassen hat bei der und der unerlaubten Stelle, wo geparkt werden durfte. Zur Haltung der GRÜNEN fällt mir eigentlich wenig ein, außer dass ich hoffe, dass die Frau Justizministerin die Kraft und das Durchhaltevermögen haben wird, das sie zweifelsohne brauchen wird. Ganz schlimm finde ich – den Satz muss ich mir auch erlauben – gerade bei den GRÜNEN im Bundesparlament, dass wenn Kinder im Schlaf herausgerissen werden, die nichts anderes kennen als das Land Österreich, in dem Fall Niederösterreich, so wenig Widerstand kam. Der Bruno Kreisky hat einmal gesagt: „Wenn man in die Politik geht, dann muss man die Menschen lieben.“ Das erwähne ich deshalb, weil das Menschenbild der Bundesregierung mit den zutage getretenen Worten „Pöbel“ und „Tiere“ auch eines ist, das man zutiefst ablehnen muss und dass wir immer bekämpfen werden. Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung im Umgang mit den Medien. Ich nehme nur zwei Beispiele heraus: Das eine war der Familienvater, der eine Kollegin, die mehrere Fragen gestellt hat, mehr oder weniger abgestellt hat mit dem Satz: „Sie werden doch ein eigenes Hirn haben und denken können.“ Und das Zweite war eine Pressekonferenz der Wirtschaftsministerin, wo sie partout nicht auf die Vorgänge rund um das Gassi führen des Laptops oder Luftschnappen des Laptops des Finanzministers eingehen wollte und permanent geantwortet hat: „Wir reden heute über Forschung und über sonst nichts.“ Das ist insofern ein Drama als die Medien eine ganz, ganz wichtige Rolle in einem funktionierenden demokratischen Staat spielen, denn objektive Berichterstattung ist ein Eckpfeiler – und nicht umsonst heißt es die „vierte Macht“ einer funktionierenden Gesellschaft – und um mit Marie von Ebner-Eschenbach zu sprechen und nicht immer von den Männern in der Gesellschaft, die hat gesagt – eine sehr weise Frau: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ Das heißt, auch hier ist wieder einiges in Ordnung zu bringen und man merkt ja bei einigen Vertretern der Journalisten schon, dass es ihnen unangenehm ist. Zum Schluss, bevor ich einen Tucholsky von einem Kollegen noch gereicht bekommen habe, möchte ich natürlich auch mit Immanuel Kant schließen, weil dieser Grundsatz auch für die ökologischen Forderungen, die die Frau Fraktionsführerin der GRÜNEN angesprochen hat, gilt, weil der Mensch in Frieden in Zukunft nur leben wird können, wenn er auch auf die Ökologie massiver Rücksicht nimmt und der kategorische Imperativ, soweit er nicht bekannt ist, lautet folgendermaßen: „Handle nur nach derjenigen Maxime durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Zur NÖ Landesverfassung: Die halten wir aus unserer Sicht für ein sehr gutes Gerüst, um das Zusammenleben in Niederösterreich zu gestalten. Wir sind auch der Meinung, dass wir keine neuen Landesverfassungen brauchen, weil wenn man sich an die Bundesverfassung hält, die eine – wie der Herr Bundespräsident gesagt hat – sehr elegante ist, dann ist auch die Republik Österreich in Ordnung geführt. Und zum Schluss noch Kurt Tucholsky in Bezug auf die eine oder andere Rede, die ich hier in den letzten Jahren schon gehört habe, hat auch gesagt: „Es geht nirgends wo merkwürdiger zu als auf der Welt.“ Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)
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