Zusammenfassung
Antrag des Bildungs-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1671-1/A-3/576-2021 – Geschlechtersensible Rechtschreibung mit Hausverstand
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Vesna Schuster (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Es gibt einen § 34-Antrag der ÖVP. Dieser heißt: Gendersensible Rechtschreibung mit Hausverstand. Was ist gendersensible Rechtschreibung mit Hausverstand? Sie möchten „Gender light“, sowas wie „duschen ohne nass zu werden“? (Unruhe bei Abg. Präs. Mag. Karner.) Das geht nicht und ich erkläre Ihnen jetzt auch, warum. Ein ideologisches Programm mit großem Potenzial zur gesellschaftlichen Spaltung ist die sogenannte „gendergerechte Sprache“. (Unruhe bei Abg. Präs. Mag. Karner.) Haben Sie keine Redezeit heute? (Abg. Präs. Mag. Karner: Nur ein kleiner Zwischenruf.) Jede erfolgreiche politische Bewegung braucht eine mobilisierende Erzählung. (Unruhe im Hohen Hause.) Für die feministische Sprachkritik ist dies der Mythos der unsichtbaren Frau. Es ist im Deutschen viel leichter die Frau sichtbar zu machen als den Mann. Die maskuline Form „der Lehrer“ unterscheidet zwischen der spezifischen Bezeichnung eines Mannes und einer geschlechtsneutralen Personenbezeichnung, dem generischen Maskulinum, während sich die feminine Form immer auf eine Frau bezieht. Wieso sollte Sprache ein reines Männerprodukt sein, wie sie Pseudofeministinnen darstellen? Sind Frauen seit Anbeginn des Deutschen stumm? Es wird behauptet, es sei im Deutschen immer nur von Männern die Rede und die Frauen sollen sich mitgemeint fühlen. Nur der Mann sei explizit Erwähnung wert, die Frau sei mitzudenken. Diese Darstellung ist eine Fehlinterpretation sprachlicher Strukturen. Denn auch der Mann ist beim generischen Maskulinum immer nur mitgemeint. Das generische Maskulinum inkludiert alle. Es macht die Frau nicht unsichtbar, sondern lenkt den Blick auf den Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht. Den meisten ist durchaus klar, dass auf dem Weg zur völligen Gleichberechtigung noch einige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen wie z. B. ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, Altersarmut von Frauen, fehlende Unvereinbarkeit von Beruf und Familie usw. Es stellt sich aber die Frage, ob gendergerechte Sprache hierbei ein hilfreiches Werkzeug ist. Text gelten als gerecht, wenn sie a. alle Geschlechter sichtbar machen oder b. alle Geschlechter unsichtbar machen. Die permanente Fixierung auf das Thema „Geschlecht“ nervt nur noch. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht kein betreutes Sprechen. Der Kampf um eine gerechte Gesellschaft sollte an anderer Stelle ausgefochten werden und nicht im Bereich der Sprache. Gendern in seiner heutigen Ausprägung ist nutzlos, beschädigt die Sprache und spaltet die Gesellschaft. Gendersensible Sprache ist weder funktionsfähig noch zielführend. Gendern ist sexistisch. Gendern ist verfassungswidrig, da es weder demokratisch zustande kam, noch dem Geist des Grundgesetzes entspricht. Gendern hat keinen nachweisbaren Nutzen. Die Praxis des Genderns ist nicht demokratisch legitimiert. Das Fundament der gendergerechten Sprache ist vorrangig ideologischer und nicht wissenschaftlicher Art. Bei der Umgestaltung der Sprache benutzt die gendergerechte Sprache zwei entgegengesetzte Strategien. Beidnennungen wie z. B. Dozenten und Dozentinnen und Neutralisierung wie z. B. Dozierende. Wenn man dies näher betrachtet, stellt man fest, dass das Zurückdrängen des generischen Maskulinums in der Sprache auf der Agenda steht. Die feministische Sprachkritik kennzeichnet zwei Fehler. Erstens: Die unwissenschaftliche Gleichsetzung von grammatischem Geschlecht, dem Genus, mit dem biologischen Geschlecht, dem Sexus. Und zweitens: Die sexistische Gleichsetzung des biologischen Mannes mit dem Patriarchen. Das generische Maskulinum ist die im Deutschen vorgesehene Form für inklusives Formulieren. Hier ein Beispiel: Angela Merkel ist der achte Bundeskanzler seit Gründung der Bundesrepublik. Wir können nicht sagen, dass Angela Merkel die achte Bundeskanzlerin ist, denn sie ist die erste Frau in diesem Amt. Wir können auch nicht sagen: Angela Merkel ist der/die achte Bundeskanzler(in). Damit würde man behaupten, Angela Merkel sei männlich und weiblich zugleich. Es wird interessant, wenn wir zu den Tieren kommen. Die Katze, der Hund, die Kuh, das Schaf. Die Katze steht für alle Katzen. Der Hund steht für alle Hunde – unabhängig vom Geschlecht. Wenn wir über Tiere sprechen, dann verwendet man häufig solche generischen Ausdrücke. Hier steht manchmal das Femininum für alle Geschlechter und manchmal das Maskulinum. „Ärzte sollten sich mehr Zeit für ihre Patienten nehmen.“ „Fußgänger müssen den Bürgersteig benutzen“. „Da sollte man einen Rechtsanwalt einschalten.“ „Heute gehen wir zum Italiener essen.“ Hunderte solcher Sätze könnte jeder von uns nennen, bei denen es jedem klar ist, dass hier alle Menschen gemeint sind und niemand auch nur einen Moment an das Thema „Geschlecht“ denkt. In keiner Sekunde müsste eine Frau rätseln, ob sie nun mitgemeint ist oder nicht. Hier ein Beispiel mit Beidnennungen: „Die Bürger müssen sich auf weitere Einschränkungen gefasst machen.“ „Die Bürger und Bürgerinnen müssen sich auf weitere Einschränkungen gefasst machen.“ Während im ersten Satz von allen Bürgern beliebigen Geschlechts die Rede ist, sagt der zweite Satz, dass die Bürgschaft nur aus Männern und Frauen besteht. Beidnennungen beziehen sich nicht auf Menschen, die außerhalb der bipolaren Norm sind. Das wollen Sie doch, liebe Gutmenschen, nicht. Sie wollen ja alle Geschlechter sichtbar machen. Und so bewirken die Maßnahmen der Ideologie einer Sexualisierung der Sprache. Ständig will man auf das Geschlecht hinweisen. Es geht nicht mehr um die Kernaussage von Texten. Beidnennungen signalisieren der Frau: „Ja, du bist auch mitgemeint. Ja, du bist auch dabei.“ Muss das Dabeisein der Frau stets von neuem sprachlich beschworen werden? Wird nicht so die Erzählung von der schwachen Frau, die besonderen Schutz bedarf, fortgeführt? Braucht die moderne, selbstbewusste, starke Frau gendergerechte Schutzmaßnahmen? Ist sie ohne Gendersprache, -quote, Frauenreferate und Gleichstellungsbeauftragte gänzlich außerstande, sich im Leben zu behaupten? Welch ein trauriges Frauenbild. Mädchen und Frauen brauchen Vorbilder in ihrer Lebenswirklichkeit. Kein Mädchen wird Astronautin, weil es gegenderte Texte gelesen hat. Wirft man einen Blick auf prominente Frauen unserer Zeit, so sind Frauen omnipräsent. Keiner hat ihnen einen roten Teppich mit Gendersternchen ausgerollt. Sie hatten eine Vision für ihre Lebensgestaltung. Fürsorgliche Sprachassistenz durch politisch korrekte Texte hatten sie nicht nötig. Geschlechtergerechte Sprache hatte keinen Anteil an diesen erfolgreichen Biographien. Frauen kommen in unserer Gesellschaft überall hin, wenn sie wollen. In der türkischen Sprache gibt es keine Geschlechter. Sie hat kein Genussystem. Insofern kann diese Sprache auch nicht über das Genus Geschlechterstereotypen reproduzieren. Folgt man den Thesen der gendergerechten Sprache, so müsste das Türkische als genderneutrale Sprache ideale Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen in der türkischen Gesellschaft stehen. Dass die Lebenswirklichkeit der türkischen Frauen von diesem Ideal weit entfernt ist, dürften alle wissen. Weltweit gibt es 144 Sprachen ohne Genussystem. Einen Zusammenhang zwischen einer Grammatik ohne Genussystem und der gesellschaftlichen Situation der Rolle der Frau lässt sich nirgendwo beobachten. Mit der Schwerverständlichkeit gegenderter Texte haben nicht nur Migranten oder Menschen mit Bildungsdefiziten zu kämpfen, auch Menschen mit guter Sprachkompetenz kommen ins Stottern. Wenn Lesen zur Zumutung wird, kann die Kommunikation als gescheitert bezeichnet werden. Gendern ist ein elitäres und realitätsfremdes Projekt. Gendergerechte Sprache ist ein umpraktikabler Irrweg. Gendergerechte Sprache ist nicht das geeignete Instrument Gerechtigkeit in der Gesellschaft herzustellen. Ist gendergerechte Sprache vielleicht eine billig zu habende Methode der moralischen Selbstaufwertung? An alle, die ein bisschen gendern, also „Gender light“ betreiben: Das geht nicht. Wenn Sie gendern, dann müssen Sie das schon konsequent durchziehen. Eine Mischung von gegendertem und nicht gegendertem Deutsch in Texten ist unmöglich, weil sich Beidnennungen und Neutralnennungen ausschließen. Dieses Sprachexperiment sollte baldmöglichst abgebrochen werden. Daher bringe ich einen Abänderungsantrag ein der Abgeordneten Schuster, Landbauer, Königsberger, Aigner, Dorner, Handler, Teufel zum Antrag der Abgeordneten Göll gemäß § 34 LGO 2001 betreffend Geschlechtersensible Rechtschreibung mit Hausverstand, Ltg.-1671 (liest:)
„Der Antrag der Abgeordneten Göll wird wie folgt abgeändert:
Der Antragstenor lautet:
1. Die NÖ Landesregierung wird im Sinne der Antragsbegründung aufgefordert, ausufernde „gender-sensible“ Sprache vor dem Hintergrund der Lesbarkeit von Texten weitgehend aus dem Schulunterricht, explizit aus den Lernunterlagen, auszusparen und bei den Hochschulen in Niederösterreich vorstellig zu werden, um eine Freiheit von Sprachzwängen in wissenschaftlichen Arbeiten einzufordern und eine verpflichtende Nutzung „gender-sensibler“ Sprache in wissenschaftlichen Arbeiten auszuschließen.
2. Die NÖ Landesregierung wird im Sinne der Antragsbegründung aufgefordert, bei der Bundesregierung vorstellig zu werden und sich dafür einzusetzen, dass „gender-sensible“ Vorgaben und Sprachanwendungen im Schulunterricht ausgespart werden und der Gebrauch von „gender-sensibler“ Sprache kein Beurteilungskriterium in wissenschaftlichen Arbeiten sein darf.“
(Beifall bei der FPÖ.)
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