Zusammenfassung
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-2068/A-2/78-2022 – Umfassendes Maßnahmenpaket gegen die Teuerung, um die Kaufkraft unserer Bevölkerung zu erhalten – statt „§ 34 Placebos“
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Dr. Krismer-Huber (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Hohes Haus! Die Dringlichkeitsanträge, die heute zur Debatte stehen sind, was den Inhalt betrifft, keine neuen Debatten. Ich möchte uns gemeinsam einmal heute dazu bewegen, einmal größer zu denken und hinauszuschauen: Was ist das, was da draußen derzeit passiert und was Menschen am Ende auch mit einer Teuerung spüren? Lassen Sie mich noch einmal zurückgehen als die Pandemie begonnen hat, in der wir noch immer mittendrinnen sind. Die Pandemie hat uns sehr, sehr viel beigebracht. Sie hat uns als Gesellschaft auf Dinge hingewiesen, die jetzt noch in Erinnerung sind. Sie haben uns darauf hingewiesen, dass wir globale Lieferketten haben. Ich glaube, vielen Konsumentinnen und Konsumenten war das gar nicht so bewusst, wie global zusammenhängend die Wirtschaft ist … dass ein kleines Teil, das man irgendwo braucht, was noch in Europa fabriziert wird, dass das aus dem asiatischen Raum kommt und dann gibt es dieses Produkt einfach nicht. Wir haben die Lehre gezogen, dass China als Volkswirtschaft sehr, sehr bedeutend für uns ist. Wir haben heute gesehen, wir wollen sehr viel nach Europa zurückholen. Wir haben aber auch im Zuge der Pandemie gesehen, dass es einer Gesellschaft möglich ist zusammenzurücken, zusammenzustehen und füreinander einzustehen und füreinander dazusein. Wir haben aber auch gesehen, dass wir in all unserem Steuersystem und wie wir uns ausgemacht haben in unserer Demokratie, Gesellschaft zu gestalten im Sinne dieses Wohlfahrtsstaates, dass wir immer vom Ressourcenverbrauch abhängig sind. Stottert es in der Wirtschaft, gibt es keine Einnahmen und wir haben soziale Erosionen. Ich glaube, dass im Zuge dieser Pandemie sehr viele Menschen, die von einer Volkswirtschaft keine Ahnung hatten, von all diesen Dingen, aber plötzlich gespürt haben, wie diese Dinge ineinander greifen. Sehr viele, gerade Umweltbewegte, haben gesehen, dass es offensichtlich in diesem System, in dem wir uns befinden, wie wir Wirtschafts- und Finanzpolitik machen, es geradezu ein Gebot ist, dass man fossile Energieträger braucht, dass man Umwelt auch ausbeutet, damit dieses ganze „Werkl“ im Laufen bleibt. Das heißt, ohne lecke Ölpipelines, ohne Plastik und ohne Bodenverbrauch können wir nicht in der Komfortzone bleiben in Mitteleuropa. Was aber die Menschen auch gesehen haben ist, dass viel, viel mehr dazugehört als Geld und Wohlfahrt, um glücklich zu sein. Das zeigen uns auch die Bilder aus Ländern, die nicht diesen Wohlstand haben. Ich habe oft nicht den Eindruck, dass Menschen dort unglücklicher sind. Sie haben andere Dinge im Alltag zu bewältigen, aber nicht, dass sie unglücklicher sind in ihren Familien. Was die Menschen derzeit auch bewegt – und das ist das zweite Große – ist dieser Krieg in der Ukraine. Das sind ganz andere Bilder, die jetzt auf uns einprasseln. Ich gehöre zu einer Generation, die auch – wie auch meine Elterngeneration – keinen Krieg miterleben mussten. In dem Krieg wird jetzt auch wieder vieles so offensichtlich, was Bürgerinnen und Bürger im Grunde in ihrem Alltag egal sein kann. Dazu haben sie das Recht. Die Dinge müssen funktionieren. Sie erkennen plötzlich, wie groß unsere Abhängigkeit vom Gas ist. Sie müssen auch erkennen, dass Österreich keine Risikoenergiepolitik in der Verteilung gemacht hat, dass wir zu 80 % vom russischen Gas abhängig sind und die Menschen haben, glaube ich, jetzt auch erkannt, dass die Energiepolitik der Bundesregierung in den verschiedensten „Couleurs“ – egal ob ÖVP, SPÖ oder mit den Freiheitlichen – eine ist, wo Lobbyisten fossile Energiepolitik betrieben haben, die uns heute vor ganz andere Voraussetzungen und Herausforderungen stellt. Die Menschen wissen jetzt aus diversen Interviews, dass was bis jetzt nur Energiepolitikerinnen und welche, die sich damit beschäftigen müssen, wissen – nämlich: Wie setzt sich ein Strompreis zusammen? Plötzlich ist dieses Wissen da, dass ein Strompreis sich immer orientiert an jenem Kraftwerk, das am teuersten produziert und das sind in der Regel eben jetzt die Gaskraftwerke. Das heißt, Menschen verstehen jetzt, wie die Dinge ineinander greifen und sie erkennen auch im Zuge dieser Krisen, dass in vielen Bereichen in den letzten Jahrzehnten zu wenig gemacht wurde und sie erkennen, dass die Energiepolitik und die Frage der Ressourcen eine ist, die die Teuerungen derzeit treibt. Warum führe ich das aus? Weil es, glaube ich, einfach heute eine gute Stunde ist, einmal aufzurollen: Woher kommen wir in der Republik? Was wurde politisch gemacht? Wo sind die Versäumnisse? Und warum braucht es heute so hohen Energieaufwand, um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte wieder in die richtige Richtung zu treiben? Die, die in den letzten 40 Jahren in der Republik Verantwortung übernehmen durften – Sozialdemokratie, ÖVP und die Freiheitlichen – haben auf die wichtigen Fragen der Zukunft keine Antworten gehabt. Verantwortung heißt auch Antworten zu geben. Und sie wurden eben nicht gegeben. Sie wurden nicht gegeben, wo seit Jahrzehnten diskutiert wird, wir müssen mit dem Energieverbrauch runter. Wir müssen schnell in die erneuerbaren Energien hinein. Wir müssen schauen, dass wir eben diese Transformation schaffen. Das hat die Frau Kollegin völlig richtig angesprochen. Dass wir es schaffen ökosozial zu machen. Ich darf daran erinnern: 1990 haben die GRÜNEN gesagt, wir brauchen einen Benzinpreis weit über 20 Schilling. Also junge Kolleginnen und Kollegen wissen wahrscheinlich gar nicht mehr, wie das mit dem Schilling war. Das hätte damals den GRÜNEN fast Kopf und Kragen gekostet. Aber ich sage Ihnen heute: Wir waren der Zeit weit voraus und es waren die richtigen Punkte. Zu einer Zeit, wo es der Wirtschaft gut geht, diese Transformation einzuschleichen, immer das Soziale mitzunehmen, niemanden zurückzulassen, es in einer Perspektive von 20 Jahren zu machen, wurde nicht gemacht. Genau die, die den Antrag heute stellen – Sozialdemokratie und die Freiheitlichen – hatten bis heute nichts erkannt. Sie haben damals nichts erkannt – ich sage nur: Hainburg, Zwentendorf … Da war die ÖVP damals schon weiter. Ökosoziale Marktwirtschaft ist damals von der ÖVP gekommen und daneben hat sich die grüne Bewegung entwickelt. Die ÖVP ist dann wieder ins neoliberale Eck abgedriftet, aber die Sozialdemokratie hat es in vielen Belangen bis heute nicht verstanden. Sie sehen aber heute die Auswirkungen, wovor wir seit Jahrzehnten warnen. Wenn diese Preistreibung in der Energiefrage passiert, bleiben jene mit geringsten und geringen Einkommen übrig. Und jetzt verlangen Sie von einer Bundesregierung in all diesen Krisen völlig unverschuldet, aufbauend auf die Versäumnisse, wo genau die Sozialdemokratie und die Freiheitlichen auch dazugehören und nicht nur die ÖVP, dass alles von heute auf morgen auf den Cent passen und stimmen muss. (Unruhe bei Abg. Mag. Scheele.) Ich bin hoch erfreut, was diese Bundesregierung liefert (Heiterkeit bei der SPÖ.), denn hätte man auf die Anträge von SPÖ und den Freiheitlichen in Niederösterreich gewartet, würden viele, viele Erleichterungen bei den Menschen nicht ankommen. (Abg. Razborcan: Du weißt aber nicht, was du sagst.) Die erstmalige Mitregierung … (Abg. Rosenmaier: Weißt du, was das Gute ist? Dass du oft selber nicht glaubst, was du sagst.)… das ist sehr unter der Gürtellinie, aber das ist man gewohnt von der Sozialdemokratie … (Heiterkeit bei der SPÖ. – Unruhe bei Abg. Rosenmaier und Abg. Razborcan.) … Bei einer erstmaligen Beteiligung der GRÜNEN müssen die GRÜNEN alle Versäumnisse (Unruhe bei der SPÖ.) der letzten Jahrzehnte binnen Wochen wegräumen … binnen Wochen wegräumen. Und es wird geliefert. (Abg. Razborcan: Unglaublich.) Es ist nicht einfach derzeit, aber diese Bundesregierung liefert – liefert noch immer. Stimmt, mit unterschiedlichen Ministerinnen (Unruhe bei Abg. Razborcan.) und Ministern, aber was zählt ist, was unter dem Strich herauskommt und diese Bundesregierung liefert. (Beifall bei den GRÜNEN.) Sie federt ab. Sie nimmt die Menschen mit (Abg. Razborcan: Arbeitest du heute? – Unruhe bei Abg. Mag. Scheele.) und den GRÜNEN ist es ein Grundwert, dass wir Menschen mitnehmen. Wir meinen es ernst mit dem Begriff „solidarisch“. (Abg. Razborcan: Aber nicht mit dem Landtag, gell? – Beifall bei den GRÜNEN. – Heiterkeit bei Abg. Rosenmaier.) Jetzt ist der Punkt, wo Innovation gefördert werden muss. Es ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt, sich nicht von der ökosozialen Steuerreform abbringen zu lassen. Es muss jetzt alles rascher gehen und es muss greifen. Alles, was die letzten 20 Jahre nicht gemacht wurde, muss jetzt in einer Dynamik passieren und ich traue es dieser Bundesregierung zu, dass sie es schafft. (Unruhe bei Abg. Ing. Mag. Teufel. – Beifall bei den GRÜNEN.) Die Geschichte hat uns gezeigt, dass Gesellschaften immer in Krisen fähig sind aus einer Innovationskraft heraus Visionen zu haben, niemanden hinten zu lassen, dass man es schafft. Das vertreten die GRÜNEN auf all ihren Funktionsstellen im Land und im Bund. Eine Transformation braucht aber auch das ernsthafte Neubewerten und Neuausrichten von Strukturen, die wir haben. Sie wissen, dass ich vorgeschlagen habe, dass die EVN als Aktiengesellschaft wirklich zu überlegen ist, ob die Aktiengesellschaft, wo die Frau Landeshauptfrau, wo ein Regierungsmitglied keine Weisungen erteilen kann, ob das jene juristische Person ist, ob das jene juristische Funktion ist mit der wir Zukunft gestalten in Niederösterreich? Ich bin tief davon überzeugt, nicht. Ich bin tief davon überzeugt, dass wir die Infrastruktur wieder voll im Land haben müssen, dass wir Turbo aufnehmen und sich auch niemand politisch hinter einer Aktiengesellschaft verstecken darf. Wir müssen gemeinsam im Land Zukunft schaffen – und zwar mit einer Dynamik, wie es noch nie da war. (Beifall bei den GRÜNEN.) Abschließend: Die Begrifflichkeit des Dringlichkeitsantrages der Sozialdemokratie und der FPÖ sagt schon sehr viel. Sie reden im Titel von Kaufkraft. Es geht nicht nur um Kaufkraft. Es geht darum, den Menschen ihre Lebenskraft zu geben. Und dafür wird derzeit gesichert. Sie wollen das, was bisher geschah und leider, leider geschah, einfach weitertreiben. (Abg. Mag. Scheele: Mit Kaufkraft … na habe die Ehre.) Die Sozialdemokratie und die Freiheitlichen haben keine Visionen für dieses Land. Sie haben die Bilder ihrer Putin-Freunde in ihren Parteibüros hängen, liebe Freiheitliche Partei, (Heiterkeit bei der FPÖ.) und die Sozialdemokratie hat jede ökosoziale Steuerreform bisher blockiert (Unruhe bei der SPÖ.),weil sie immer die niederen Einkommenschichten glaubten, beschützen zu müssen und sie sind heute die Ersten, die mithineingezogen werden. Sie haben Sozialpolitik irgendwo am Wege verloren. (Beifall bei den GRÜNEN und der ÖVP.) Meine Kollegin Silvia Moser wird jetzt im Detail auf die Anträge eingehen, aber eines auch – mein Appell an die ÖVP: Zwei Stunden vorher einen Antrag einzubringen, ist als absolute Mehrheitspartei etwas eine magere Bilanz. Der Ausblick ist auch sehr mager – dennoch: Wir müssen in die Gänge kommen. Ich gehe davon aus, das machen Sie sich eh wieder in der Landesregierung unter sich aus, so wie es derzeit ja immer der Fall ist. Einmal schauen, was rauskommt. Vielleicht arbeiten Sie jetzt – leider hat uns jetzt der Landeshauptfrau-Stellvertreter verlassen, denn dem Herrn Schnabl hätte ich schon gerne eines gesagt (Abg. Hundsmüller: Der hört draußen zu. Der hält das nicht mehr aus.) … ja, dann soll er es hören. Ich bin froh, wenn er es hört … (Abg. Rosenmaier: Der wartet auf dich draußen.) Die Sozialdemokratie übernimmt auch alle, alle tadeligen Verhaltensweisen der ÖVP hier im Hohen Haus. Draußen steht er und stellt mit Udo Landbauer einen Antrag vor und hat nicht einmal den Mut, hier mit dem Landtag zu reden. (Abg. Präs. Mag. Renner: Er ist viel, aber feig ist er nicht.) Warum nimmt er nicht die Zeit der Sozialdemokratie und redet mit dem Landtag? Ich hätte das gerne einmal – wie in jedem anderen Landtag dieser Republik – dass Regierungsmitglieder mit den Gewählten auch Debatten führen und sich nicht nur irgendetwas über Pressemitteilungen ausrichten. Das ist auch ein neuer Stil. Aber da sind Sie auf den Spuren der ÖVP. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN. – LR Mag. Teschl-Hofmeister: Ich bin da.)
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