Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1712/A-8/40-2021 – Bürgerrechte stärken – Freiheit in die Landesverfassung
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Mag. Hofer-Gruber (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Hohes Haus! Gestatten Sie mir das Thema mit einer etwas breiteren Perspektive anzugehen als mein Vorredner. Wir NEOS führen das Wort „Freiheit“ nicht im Parteinamen. Bei uns zieht sich dieser Begriff aber durch das Programm, das wir auch leben – in der Politik, im Beruf, im Umgang mit anderen. Oft stoßen wir dabei auf Widerstand. Warum? Weil es oft einfacher ist, unfrei zu leben. Man lässt andere entscheiden. Die werden das schon richtig machen. Schimpfen kann man nachher noch immer. Weil es oft einfacher ist, den eigenen Träumen nachzuhängen, statt sie zu realisieren. Man findet dann immer leicht einen Schuldigen, der die Umsetzung verhindert hat. Weil es oft einfacher ist, schwarz-weiß zu denken, digital, null – eins. Das ist ja heute modern. Digital: gut – schlecht, kalt – heiß, Mann – Frau, verboten – erlaubt, Kunst – nicht Kunst, Inländer – Ausländer, gläubig – ungläubig. Zwischentöne würden eine echte Auseinandersetzung mit der Sache erfordern. Das ist anstrengend. Das könnte Widerspruch herausfordern. Das könnte die eigene Position ins Wanken bringen. Das lassen viele dann lieber bleiben. Vor allem am Stammtisch und seiner digitalen Version, den sogenannten „sozialen Medien“. Meine Damen und Herren, gelebte Freiheit ist kein Kindergeburtstag. Sie hat nämlich eine Schwester und die heißt Verantwortung. Verantwortung für uns, Verantwortung für das, was wir sagen, was wir schreiben, was wir „chatten“, Verantwortung für andere, Verantwortung für die junge Generation, Verantwortung für den Planeten, auf dem wir leben und für den es keinen Ersatz gibt. Es ist gleich allen ins Stammbuch geschrieben, die da sagen: „Freie Fahrt für freie Bürger“ und glauben, dass das irgendetwas mit Freiheit zu tun hat. Nein, Freiheit ist nicht grenzenlos. „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“, hat der große Denker Immanuel Kant im 18. Jahrhundert geschrieben. Das ist heute aktueller denn je. Aber warum schauen wir denn immer dort hin, wo die Freiheit zu Ende ist, wo sie beschränkt wird? Warum gestalten wir unser Leben nicht hier und jetzt im 21. Jahrhundert freier? Dazu müssten wir gar nicht die Verfassung ändern, sondern nur unsere Einstellung. Wir müssen der Freiheit nur zum Durchbruch verhelfen und natürlich schon auch ein paar Gesetze anpassen oder wenigstens einhalten. Warum akzeptieren wir Zwangsmitgliedschaften, überzogenenen Spendierföderalismus, die höchsten Parteienförderungen weltweit, Klubzwang, Unvereinbarkeiten bei einem Untersuchungsausschuss? Warum geben wir uns mit einer Gewerbeordnung aus dem 19. Jahrhundert zufrieden? Warum haben so viele ein Problem mit Homosexualität, mit allem, was nicht dem konservativen Familienbild Vater – Mutter – Kind entspricht? Warum schauen wir zu, wie die türkise Familie den Rechtsstaat demontiert, die Gewaltentrennung weiter aushöhlt und sich nie dagewesene PR-Budgets zur Anfütterung der Medien sichert? Warum lassen wir uns eine steuergeldfinanzierte Markt- und Meinungsforschung der ÖVP Niederösterreich als Landesstrategie 2030 verkaufen? Warum haben wir nach dem ersten Pandemieschock, wo das vielleicht noch verständlich war, völlig überzogene und im faktenfreien Raum kreierte Freiheitsbeschränkungen während der Lockdowns der letzten Monate akzeptiert? In kaum einem anderen Land waren die Maßnahmen so lange anhaltend restriktiv, ohne irgendeine Evidenz, dass Österreich besser durch die Krise gekommen wäre als andere Länder, auch wenn das im engen Rahmen der „Message Control“ immer wieder behauptet wird. Der Arbeitsmarkt ist in kompletter Schieflage. Eine Pleitewelle droht. Viele Menschen haben psychische Probleme, vor allem junge, von den existenziellen Sorgen ganz zu schweigen. Zudem ist das Land höher verschuldet als je zuvor. Jetzt geht es darum, das Ruder wieder herumzureißen und unsere Grund- und Freiheitsrechte, die ausreichend in der Bundesverfassung verankert sind, wieder mit Leben zu erfüllen und Demokratie- und Rechtsstaat zu stärken. Leider sehen wir nicht nur auf Bundesebene sondern auch hier im Haus genau das Gegenteil. Wir haben das schon öfter thematisiert: Marginalisierung der Opposition, Auskunftsverweigerung bei Anfragen, reflexhaftes Ablehnen selbst der vernünftigsten Oppositionsanträge – haben wir letztes Mal gesehen, völliger Realitätsverlust etwa bei der Wahrnehmung der Vermögenslage des Landes. Die Freiheit, die wir meinen, meine Damen und Herren, hat nichts mit dem schwülstigen Gedicht von Maximilian von Schenkendorf zu tun, das manche vielleicht von der Schule kennen. Die Freiheit, die wir meinen, hat dafür viel mit Verantwortung zu tun, mit Eigenverantwortung. Für jedes Stück Freiheit, das wir gewinnen wollen, müssen wir auch etwas tun. Wir müssen einen Schlüssel in die Hand nehmen und ihn beherzt im Schloss drehen. Die Freiheit für jeden, dass er selbstbestimmt auf eigenen Beinen stehen und das Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten kann. Die Freiheit, Vielfalt als Bereicherung zu sehen und nicht als Bedrohung. Der Schlüssel dazu lautet: Bildung. Die Freiheit sich aus eigener Kraft etwas schaffen zu können, weil nicht zählt, wen du kennst, sondern was du kannst. Der Schlüssel dazu: Transparenz, Mut, Kreativität. Die Freiheit, dass sich jeder eine eigene Meinung bilden und diese auch äußern kann. Der Schlüssel dazu: freie, unabhängige Medien und eine diskursbereite Gesellschaft. Die Freiheit, dass sich Frauen für einen Berufsweg entscheiden können. Der Schlüssel: Kinderbetreuung und ein neues Gesellschaftsbild, das die Väter auch stärker in die Verantwortung nimmt. Die Freiheit, dass jede und jeder lieben kann, wen er oder sie will, unabhängig vom Geschlecht. Der Schlüssel dazu: Aufklärung und endlich echte Säkularisierung. Die Freiheit, dass Unternehmerinnen sich entfalten können und nicht zu Verwaltern und Unterlassern degradiert werden. Der Schlüssel dazu ist ein modernes Unternehmens-, Arbeits- und Steuerrecht. Die Freiheit, dass man uneingeschränkt in einem geeinten Europa reisen kann. Der Schlüssel ist endlich ein Bekenntnis zu Europa und ein Zurückdrängen der nationalstaatlichen Begehrlichkeiten. Die Freiheit von korrupter Politik, die Systemgünstlinge nach oben spült und in der die Familie mehr zählt als Anstand, Recht und Amtsszeit. Der Schlüssel dazu: Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Justiz. Und auch hier kann ein wenig Bildung nicht schaden. Die Freiheit für die kommende Generation, die nicht unter einem Schuldenberg ersticken darf, die auch nicht auf einem verwüsteten Planeten leben soll. Der Schlüssel dazu: verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen hier und heute. All das, meine Damen und Herren, ist in Österreich im Jahr 2021 leider nicht selbstverständlich. Aber das liegt nicht an der Verfassung. Wir müssten nur endlich mutige Politik machen, die die Menschen in unserem Land in den Mittelpunkt stellt und nicht das Ego, die eigene Partei oder den Machterhalt. Dankeschön. (Beifall bei den NEOS.)
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- Baden
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- Landtagsfraktion der NEOS Niederösterreich (ohne Klubstatus)
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- NEOS – Das Neue Niederösterreich