Zusammenfassung
Antrag des Wirtschafts- und Finanz-Ausschusses
Verhandlungsgegenstand
- VerhandlungsgegenstandLtg.-1842/V-9-2021 – Voranschlag des Landes Niederösterreich für die Jahre 2022 und 2023
Video-Übertragung der Sitzung
Auszug aus dem Sitzungsbericht
Abg. Dr. Krismer-Huber (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Werte Mitglieder der Landesregierung! Hohes Haus! Budgetsitzungen haben eine positive Eigenschaft, dass wir uns die Zeit nehmen können, um uns mit Grundsätzlichem in der Gesellschaft, in unserem Umfeld zu beschäftigen. Es geht nämlich bei einer Budgetdebatte auch kurz ums Innehalten: Was ist die Grundlage dieses Voranschlages? Es sind also die Fragen, die uns beschäftigen als Gesellschaft. Es geht um Prognosen. Es geht um Annahmen – gesellschaftlich, wirtschaftlich und auch umweltbezogen. In dem eingebettet ist es. Also drängen sich für mich die Fragen auf: Wie entwickelt sich unser Zusammenleben weiter? Wie anpassungsfähig – sozusagen wie resilient – sind wir als Gemeinschaft? Welche gesellschaftlichen Trends sind unaufhaltbar? Ich denke hier an die Bewegung eher vom Land weg hin in die zentralen Orte. Welche Nachfrage gibt es auf den Märkten? Wohin entwickeln sich diese? Was wird verstärkt werden? Wo wird produziert? Und auch die große Frage: Wie lange werden uns diverse Krisen, insbesondere die hoffentlich mittelfristige Krise der Pandemie, begleiten? Wie sieht es aus? Was tun wir gegen die wirklich große Überlebensfrage? Das ist nämlich alles zu tun gegen die Klimakrise. Die Ergebnisse der Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre, also vielleicht auch der Jahrzehnte … aber auf jeden Fall der letzten 20 Jahre sind die Rechnungsabschlüsse des Landes immer abgewichen und ganz anders von den Budgets gewesen. Jetzt kann man hergehen und sagen: Die Institute, die die Landesregierung beauftragt oder auch im Haus … das sind immer alles falsche Annahmen. Das wäre zu kurz und wäre auch nicht richtig. Ich gehe davon aus, dass sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzabteilung als auch die, die gefragt werden, sich bemühen, diese hoch komplexen Fragen irgendwie so herzubekommen, um es dann in Zahlen zu gießen. Aber es reicht eben nicht mehr weil wir in einer sehr komplexen Welt leben und unser Zusammenleben untereinander auch schon wieder Auswirkungen auf irgendjemanden hat. Wenn etwas im Amazonas passiert, nimmt das Einfluss auf unser Klima und auf unser Wetter. Gehen wir einmal ganz kurz hinein in die Welt einer Pubertierenden, eines Jugendlichen derzeit. Die haben die letzten Jahre wirklich nur Krisen mitbekommen. Also denen ist das klar: Es kann in einem Monat, in einem Jahr schon wieder alles ganz anders sein. Sie sind in die Schule gegangen und sind plötzlich die erste Generation, die von zu Hause aus in die Schule geht. Das ist das erste Mal, dass so etwas passiert. Sie sind damit konfrontiert, dass sie durch das Netz und durch das Handy wissen, dass es diesem Globus wirklich nicht gut geht und sehr viele davon machen Zusammenkünfte. Manche gehen auf Demonstrationen und machen wirklich alles, damit wir – die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger – gute Zukunftsprojekte auf den Weg bekommen. Diese Generation weiß, dass alles sehr fragil ist und hochkomplex ist und morgen wieder anders sein kann als gestern. In einer derart komplexen Welt – bin ich der Meinung – ist es sehr schwer Prognosen anzustellen. Aber was macht die ÖVP Niederösterreich? Die ÖVP Niederösterreich knüpft dort an, wo man im ehemaligen Osten einmal war – nämlich eine Planwirtschaft für fünf Jahre. Es hilft mir auch nicht in Niederösterreich, wenn sie in Tirol und in anderen Bundesländern – historisch vielleicht – für zwei Jahre Budgets gemacht haben. Denen würde ich auch anraten in einer derart hochkomplexen, schnelllebigen Zeit … wir brauchen morgen gerade wieder eine Virusmutation zu haben … dann wissen Sie, Herr Landesrat, und das wissen auch alle Mitglieder der Landesregierung, dann können Sie das Budget nehmen und einstampfen. Es fehlt mir irgendwie wirklich der Zugang, wie man in einem derartigen Umfeld politisch auf die Idee kommt, ein Zweijahresbudget zu machen. Das ist für mich eine Überschätzung des eigenen Handelns und des Umfelds, in dem man sich bewegt oder es mag auch eine Form der Überheblichkeit sein. Es hat die Vorgängerin der NEOS bereits angesprochen: Es ist schon eigenartig, dass wir vor einer Landtagswahl stehen und die ÖVP das Wahljahr 2023 jetzt dieser Tage hier und heute gleich mitbeschließen möchte. Ich glaube nicht, dass jetzt die Sorge so groß ist bei der ÖVP, dass sie die absolute Mehrheit verliert. Oder ist sie doch so groß? Vor der letzten Landtagswahl hat die ÖVP immerhin in jede GmbH einen zweiten Geschäftsführer hineingesetzt. Also ich würde sagen: Es braucht die Angst bei der ÖVP nicht so umgehen und daher einmal kurz zusammengefasst: Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich trage es auch nicht mit und wir haben es auch nicht mitabgestimmt, warum wir in Niederösterreich in derart volatilen Zeiten ein Zweijahresbudget machen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Was wir aber wissen ist: Wir haben in Österreich ein massives gesellschaftliches Problem, wenn sich 35 % der Menschen in einer liberalen Demokratie mit höchsten Gesundheitsstandards nicht impfen lassen. Es gibt offensichtlich mehr verborgene Ängste als wir als Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger angenommen haben. Und es gibt ein hochgradiges Misstrauen der Wissenschaft gegenüber. Es ehrt uns, wenn wir Millionen in das IST-Austria pumpen – und das ist auch gut so. Das ist unbestritten, da brauchen Sie mit mir nicht diskutieren. Aber wir sehen schon auch, dass wir im ganz normalen Bildungssystem massive Defizite haben müssen. Wir müssen Defizite haben, wenn wir Menschen nicht erklären können, dass sie ein Antibiotikum nehmen, weil sie ein Bakterium haben, dass sie eine Impfung, weil das das Einzige ist, dass gegen ein Virus hilft und dass sie einfach der Wissenschaft, den Medizinerinnen, Medizinern nicht mehr glauben. Weil wir ihnen nicht beigebracht haben, wie Wissenschaft und Erkenntnistheorie funktioniert und dass man immer dazulernen darf – es hat ja auch die ÖVP „Nein“ zur Waldviertelautobahn gesagt – das ist Erkenntnistheorie. Man hat neue Fakten, man hat sich das angeschaut, man hat es sich überlegt und es geht weiter. So ist es und so muss man auch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen. Das sind keine Verwirrungsmanöver, wie viele glauben, sondern das ist in der Wissenschaft so und die Politik hat das gut zu übersetzen. Da hätte man das ein oder andere vielleicht auch besser machen können. Das ist das Umfeld, in dem wir uns bewegen. Aber was heißt das? Dass Österreich im Unterschied zu anderen EU-Ländern nicht so schnell aus der Pandemie kommen wird. Das wird nicht nur mehr Tote bringen, mehr Leid bringen, Burnouts in den Spitälern und in den Gesundheitseinrichtungen bringen. Es wird vor allem ein wirtschaftlicher Schaden für das Land sein, weil wir nicht ordentlich ins Tun kommen. Das sind die Rahmen, die wir kennen. Was wir noch wissen ist, dass wir uns nicht hinarbeiten in eine Klimakrise, sondern wir sind mittendrin. Da hilft kein Leugnen mehr. Da hilft kein Jammern mehr, was es kostet. Und da hilft auch kein „Die anderen sollen es machen“ mehr. Dieses Wegschieben des Problems, wie es auch Frau Landeshauptfrau beim Städtebund gemacht hat, mit „Wir sind ja in Europa nur für 7 % der CO2-Emissionen zuständig. Das sollen die anderen machen.“ Ja, Herr Kollege Ebner, auch wenn sie nicken „Genau“. Das stimmt eben nicht. Man muss sich das im Detail anschauen. Wo wird Ihr Handy produziert? Wo wurden Ihre Schuhe produziert? Wo wird heute produziert, damit wir konsumieren können? Da muss man auch ehrlich sein bei diesen Dingen. Daher: Wir konsumieren, woanders wird CO2 entstehen, emittiert. Wir müssen uns die Bilanzen genau anschauen. Schweden hat es innerhalb der Europäischen Union geschafft. Die USA ist sehr weit oben. Aber sogar die Amerikaner haben die Pro-Kopf-Quote geschafft seit 1990 zu senken. Und was hat Österreich gemacht? Wir sind noch rauf. Und das wissen Sie. Da hat natürlich Niederösterreich auch den Aufschwung, den wir hatten seit 1990, mitgewirkt, dass das CO2 nach oben ging, statt nach unten ging. Das sind die Rahmen, die wir kennen. Daher ist es kein Zufall. Die alten Kameralistiker haben sich schon etwas dabei gedacht, dass Gesundheit und Umweltschutz in der Gruppe 5 sind, weil Gesundheit und Umweltschutz in einem zu denken ist. In einer gesunden Umwelt wird man gesünder sein. So funktionieren die Dinge. Manchmal ist es relativ einfach. Niederösterreich ist säumig, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Pernkopf. Sie sind nicht nur für die Spitäler zuständig. Sie sind derzeit eigentlich so etwas wie der Krisenmann. Sie sollten die Krisen lösen. Sie sind säumig in der Raumordnung. Wir haben noch immer den großen Flächenverbrauch. Sie sind das nicht seit gestern. Sie sind lange schon an diesen Hebeln. Sie sind säumig im Bereich Photovoltaik. Gehen Sie raus, fragen Sie! Niemand versteht, warum Sie für Grünland-Photovoltaik zwei Jahre brauchen – mitten in einer Krise. Und hintenrum laufen nur die Deals in den Gemeinden. Sie wissen ganz genau, dass Sie in der sektoralen Raumordnung Windkraft endlich wieder Wind reinbringen müssen. Sie tun es nicht! Und wenn wir vom öffentlichen Verkehr mit 440 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre reden, dann sage ich: „Danke“ an diese Bundesregierung – insbesondere an Leonore Gewessler. Das größte Infrastrukturpaket, dass es je gegeben hat, ist über ihren Schreibtisch gegangen und hat diese Bundesregierung gemeinsam gemacht. Selbstverständlich ist das jetzt unterstützt von den Ländern. Selbstverständlich werden wir jetzt in Niederösterreich mit diesem Beitrag nachziehen, aber nicht so zu tun als wäre das „Made in Niederösterreich“. Das ist es leider nicht. Wenn Sie sagen, dass Sie im Straßenbau 80 Millionen Euro reduzieren … dann geht mir jetzt als GRÜNE nicht das Herz auf, weil Straßen heißt auch sehr viel für Fußgängerinnen und für Radfahrende zu machen – nämlich Fahrradstreifen. (Heiterkeit bei Abg. Mag. Schneeberger.) Nein, da gibt es nichts zu lachen, Herr Kollege Schneeberger. Es werden (Unruhe bei Abg. Kainz.) innerörtlich in diesem Land Straßen gebaut, die nichts für Radfahrende vorsehen. Das geht nicht mehr. Mit Unterstützung der Straßenbauabteilung … daher: Man muss ganz genau hinschauen, welche Projekte hintangestellt werden, welche gebaut werden. Und in Sachen Energieraumplanung, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, da weiß ich überhaupt nicht, wie Sie mit der EVN in der Pendeluhr schlafen. Ich weiß es nicht. Es ist lieb und nett, wenn Sie so nette PR-Sachen machen und Ihre Sonnenkraftwerke und so … ist entzückend. Das hätten Sie Jahre davor schon machen können. Wir stehen davor, dass jede Gemeinde bis 2040 vom Gas wegkommen muss. Bis 2040 muss ich vom Gas weg. Überzeugen Sie einmal die EVN-Fernwärme, dass sie in die Gänge kommen soll, wenn sie eh das Gas vor der Tür verkaufen kann! Das sind die großen Fragen, die wir in Niederösterreich klären müssen. Jetzt sage ich: „Gut, Sie haben nicht diese Klimaleidenschaft. Sie haben anscheinend nicht diese Überlebensleidenschaft. Da können wir unterschiedlicher Meinung sein.“ Aber eigentlich nehmen Sie sich als Wirtschaftspartei wahr. Dann sage ich Ihnen: „Kommen Sie in die Gänge.“ Wenn Sie wollen, dass die nächsten 20, 30 Jahre dieses Land wirtschaftlich gut dasteht, dann werden Sie endlich die Ärmel hochkrempeln müssen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Was wir auch wissen ist, dass die Kontrolle für den Landtag erschwert wurde. Wenn der größte Brocken – und Soziales ist nach wie vor Angelegenheit der Länder – wenn der größte Teil des Budgets in das Soziale hineingeht und der größte Anteil sind die Spitäler und die Pflegeheime. Da läuft vieles gut. Vieles kann man verbessern. Die Kollegin Silvia Moser hat eine Menge Verbesserungsvorschläge. Mit der Landesgesundheitsagentur ist eben genau das eingetreten, was wir vermutet haben. Das eine ist: Es gibt ein „Facelifting“ im Budget. Mit 1.1.2021 fehlen die 2,6 Milliarden, die sozusagen jetzt in der Landesgesundheitsagentur geparkt sind und was noch fehlt ist: Haben Sie sich alle den Dienstpostenplan angesehen? Sie finden die 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr, weil sie in einer ausgelagerten Dienstbehörde sind. Wir sind in einem Pflegenotstand. Wir haben ein Problem mit medizinischem Personal. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie in Ihre Unterlagen. Gehen Sie raus, erzählen Sie den Bürgerinnen und Bürgern wie viele Pflegekräfte wir haben, wie viele Diplomierte, wie viele Ärztinnen und Ärzte und stehen Sie dort Rede und Antwort. Alle Regierungsfraktionen werden jetzt sagen müssen: „Ja, ist ein bisschen blöd. Kann ich Ihnen nicht sagen.“ Sie, ÖVP, SPÖ und die Freiheitlichen haben genau dem zugestimmt. Fazit: Ein Doppelbudget in Zeiten wie diesen ist Unsinn. Die ÖVP hat hoffentlich auch gewisse Ängste, denn rational ist es nicht zu erklären in volatilen Zeiten ein Doppelbudget zu machen. Für die Klimakrise wird zu wenig getan. Wenn Herr Landesrat Schleritzko uns heute weismachen möchte, dass er 1,5 Milliarden ausgibt, dann würde ich ihn bitten, dass er wie bei der Flüchtlingsbewegung, wie bei der Pandemie eine Extraeinlage macht in seinem wunderbaren Voranschlag und auch in seinem Rechnungsabschluss und alle Maßnahmenvorhaben, sprich Budgetansätze, wo er sagt: „Das ist für mich eine CO2-Senke“ soll er uns einmal zur Kenntnis bringen. Ich weiß nicht, wovon er spricht. Für mich ist es nicht nachvollziehbar. 1,5 Milliarden Euro gehen aber fix in die Pandemie hinein. Das ist quasi auch der Aufbau meiner Rede. 1,5 Milliarden Euro in die Klimakrise sagt er. Ich sage, weitaus weniger. 1,5 Milliarden fix für die Pandemie. Das wird zu wenig sein, um eine postfossile Zeit und eine prosperierende Zukunft in Niederösterreich einzuleiten und daher stimmen wir gegen diesen Voranschlag. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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